Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmose.
Anziehung auf das umgebende Wasser ausübe, welches in den
geschlossenen Raum eindringend daselbst im Stande ist, namhafte
Druckkräfte geltend zu machen. Die Hervorhebung dieser mecha-
nischen Wirkung der Endosmose und ihre Verwerthung zur Er-
klärung verschiedener Lebenserscheinungen ist ganz vorwiegend ein
bleibendes Verdienst Dutrochet's; zahlreiche Erscheinungen, an
deren mechanische Erklärung man bis dahin kaum dachte, konnten
nunmehr auf ein mechanisches Princip zurückgeführt werden, dessen
Wirkungen sich auch außerhalb des Organismus an künstlichen
Apparaten hervorrufen und genauer studiren ließen. Mit Recht
legte Dutrochet besondern Werth darauf, daß sich durch Endos-
mose und Exosmose ohne Weiteres die verschiedenen Turgescenz-
zustände des Pflanzengewebes erklären lassen, wenn er auch, wie
es in solchen Fällen zu geschehen pflegt, das neu erkannte Er-
klärungsprincip selbst da zur Geltung brachte, wo es nicht am
Orte war, wie wir noch weiter sehen werden. Was Dutrochet
über das Wesen der Endosmose selbst zu Tage förderte, kann
gegenwärtig als durchaus veraltet betrachtet werden und ebenso-
wenig gelang es dem Mathematiker Poisson und dem Physiker
Magnus im Beginn der dreißiger Jahre eine genügende Theorie
der Endosmose und der Exosmose aufzustellen. Erst im Lauf
der nächsten zwanzig bis dreißig Jahre zeigte sich, daß die von
Dutrochet beobachteten Erscheinungen, welche er als Endosmose
und Exosmose bezeichnet hatte, nur besondere complicirtere Fälle
der sogenannten Hydrodiffusion darstellen, die selbst wieder mit
der Gasdiffusion ein weitläufiges Feld der Molecularphysik aus-
macht. Dutrochet hatte ebenso, wie seine nächsten Nachfolger
seine Untersuchungen über die Osmose mit thierischen und com-
plicirt gebauten pflanzlichen Häuten ausgeführt, und mit diesen
jedesmal außer dem endosmotischen Strom, welcher das Wasser
zu der dichteren Lösung hinführte, einen Austritt von gelöster
Substanz selbst erhalten, woraus er schloß, daß durch die die
beiden Flüssigkeiten trennende Haut immer zwei entgegengesetzte
Strömungen stattfinden müssen, daß nach seiner Ausdrucksweise
mit der Endosmose auch immer Exosmose verbunden sei; dieser

Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe.
Anziehung auf das umgebende Waſſer ausübe, welches in den
geſchloſſenen Raum eindringend daſelbſt im Stande iſt, namhafte
Druckkräfte geltend zu machen. Die Hervorhebung dieſer mecha-
niſchen Wirkung der Endosmoſe und ihre Verwerthung zur Er-
klärung verſchiedener Lebenserſcheinungen iſt ganz vorwiegend ein
bleibendes Verdienſt Dutrochet's; zahlreiche Erſcheinungen, an
deren mechaniſche Erklärung man bis dahin kaum dachte, konnten
nunmehr auf ein mechaniſches Princip zurückgeführt werden, deſſen
Wirkungen ſich auch außerhalb des Organismus an künſtlichen
Apparaten hervorrufen und genauer ſtudiren ließen. Mit Recht
legte Dutrochet beſondern Werth darauf, daß ſich durch Endos-
moſe und Exosmoſe ohne Weiteres die verſchiedenen Turgescenz-
zuſtände des Pflanzengewebes erklären laſſen, wenn er auch, wie
es in ſolchen Fällen zu geſchehen pflegt, das neu erkannte Er-
klärungsprincip ſelbſt da zur Geltung brachte, wo es nicht am
Orte war, wie wir noch weiter ſehen werden. Was Dutrochet
über das Weſen der Endosmoſe ſelbſt zu Tage förderte, kann
gegenwärtig als durchaus veraltet betrachtet werden und ebenſo-
