grausamen vorziehen? Wenn ich zu Wasser reisen will, wähl' ich mir das Schiff, das mir ge- fällt; wenn ich Herberge neh- men will, wähl' ich mir das Haus, das mir gefällt: soll ich nicht auch die To- desart wählen dürfen, die mich aus dem Leben schafft?
kürzen, wenn es die allbe- stimmende Fürsehung weiter hinaus gerückt hat. Die Art, in dieß Leben einzugehen hieng nicht von meiner Wahl ab: so kann auch die Art, aus dem- selben hinauszugehen, nicht von meiner Willkühr abhan- gen. Denn der die Stunde des Todes bestimmt, bestimmt auch die Art des Todes, wie Er die Stunde der Geburt, und die Umstände derselben bestimmet hat. Anfang und Ende des Lebens stehen nicht unter meiner Gewalt: nur der Gebrauch desselben. Haus, und Schiff kann ich wählen: aber die Art, und Weise in die Welt zu kommen, konnte ich nicht wählen. Tugend und Weisheit kann, und darf ich
Quemadmodum non utique melior est longior
auch
vita
Dritter Abſchnitt.
Seneka.
Der chriſtliche Weiſe.
grauſamen vorziehen? Wenn ich zu Waſſer reiſen will, waͤhl’ ich mir das Schiff, das mir ge- faͤllt; wenn ich Herberge neh- men will, waͤhl’ ich mir das Haus, das mir gefaͤllt: ſoll ich nicht auch die To- desart waͤhlen duͤrfen, die mich aus dem Leben ſchafft?
kuͤrzen, wenn es die allbe- ſtimmende Fuͤrſehung weiter hinaus geruͤckt hat. Die Art, in dieß Leben einzugehen hieng nicht von meiner Wahl ab: ſo kann auch die Art, aus dem- ſelben hinauszugehen, nicht von meiner Willkuͤhr abhan- gen. Denn der die Stunde des Todes beſtimmt, beſtimmt auch die Art des Todes, wie Er die Stunde der Geburt, und die Umſtaͤnde derſelben beſtimmet hat. Anfang und Ende des Lebens ſtehen nicht unter meiner Gewalt: nur der Gebrauch deſſelben. Haus, und Schiff kann ich waͤhlen: aber die Art, und Weiſe in die Welt zu kommen, konnte ich nicht waͤhlen. Tugend und Weisheit kann, und darf ich
Quemadmodum non utique melior eſt longior
auch
vita
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Dritter Abſchnitt.
Seneka. Der chriſtliche Weiſe.
grauſamen
vorziehen?
Wenn ich zu
Waſſer reiſen
will, waͤhl’ ich
mir das Schiff,
das mir ge-
faͤllt; wenn ich
Herberge neh-
men will,
waͤhl’ ich mir
das Haus, das
mir gefaͤllt:
ſoll ich nicht
auch die To-
desart waͤhlen
duͤrfen, die
mich aus dem
Leben ſchafft? kuͤrzen, wenn es die allbe-
ſtimmende Fuͤrſehung weiter
hinaus geruͤckt hat. Die Art,
in dieß Leben einzugehen hieng
nicht von meiner Wahl ab: ſo
kann auch die Art, aus dem-
ſelben hinauszugehen, nicht
von meiner Willkuͤhr abhan-
gen. Denn der die Stunde
des Todes beſtimmt, beſtimmt
auch die Art des Todes, wie
Er die Stunde der Geburt,
und die Umſtaͤnde derſelben
beſtimmet hat. Anfang und
Ende des Lebens ſtehen nicht
unter meiner Gewalt: nur der
Gebrauch deſſelben. Haus,
und Schiff kann ich waͤhlen:
aber die Art, und Weiſe in die
Welt zu kommen, konnte ich
nicht waͤhlen. Tugend und
Weisheit kann, und darf ich
auch
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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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