Jahre brach sich bei De Candolle und Dutrochet die Er- kenntniß Bahn, daß die Assimilationsthätigkeit der grünen Blätter für die Beurtheilung der Saftbewegung im Stamm maßgebend sein müsse.
Nur ein Theil der Ernährungslehre im weiteren Sinn wurde schon in den zwanziger und dreißiger Jahren weiter aus- gebildet, theoretisch vertieft und mit neuen Thatsachen bereichert; dieß war die Lehre von der Sauerstoffathmung aller Pflanzen- theile, die schon deßhalb den Anschauungen jener Zeit adäquater war, weil hier die Analogieen mit der thierischen Athmung sich nach jeder Richtung hin von selbst darbieten. Schon 1819 hatte Grishow gezeigt, daß die Pilze überhaupt niemals Kohlensäure zersetzen, sondern immer nur Sauerstoff einathmen und Kohlen- säure aushauchen, was 1834 von Marcet noch weiter ausge- führt wurde, nachdem schon vorher 1822 Th. de Saussure eine ausgezeichnete Untersuchung über die Sauerstoffathmung der Blüthen publicirt hatte, eine Arbeit, welche zugleich die erste Grundlage für die Theorie der vegetabilischen Eigenwärme wurde, worauf wir noch zurückkommen. Ausführlich aber wurde zuerst die Sauerstoffathmung der Pflanzen mit der der Thiere ver- glichen von Dutrochet 1837, der auch ausdrücklich hervorhob, daß nicht nur das Wachsthum, wie bereits Saussure erkannt hatte, sondern auch die Reizbarkeit der Pflanzen, von der Gegen- wart des Sauerstoffs, d. h. von ihrer Athmung abhängt. Mit der Erkenntniß, daß die Sauerstoffathmung bei den Pflanzen dieselbe Rolle spielt, wie bei den Thieren, brach sich auch die Ansicht Bahn, daß die vegetabilische Eigenwärme einfach eine Folge der Athmung sei, wie bei den Thieren. Es ist nicht nöthig hier ausführlich auf die vor 1822 über die Eigenwärme der Pflanzen gemachten Versuche einzugehen; sie litten sämmtlich an einer Unklarheit der Fragestellung, die nothwendig jeden Erfolg vereiteln mußte; man suchte die Eigenwärme, von der man annahm, sie müsse sich immer durch eine Temperaturerhöhung der Pflanze über die Umgebung geltend machen, nämlich gerade da nachzuweisen, wo sie am wenigsten zu finden ist, im Holz, in
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Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe.
Jahre brach ſich bei De Candolle und Dutrochet die Er- kenntniß Bahn, daß die Aſſimilationsthätigkeit der grünen Blätter für die Beurtheilung der Saftbewegung im Stamm maßgebend ſein müſſe.
Nur ein Theil der Ernährungslehre im weiteren Sinn wurde ſchon in den zwanziger und dreißiger Jahren weiter aus- gebildet, theoretiſch vertieft und mit neuen Thatſachen bereichert; dieß war die Lehre von der Sauerſtoffathmung aller Pflanzen- theile, die ſchon deßhalb den Anſchauungen jener Zeit adäquater war, weil hier die Analogieen mit der thieriſchen Athmung ſich nach jeder Richtung hin von ſelbſt darbieten. Schon 1819 hatte Grishow gezeigt, daß die Pilze überhaupt niemals Kohlenſäure zerſetzen, ſondern immer nur Sauerſtoff einathmen und Kohlen- ſäure aushauchen, was 1834 von Marcet noch weiter ausge- führt wurde, nachdem ſchon vorher 1822 Th. de Sauſſure eine ausgezeichnete Unterſuchung über die Sauerſtoffathmung der Blüthen publicirt hatte, eine Arbeit, welche zugleich die erſte Grundlage für die Theorie der vegetabiliſchen Eigenwärme wurde, worauf wir noch zurückkommen. Ausführlich aber wurde zuerſt