wenig gelang es dem Mathematiker Poiſſon und dem Phyſiker
Magnus im Beginn der dreißiger Jahre eine genügende Theorie
der Endosmoſe und der Exosmoſe aufzuſtellen. Erſt im Lauf
der nächſten zwanzig bis dreißig Jahre zeigte ſich, daß die von
Dutrochet beobachteten Erſcheinungen, welche er als Endosmoſe
und Exosmoſe bezeichnet hatte, nur beſondere complicirtere Fälle
der ſogenannten Hydrodiffuſion darſtellen, die ſelbſt wieder mit
der Gasdiffuſion ein weitläufiges Feld der Molecularphyſik aus-
macht. Dutrochet hatte ebenſo, wie ſeine nächſten Nachfolger
ſeine Unterſuchungen über die Osmoſe mit thieriſchen und com-
plicirt gebauten pflanzlichen Häuten ausgeführt, und mit dieſen
jedesmal außer dem endosmotiſchen Strom, welcher das Waſſer
zu der dichteren Löſung hinführte, einen Austritt von gelöſter
Subſtanz ſelbſt erhalten, woraus er ſchloß, daß durch die die
beiden Flüſſigkeiten trennende Haut immer zwei entgegengeſetzte
Strömungen ſtattfinden müſſen, daß nach ſeiner Ausdrucksweiſe
mit der Endosmoſe auch immer Exosmoſe verbunden ſei; dieſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0563" n="551"/><fw place="top" type="header">Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmo&#x017F;e.</fw><lb/>
Anziehung auf das umgebende Wa&#x017F;&#x017F;er ausübe, welches in den<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Raum eindringend da&#x017F;elb&#x017F;t im Stande i&#x017F;t, namhafte<lb/>
Druckkräfte geltend zu machen. Die Hervorhebung die&#x017F;er mecha-<lb/>
ni&#x017F;chen Wirkung der Endosmo&#x017F;e und ihre Verwerthung zur Er-<lb/>
klärung ver&#x017F;chiedener Lebenser&#x017F;cheinungen i&#x017F;t ganz vorwiegend ein<lb/>
bleibendes Verdien&#x017F;t <hi rendition="#g">Dutrochet</hi>'s; zahlreiche Er&#x017F;cheinungen, an<lb/>
deren mechani&#x017F;che Erklärung man bis dahin kaum dachte, konnten<lb/>
nunmehr auf ein mechani&#x017F;ches Princip zurückgeführt werden, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Wirkungen &#x017F;ich auch außerhalb des Organismus an kün&#x017F;tlichen<lb/>
Apparaten hervorrufen und genauer &#x017F;tudiren ließen. Mit Recht<lb/>
legte <hi rendition="#g">Dutrochet</hi> be&#x017F;ondern Werth darauf, daß &#x017F;ich durch Endos-<lb/>
mo&#x017F;e und Exosmo&#x017F;e ohne Weiteres die ver&#x017F;chiedenen Turgescenz-<lb/>
zu&#x017F;tände des Pflanzengewebes erklären la&#x017F;&#x017F;en, wenn er auch, wie<lb/>
es in &#x017F;olchen Fällen zu ge&#x017F;chehen pflegt, das neu erkannte Er-<lb/>
klärungsprincip &#x017F;elb&#x017F;t da zur Geltung brachte, wo es nicht am<lb/>
Orte war, wie wir noch weiter &#x017F;ehen werden. Was <hi rendition="#g">Dutrochet</hi><lb/>
über das We&#x017F;en der Endosmo&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t zu Tage förderte, kann<lb/>
gegenwärtig als durchaus veraltet betrachtet werden und eben&#x017F;o-<lb/>
wenig gelang es dem Mathematiker <hi rendition="#g">Poi&#x017F;&#x017F;on</hi> und dem Phy&#x017F;iker<lb/><hi rendition="#g">Magnus</hi> im Beginn der dreißiger Jahre eine genügende Theorie<lb/>
der Endosmo&#x017F;e und der Exosmo&#x017F;e aufzu&#x017F;tellen. Er&#x017F;t im Lauf<lb/>
der näch&#x017F;ten zwanzig bis dreißig Jahre zeigte &#x017F;ich, daß die von<lb/><hi rendition="#g">Dutrochet</hi> beobachteten Er&#x017F;cheinungen, welche er als Endosmo&#x017F;e<lb/>
und Exosmo&#x017F;e bezeichnet hatte, nur be&#x017F;ondere complicirtere Fälle<lb/>
