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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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Sie stärket f. die Kämpfenden durch die Aus-
sichten auf die kommende Herrlichkeit zu neuem Muth,
um der Gerechtigkeit willen zu leiden.

"Und was sind alle Leiden dieser Tage? ich
halte sie wie nichts gegen die Herrlichkeit, die an uns
soll offenbar werden
(Röm. VIII. 18-26.); unsere Trüb-
sal, die zeitlich und leicht ist, schaffet uns ewige und
übergewichtige Herrlichkeit -- uns, die wir nicht auf
das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen
. (II.
Cor. IV. 17. 18.). Wenn nun Paulus, dessen Liebe so
rein
war, dass er für seine Brüder gerne ein Fluch ge-
worden wäre, sich nicht schämt, auf das Unsichtbare
hinauszusehen, um Muth für das Sichtbare zu holen:
was sollen wir, und alle, die noch mit Fleisch und
Blut zu streiten haben, uns schämen, unsern Muth da-
her zu holen, woher ihn die edelsten Menschen auch
genommen haben? Dem Reinen ist alles rein: also
gewiss auch der Blick in das Land der Seligkeiten, von
dem
uns die Idee und der Wunsch nicht umsonst gelas-
sen ist, zu dem die Weisheit nicht umsonst den Weg
bahnt, dazu uns die Güte nicht umsonst geschaffen,
und davon die Tugend hier schon, nicht umsonst einen
Vorschmack hat.

Sie weiset g. die Frommen, die dieses Na-
mens werth sind, bey ihren täglichen Fehltritten, de-
ren sie sich nicht erwehren können, in den unaus-
sprechlichen Beklemmungen, denen auch die reinste Seele
nicht entgehen mag, und in allen geheimen oder offen-
baren Anliegen, die keine menschliche Vernunft weg-

denken

Sie ſtärket f. die Kämpfenden durch die Aus-
ſichten auf die kommende Herrlichkeit zu neuem Muth,
um der Gerechtigkeit willen zu leiden.

Und was ſind alle Leiden dieſer Tage? ich
halte ſie wie nichts gegen die Herrlichkeit, die an uns
ſoll offenbar werden
(Röm. VIII. 18-26.); unſere Trüb-
ſal, die zeitlich und leicht iſt, ſchaffet uns ewige und
übergewichtige Herrlichkeit — uns, die wir nicht auf
das Sichtbare, ſondern auf das Unſichtbare ſehen
. (II.
Cor. IV. 17. 18.). Wenn nun Paulus, deſſen Liebe ſo
rein
war, daſs er für ſeine Brüder gerne ein Fluch ge-
worden wäre, ſich nicht ſchämt, auf das Unſichtbare
hinauszuſehen, um Muth für das Sichtbare zu holen:
was ſollen wir, und alle, die noch mit Fleiſch und
Blut zu ſtreiten haben, uns ſchämen, unſern Muth da-
her zu holen, woher ihn die edelſten Menſchen auch
genommen haben? Dem Reinen iſt alles rein: alſo
gewiſs auch der Blick in das Land der Seligkeiten, von
dem
uns die Idee und der Wunſch nicht umſonſt gelaſ-
ſen iſt, zu dem die Weisheit nicht umſonſt den Weg
bahnt, dazu uns die Güte nicht umſonſt geſchaffen,
und davon die Tugend hier ſchon, nicht umſonſt einen
Vorſchmack hat.

Sie weiſet g. die Frommen, die dieſes Na-
mens werth ſind, bey ihren täglichen Fehltritten, de-
ren ſie ſich nicht erwehren können, in den unaus-
ſprechlichen Beklemmungen, denen auch die reinſte Seele
nicht entgehen mag, und in allen geheimen oder offen-
baren Anliegen, die keine menſchliche Vernunft weg-

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[75/0089] Sie ſtärket f. die Kämpfenden durch die Aus- ſichten auf die kommende Herrlichkeit zu neuem Muth, um der Gerechtigkeit willen zu leiden. „Und was ſind alle Leiden dieſer Tage? ich halte ſie wie nichts gegen die Herrlichkeit, die an uns ſoll offenbar werden (Röm. VIII. 18-26.); unſere Trüb- ſal, die zeitlich und leicht iſt, ſchaffet uns ewige und übergewichtige Herrlichkeit — uns, die wir nicht auf das Sichtbare, ſondern auf das Unſichtbare ſehen. (II. Cor. IV. 17. 18.). Wenn nun Paulus, deſſen Liebe ſo rein war, daſs er für ſeine Brüder gerne ein Fluch ge- worden wäre, ſich nicht ſchämt, auf das Unſichtbare hinauszuſehen, um Muth für das Sichtbare zu holen: was ſollen wir, und alle, die noch mit Fleiſch und Blut zu ſtreiten haben, uns ſchämen, unſern Muth da- her zu holen, woher ihn die edelſten Menſchen auch genommen haben? Dem Reinen iſt alles rein: alſo gewiſs auch der Blick in das Land der Seligkeiten, von dem uns die Idee und der Wunſch nicht umſonſt gelaſ- ſen iſt, zu dem die Weisheit nicht umſonſt den Weg bahnt, dazu uns die Güte nicht umſonſt geſchaffen, und davon die Tugend hier ſchon, nicht umſonſt einen Vorſchmack hat. Sie weiſet g. die Frommen, die dieſes Na- mens werth ſind, bey ihren täglichen Fehltritten, de- ren ſie ſich nicht erwehren können, in den unaus- ſprechlichen Beklemmungen, denen auch die reinſte Seele nicht entgehen mag, und in allen geheimen oder offen- baren Anliegen, die keine menſchliche Vernunft weg- denken

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/89>, abgerufen am 29.03.2024.