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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Phytodynamik.
als darauf aus, die Reizbarkeit der Staubgefäße als Beweise
für die Nothwendigkeit der Insectenhilfe bei der Bestäubung in
Anspruch zu nehmen. -- Eine Bewegung ganz neuer Art ent-
deckte Corti 1772 in den Schläuchen der Charen: die jetzt so-
genannte Circulation des Protoplasma's; diese Form pflanzlicher
Bewegung schien jedoch zunächst nicht die geringste Aehnlichkeit
mit den damals bekannten phytodynamischen Vorgängen zu haben
und wurde daher auch und noch lange nachher mit diesen nicht
in Verbindung gebracht; vielmehr setzte sich bald der Irrthum
fest, daß man es hier mit einer Circulation des Nahrungssaftes
in dem Sinne früherer Physiologen zu thun habe; ein Irrthum
der sich noch tief bis in unser Jahrhundert herein erhielt und
sich mit den mißverstandenen Bewegungen des Milchsaftes ver-
band, um sich bei Schultz Schultzenstein zur Lehre von der
Circulation des Lebenssaftes auszubilden. Uebrigens war zeit-
weilig Corti's Entdeckung wohl ihrer Fremdartigkeit wegen
wieder in Vergessenheit gerathen, so daß sie 1811 von Trevi-
ranus erneuert werden mußte. Nicht viel besser stand es mit
der Bewegung der Oscillatorien, (welche Adanson 1767 ent-
deckte, da sie Vaucher zunächst nur dazu verleitete), die Oscil-
latorien für Thiere zu erklären.

3) So unvollkommen auch die theoretischen Bestrebungen
des 18. Jahrhunderts auf diesem Gebiet waren, gingen sie doch
wenigstens darauf aus, die verschiedenen Bewegungsformen der
Pflanzen auf ein Spiel physikalischer Kräfte zurückzuführen.
Schon in den letzten Jahren des Jahrhunderts trat jedoch auch
hier, wie auf allen Gebieten der Botanik und Zoologie eine
andere Auffassungsweise der gesunden Weiterentwicklung der
Wissenschaft entgegen. Auch die Mehrzahl derer, die sich von
der Naturphilosophie und ihren Redensarten fern hielten, glaubten
doch in den Organismen etwas der übrigen Natur Fremdes sehen
zu müssen; da die bisherigen Versuche, die Lebenserscheinungen
mechanisch zu erklären, im Ganzen sehr ungenügend ausgefallen
waren, hielt man jede derartige Erklärung überhaupt für ganz
unmöglich, selbst für widersinnig, ohne zu bemerken, daß die

Geſchichte der Phytodynamik.
als darauf aus, die Reizbarkeit der Staubgefäße als Beweiſe
für die Nothwendigkeit der Inſectenhilfe bei der Beſtäubung in
Anſpruch zu nehmen. — Eine Bewegung ganz neuer Art ent-
deckte Corti 1772 in den Schläuchen der Charen: die jetzt ſo-
genannte Circulation des Protoplasma's; dieſe Form pflanzlicher
Bewegung ſchien jedoch zunächſt nicht die geringſte Aehnlichkeit
mit den damals bekannten phytodynamiſchen Vorgängen zu haben
und wurde daher auch und noch lange nachher mit dieſen nicht
in Verbindung gebracht; vielmehr ſetzte ſich bald der Irrthum
feſt, daß man es hier mit einer Circulation des Nahrungsſaftes
in dem Sinne früherer Phyſiologen zu thun habe; ein Irrthum
der ſich noch tief bis in unſer Jahrhundert herein erhielt und
ſich mit den mißverſtandenen Bewegungen des Milchſaftes ver-
band, um ſich bei Schultz Schultzenſtein zur Lehre von der
Circulation des Lebensſaftes auszubilden. Uebrigens war zeit-
weilig Corti's Entdeckung wohl ihrer Fremdartigkeit wegen
wieder in Vergeſſenheit gerathen, ſo daß ſie 1811 von Trevi-
ranus erneuert werden mußte. Nicht viel beſſer ſtand es mit
der Bewegung der Oscillatorien, (welche Adanſon 1767 ent-
deckte, da ſie Vaucher zunächſt nur dazu verleitete), die Oscil-
latorien für Thiere zu erklären.

