Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.Zweyter Abschnitt. ling entnerven, ehe er Mann wird. Manspricht vom schwachen Fibernbau -- und nimmt das schwache Geschöpf mit in Schau- spiele, wo alle schlafenden Reitze der Sinn- lichkeit aufgewecket, und alle wachenden aufs höchste gespannt werden. Man spricht vom schwachen Fibernbau -- und führt das Mäd- chen in Gesellschaften, wo die wollusttrun- kenen Blicke des frechen Junkers, und alle die Aergerßenen des Gesetzlosen und geehrten Lasters die Phantasie mit unaustilgbaren Lust- bildern füllen, und Herz und Hirn zugleich verderben. Man spricht vom schwachen Fi- bernbau -- und giebt dem schwachgebauten Geschöpfe eine Erziehung, die weiter nichts ist als ein schreckliches Einerley von Beyspie- len und Regeln der Eitelkeit, Tändeley, Empfindeley, Liebeley u. s. w. Und wenn nun durch Erziehung, Lec- "Der
Zweyter Abſchnitt. ling entnerven, ehe er Mann wird. Manſpricht vom ſchwachen Fibernbau — und nimmt das ſchwache Geſchoͤpf mit in Schau- ſpiele, wo alle ſchlafenden Reitze der Sinn- lichkeit aufgewecket, und alle wachenden aufs hoͤchſte geſpannt werden. Man ſpricht vom ſchwachen Fibernbau — und fuͤhrt das Maͤd- chen in Geſellſchaften, wo die wolluſttrun- kenen Blicke des frechen Junkers, und alle die Aergerſzenen des Geſetzloſen und geehrten Laſters die Phantaſie mit unaustilgbaren Luſt- bildern fuͤllen, und Herz und Hirn zugleich verderben. Man ſpricht vom ſchwachen Fi- bernbau — und giebt dem ſchwachgebauten Geſchoͤpfe eine Erziehung, die weiter nichts iſt als ein ſchreckliches Einerley von Beyſpie- len und Regeln der Eitelkeit, Taͤndeley, Empfindeley, Liebeley u. ſ. w. Und wenn nun durch Erziehung, Lec- „Der
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Zweyter Abſchnitt.
ling entnerven, ehe er Mann wird. Man
ſpricht vom ſchwachen Fibernbau — und
nimmt das ſchwache Geſchoͤpf mit in Schau-
ſpiele, wo alle ſchlafenden Reitze der Sinn-
lichkeit aufgewecket, und alle wachenden aufs
hoͤchſte geſpannt werden. Man ſpricht vom
ſchwachen Fibernbau — und fuͤhrt das Maͤd-
chen in Geſellſchaften, wo die wolluſttrun-
kenen Blicke des frechen Junkers, und alle
die Aergerſzenen des Geſetzloſen und geehrten
Laſters die Phantaſie mit unaustilgbaren Luſt-
bildern fuͤllen, und Herz und Hirn zugleich
verderben. Man ſpricht vom ſchwachen Fi-
bernbau — und giebt dem ſchwachgebauten
Geſchoͤpfe eine Erziehung, die weiter nichts
iſt als ein ſchreckliches Einerley von Beyſpie-
len und Regeln der Eitelkeit, Taͤndeley,
Empfindeley, Liebeley u. ſ. w.
Und wenn nun durch Erziehung, Lec-
tuͤre, Umgang, Schauſpiele, Verfuͤh-
rung ꝛc. die Leidenſchaft der Juͤnglinge, der
Maͤdchen auf den Punct geſpannt worden,
daß ſie ſich, und ihre Familien mit Schand-
thaten gebrandmarkt: dann heißt’s:
„Der
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Zitationshilfe: | Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/128>, abgerufen am 22.07.2024. |