die Sauerſtoffathmung der Pflanzen mit der der Thiere ver- glichen von Dutrochet 1837, der auch ausdrücklich hervorhob, daß nicht nur das Wachsthum, wie bereits Sauſſure erkannt hatte, ſondern auch die Reizbarkeit der Pflanzen, von der Gegen- wart des Sauerſtoffs, d. h. von ihrer Athmung abhängt. Mit der Erkenntniß, daß die Sauerſtoffathmung bei den Pflanzen dieſelbe Rolle ſpielt, wie bei den Thieren, brach ſich auch die Anſicht Bahn, daß die vegetabiliſche Eigenwärme einfach eine Folge der Athmung ſei, wie bei den Thieren. Es iſt nicht nöthig hier ausführlich auf die vor 1822 über die Eigenwärme der Pflanzen gemachten Verſuche einzugehen; ſie litten ſämmtlich an einer Unklarheit der Frageſtellung, die nothwendig jeden Erfolg vereiteln mußte; man ſuchte die Eigenwärme, von der man annahm, ſie müſſe ſich immer durch eine Temperaturerhöhung der Pflanze über die Umgebung geltend machen, nämlich gerade da nachzuweiſen, wo ſie am wenigſten zu finden iſt, im Holz, in
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Lebenskraft. - Athmung und Eigenwärme; Endosmoſe.
Jahre brach ſich bei De Candolle und Dutrochet die Er-
kenntniß Bahn, daß die Aſſimilationsthätigkeit der grünen Blätter
für die Beurtheilung der Saftbewegung im Stamm maßgebend
ſein müſſe.
Nur ein Theil der Ernährungslehre im weiteren Sinn
wurde ſchon in den zwanziger und dreißiger Jahren weiter aus-
gebildet, theoretiſch vertieft und mit neuen Thatſachen bereichert;
dieß war die Lehre von der Sauerſtoffathmung aller Pflanzen-
theile, die ſchon deßhalb den Anſchauungen jener Zeit adäquater
war, weil hier die Analogieen mit der thieriſchen Athmung ſich
nach jeder Richtung hin von ſelbſt darbieten. Schon 1819 hatte
Grishow gezeigt, daß die Pilze überhaupt niemals Kohlenſäure
zerſetzen, ſondern immer nur Sauerſtoff einathmen und Kohlen-
ſäure aushauchen, was 1834 von Marcet noch weiter ausge-
führt wurde, nachdem ſchon vorher 1822 Th. de Sauſſure
eine ausgezeichnete Unterſuchung über die Sauerſtoffathmung der
Blüthen publicirt hatte, eine Arbeit, welche zugleich die erſte
Grundlage für die Theorie der vegetabiliſchen Eigenwärme wurde,
worauf wir noch zurückkommen. Ausführlich aber wurde zuerſt
die Sauerſtoffathmung der Pflanzen mit der der Thiere ver-
glichen von Dutrochet 1837, der auch ausdrücklich hervorhob,
daß nicht nur das Wachsthum, wie bereits Sauſſure erkannt
hatte, ſondern auch die Reizbarkeit der Pflanzen, von der Gegen-
wart des Sauerſtoffs, d. h. von ihrer Athmung abhängt. Mit
der Erkenntniß, daß die Sauerſtoffathmung bei den Pflanzen
dieſelbe Rolle ſpielt, wie bei den Thieren, brach ſich auch die
Anſicht Bahn, daß die vegetabiliſche Eigenwärme einfach eine
Folge der Athmung ſei, wie bei den Thieren. Es iſt nicht nöthig
hier ausführlich auf die vor 1822 über die Eigenwärme der
Pflanzen gemachten Verſuche einzugehen; ſie litten ſämmtlich an
einer Unklarheit der Frageſtellung, die nothwendig jeden Erfolg
vereiteln mußte; man ſuchte die Eigenwärme, von der man
annahm, ſie müſſe ſich immer durch eine Temperaturerhöhung
der Pflanze über die Umgebung geltend machen, nämlich gerade
da nachzuweiſen, wo ſie am wenigſten zu finden iſt, im Holz, in
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/559>, abgerufen am 22.11.2024.
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