3) So unvollkommen auch die theoretiſchen Beſtrebungen
des 18. Jahrhunderts auf dieſem Gebiet waren, gingen ſie doch
wenigſtens darauf aus, die verſchiedenen Bewegungsformen der
Pflanzen auf ein Spiel phyſikaliſcher Kräfte zurückzuführen.
Schon in den letzten Jahren des Jahrhunderts trat jedoch auch
hier, wie auf allen Gebieten der Botanik und Zoologie eine
andere Auffaſſungsweiſe der geſunden Weiterentwicklung der
Wiſſenſchaft entgegen. Auch die Mehrzahl derer, die ſich von
der Naturphiloſophie und ihren Redensarten fern hielten, glaubten
doch in den Organismen etwas der übrigen Natur Fremdes ſehen
zu müſſen; da die bisherigen Verſuche, die Lebenserſcheinungen
mechaniſch zu erklären, im Ganzen ſehr ungenügend ausgefallen
waren, hielt man jede derartige Erklärung überhaupt für ganz
unmöglich, ſelbſt für widerſinnig, ohne zu bemerken, daß die

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[589/0601] Geſchichte der Phytodynamik. als darauf aus, die Reizbarkeit der Staubgefäße als Beweiſe für die Nothwendigkeit der Inſectenhilfe bei der Beſtäubung in Anſpruch zu nehmen. — Eine Bewegung ganz neuer Art ent- deckte Corti 1772 in den Schläuchen der Charen: die jetzt ſo- genannte Circulation des Protoplasma's; dieſe Form pflanzlicher Bewegung ſchien jedoch zunächſt nicht die geringſte Aehnlichkeit mit den damals bekannten phytodynamiſchen Vorgängen zu haben und wurde daher auch und noch lange nachher mit dieſen nicht in Verbindung gebracht; vielmehr ſetzte ſich bald der Irrthum feſt, daß man es hier mit einer Circulation des Nahrungsſaftes in dem Sinne früherer Phyſiologen zu thun habe; ein Irrthum der ſich noch tief bis in unſer Jahrhundert herein erhielt und ſich mit den mißverſtandenen Bewegungen des Milchſaftes ver- band, um ſich bei Schultz Schultzenſtein zur Lehre von der Circulation des Lebensſaftes auszubilden. Uebrigens war zeit- weilig Corti's Entdeckung wohl ihrer Fremdartigkeit wegen wieder in Vergeſſenheit gerathen, ſo daß ſie 1811 von Trevi- ranus erneuert werden mußte. Nicht viel beſſer ſtand es mit der Bewegung der Oscillatorien, (welche Adanſon 1767 ent- deckte, da ſie Vaucher zunächſt nur dazu verleitete), die Oscil- latorien für Thiere zu erklären. 3) So unvollkommen auch die theoretiſchen Beſtrebungen des 18. Jahrhunderts auf dieſem Gebiet waren, gingen ſie doch wenigſtens darauf aus, die verſchiedenen Bewegungsformen der Pflanzen auf ein Spiel phyſikaliſcher Kräfte zurückzuführen. Schon in den letzten Jahren des Jahrhunderts trat jedoch auch hier, wie auf allen Gebieten der Botanik und Zoologie eine andere Auffaſſungsweiſe der geſunden Weiterentwicklung der Wiſſenſchaft entgegen. Auch die Mehrzahl derer, die ſich von der Naturphiloſophie und ihren Redensarten fern hielten, glaubten doch in den Organismen etwas der übrigen Natur Fremdes ſehen zu müſſen; da die bisherigen Verſuche, die Lebenserſcheinungen mechaniſch zu erklären, im Ganzen ſehr ungenügend ausgefallen waren, hielt man jede derartige Erklärung überhaupt für ganz unmöglich, ſelbſt für widerſinnig, ohne zu bemerken, daß die

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/601>, abgerufen am 24.11.2024.