Dahin gehört auch die immer mehr um sich greifende Gesellschaftlichkeit. Die Noth- wendigkeit und die grossen Vortheile der Gesellschaftlichkeit kenne ich und weiss sie zu schaetzen. Sie muss aber ihre Graenzen haben. Die vorzüglichste Bestimmung des Menschen ist doch immer Arbeitsamkeit. Gesellschaftlichkeit ist nur Erfrischung, die er nicht eher geniessen darf, bis sie ihm Be- dürfniss ist. Wenn aber Gesellschaftlichkeit die Hauptabsicht und Arbeitsamkeit nur Mit- tel wird, dann muss nothwendig der zur Thaetigkeit bestimmte Geist auf mancherley Ausschweifungen verfallen, davon die ge- wöhnlichsten, Spiel, Verlaeumdung und las- cive Scherze, sind. Die Kinder sind dabey sehr oft zugegen -- welche Wirkung es nun wohl haben mag, wenn sie Personen, die ihnen gewöhnlich zum Muster vorgestellt werden, so muthwillig scherzen hören!
So wie nun faule Moraeste durch ihre Ausdünstungen nach und nach die Luft ver-
giften,
Dahin gehört auch die immer mehr um ſich greifende Geſellſchaftlichkeit. Die Noth- wendigkeit und die groſsen Vortheile der Geſellſchaftlichkeit kenne ich und weiſs ſie zu ſchætzen. Sie muſs aber ihre Grænzen haben. Die vorzüglichſte Beſtimmung des Menſchen iſt doch immer Arbeitſamkeit. Geſellſchaftlichkeit iſt nur Erfriſchung, die er nicht eher genieſsen darf, bis ſie ihm Be- dürfniſs iſt. Wenn aber Geſellſchaftlichkeit die Hauptabſicht und Arbeitſamkeit nur Mit- tel wird, dann muſs nothwendig der zur Thætigkeit beſtimmte Geiſt auf mancherley Ausſchweifungen verfallen, davon die ge- wöhnlichſten, Spiel, Verlæumdung und laſ- cive Scherze, ſind. Die Kinder ſind dabey ſehr oft zugegen — welche Wirkung es nun wohl haben mag, wenn ſie Perſonen, die ihnen gewöhnlich zum Muſter vorgeſtellt werden, ſo muthwillig ſcherzen hören!
So wie nun faule Moræſte durch ihre Ausdünſtungen nach und nach die Luft ver-
giften,
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Dahin gehört auch die immer mehr um
ſich greifende Geſellſchaftlichkeit. Die Noth-
wendigkeit und die groſsen Vortheile der
Geſellſchaftlichkeit kenne ich und weiſs ſie
zu ſchætzen. Sie muſs aber ihre Grænzen
haben. Die vorzüglichſte Beſtimmung des
Menſchen iſt doch immer Arbeitſamkeit.
Geſellſchaftlichkeit iſt nur Erfriſchung, die
er nicht eher genieſsen darf, bis ſie ihm Be-
dürfniſs iſt. Wenn aber Geſellſchaftlichkeit
die Hauptabſicht und Arbeitſamkeit nur Mit-
tel wird, dann muſs nothwendig der zur
Thætigkeit beſtimmte Geiſt auf mancherley
Ausſchweifungen verfallen, davon die ge-
wöhnlichſten, Spiel, Verlæumdung und laſ-
cive Scherze, ſind. Die Kinder ſind dabey
ſehr oft zugegen — welche Wirkung es
nun wohl haben mag, wenn ſie Perſonen,
die ihnen gewöhnlich zum Muſter vorgeſtellt
werden, ſo muthwillig ſcherzen hören!
So wie nun faule Moræſte durch ihre
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/114>, abgerufen am 24.11.2024.
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