der &#x017F;ogenannten Hydrodiffu&#x017F;ion dar&#x017F;tellen, die &#x017F;elb&#x017F;t wieder mit<lb/>
der Gasdiffu&#x017F;ion ein weitläufiges Feld der Molecularphy&#x017F;ik aus-<lb/>
macht. <hi rendition="#g">Dutrochet</hi> hatte eben&#x017F;o, wie &#x017F;eine näch&#x017F;ten Nachfolger<lb/>
&#x017F;eine Unter&#x017F;uchungen über die Osmo&#x017F;e mit thieri&#x017F;chen und com-<lb/>
plicirt gebauten pflanzlichen Häuten ausgeführt, und mit die&#x017F;en<lb/>
jedesmal außer dem endosmoti&#x017F;chen Strom, welcher das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
zu der dichteren Lö&#x017F;ung hinführte, einen Austritt von gelö&#x017F;ter<lb/>
Sub&#x017F;tanz &#x017F;elb&#x017F;t erhalten, woraus er &#x017F;chloß, daß durch die die<lb/>
beiden Flü&#x017F;&#x017F;igkeiten trennende Haut immer zwei entgegenge&#x017F;etzte<lb/>
Strömungen &#x017F;tattfinden mü&#x017F;&#x017F;en, daß nach &#x017F;einer Ausdruckswei&#x017F;e<lb/>
mit der Endosmo&#x017F;e auch immer Exosmo&#x017F;e verbunden &#x017F;ei; die&#x017F;er<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[551/0563] Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe. Anziehung auf das umgebende Waſſer ausübe, welches in den geſchloſſenen Raum eindringend daſelbſt im Stande iſt, namhafte Druckkräfte geltend zu machen. Die Hervorhebung dieſer mecha- niſchen Wirkung der Endosmoſe und ihre Verwerthung zur Er- klärung verſchiedener Lebenserſcheinungen iſt ganz vorwiegend ein bleibendes Verdienſt Dutrochet's; zahlreiche Erſcheinungen, an deren mechaniſche Erklärung man bis dahin kaum dachte, konnten nunmehr auf ein mechaniſches Princip zurückgeführt werden, deſſen Wirkungen ſich auch außerhalb des Organismus an künſtlichen Apparaten hervorrufen und genauer ſtudiren ließen. Mit Recht legte Dutrochet beſondern Werth darauf, daß ſich durch Endos- moſe und Exosmoſe ohne Weiteres die verſchiedenen Turgescenz- zuſtände des Pflanzengewebes erklären laſſen, wenn er auch, wie es in ſolchen Fällen zu geſchehen pflegt, das neu erkannte Er- klärungsprincip ſelbſt da zur Geltung brachte, wo es nicht am Orte war, wie wir noch weiter ſehen werden. Was Dutrochet über das Weſen der Endosmoſe ſelbſt zu Tage förderte, kann gegenwärtig als durchaus veraltet betrachtet werden und ebenſo- wenig gelang es dem Mathematiker Poiſſon und dem Phyſiker Magnus im Beginn der dreißiger Jahre eine genügende Theorie der Endosmoſe und der Exosmoſe aufzuſtellen. Erſt im Lauf der nächſten zwanzig bis dreißig Jahre zeigte ſich, daß die von Dutrochet beobachteten Erſcheinungen, welche er als Endosmoſe und Exosmoſe bezeichnet hatte, nur beſondere complicirtere Fälle der ſogenannten Hydrodiffuſion darſtellen, die ſelbſt wieder mit der Gasdiffuſion ein weitläufiges Feld der Molecularphyſik aus- macht. Dutrochet hatte ebenſo, wie ſeine nächſten Nachfolger ſeine Unterſuchungen über die Osmoſe mit thieriſchen und com- plicirt gebauten pflanzlichen Häuten ausgeführt, und mit dieſen jedesmal außer dem endosmotiſchen Strom, welcher das Waſſer zu der dichteren Löſung hinführte, einen Austritt von gelöſter Subſtanz ſelbſt erhalten, woraus er ſchloß, daß durch die die beiden Flüſſigkeiten trennende Haut immer zwei entgegengeſetzte Strömungen ſtattfinden müſſen, daß nach ſeiner Ausdrucksweiſe mit der Endosmoſe auch immer Exosmoſe verbunden ſei; dieſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/563
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/563>, abgerufen am 12.05.2024.