das diesem Rechte gerade entgegen steht -- das Gesetz der Selbsterhaltung, nicht ver- läugnen. Also keine Spur von diesem Rechte.
2. Die Natur des Menschen, in so ferne sie höhere Empfindungskraft in sich schließt, und aus den Gefühlen aller Gesunddenkenden erkennbar ist, hat ein all- gemeines Naturgefühl (c) aufzuweisen, ei- nen natürlichen Abscheu gegen die Selbst- ermordung, eine entscheidende Misbilligung der vollendeten That, eine kunstlose, bered- same Warnung vor dem fürchterlichen Schritte -- und dieser Abscheu, diese Mis- billigung, diese Warnung der Mutter Na- tur läßt sich mit dem Rechte, die Stelle dieses Lebens nach Gutbefinden zu verlassen, nicht wohl vereinigen. Also keine Spur von diesem Rechte.
3. Die Natur des Menschen, in so ferne sie Denkkraft, Forschungsgabe ist, kann auch von den heissesten Leiden nie mit Zuverlässigkeit zum voraus bestimmen:
Ob
(c) Zweyter Grund.
Erſter Abſchnitt.
das dieſem Rechte gerade entgegen ſteht — das Geſetz der Selbſterhaltung, nicht ver- laͤugnen. Alſo keine Spur von dieſem Rechte.
2. Die Natur des Menſchen, in ſo ferne ſie hoͤhere Empfindungskraft in ſich ſchließt, und aus den Gefuͤhlen aller Geſunddenkenden erkennbar iſt, hat ein all- gemeines Naturgefuͤhl (c) aufzuweiſen, ei- nen natuͤrlichen Abſcheu gegen die Selbſt- ermordung, eine entſcheidende Misbilligung der vollendeten That, eine kunſtloſe, bered- ſame Warnung vor dem fuͤrchterlichen Schritte — und dieſer Abſcheu, dieſe Mis- billigung, dieſe Warnung der Mutter Na- tur laͤßt ſich mit dem Rechte, die Stelle dieſes Lebens nach Gutbefinden zu verlaſſen, nicht wohl vereinigen. Alſo keine Spur von dieſem Rechte.
3. Die Natur des Menſchen, in ſo ferne ſie Denkkraft, Forſchungsgabe iſt, kann auch von den heiſſeſten Leiden nie mit Zuverlaͤſſigkeit zum voraus beſtimmen:
Ob
(c) Zweyter Grund.
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Erſter Abſchnitt.
das dieſem Rechte gerade entgegen ſteht —
das Geſetz der Selbſterhaltung, nicht ver-
laͤugnen. Alſo keine Spur von dieſem
Rechte.
2. Die Natur des Menſchen, in
ſo ferne ſie hoͤhere Empfindungskraft in
ſich ſchließt, und aus den Gefuͤhlen aller
Geſunddenkenden erkennbar iſt, hat ein all-
gemeines Naturgefuͤhl (c) aufzuweiſen, ei-
nen natuͤrlichen Abſcheu gegen die Selbſt-
ermordung, eine entſcheidende Misbilligung
der vollendeten That, eine kunſtloſe, bered-
ſame Warnung vor dem fuͤrchterlichen
Schritte — und dieſer Abſcheu, dieſe Mis-
billigung, dieſe Warnung der Mutter Na-
tur laͤßt ſich mit dem Rechte, die Stelle
dieſes Lebens nach Gutbefinden zu verlaſſen,
nicht wohl vereinigen. Alſo keine Spur
von dieſem Rechte.
3. Die Natur des Menſchen, in ſo
ferne ſie Denkkraft, Forſchungsgabe iſt,
kann auch von den heiſſeſten Leiden nie mit
Zuverlaͤſſigkeit zum voraus beſtimmen:
Ob
(c) Zweyter Grund.
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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/32>, abgerufen am 16.07.2024.
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