Erste inductive Versuche und Eröffnung neuer Gesichtspuncte etc.
ein Streben habe, aufwärts zu steigen. Neben jenen Flüssigkeit führenden Fasern und den luftführenden Tracheen des Holzes betonte er aber auch die Existenz besonderer Gefäße, welche bei manchen Pflanzen eigenartige Säfte führen, wie die Milchgefäße, Gummi- und Terpentingänge.
Bezüglich der Bewegung der Säfte hebt er hervor, daß sich die Richtung derselben umkehren lasse, weil umgekehrt gepflanzte Sprosse an ihrem organisch oberen Ende Wurzeln in die Erde austreiben und zu Bäumen heranwachsen; wenn diese auch immerhin weniger kräftig gedeihen, so beweise das Experiment doch, daß die Bewegung des Nahrungssaftes in umgekehrter Richtung stattfinde.
Nach diesen vorbereitenden Bemerkungen geht er zu dem Nachweis über, daß die rohen Nahrungssäfte erst in den Blättern diejenige Veränderung erfahren, durch welche sie zur Unterhaltung des Wachsthums befähigt werden. Die Art, wie Malpighi zu dieser Ansicht gelangt, ist ebenso einfach wie originell. Die Cotyledonen der Keimpflanzen erkennt er als ächte Blätter (in leguminibus seminalis caro, quae folium est conglobatum), was besonders bei dem Kürbiß, wo die Cotyledonen zu großen grünen Blättern auswachsen, einleuchte. Durch die Keimwurzel wird denselben Flüssigkeit zugeführt, von den in ihnen enthaltenen Stoffen aber geht ein Theil in die Keimknospe, um diese zum Wachsthum zu veranlassen, denn ihr Wachsthum unterbleibt, wenn die Cotyledonen weggenommen werden; da diese letzteren nun Blätter sind, so folgert Malpighi, daß auch alle übrigen Blätter zu dem Zweck vorhanden sind, damit der in ihren Zellen enthaltene Nahrungssaft, den die Holzfasern herbeigeführt haben, daselbst zubereitet werde (excoquatur). Die in den zahlreichen Anastomosen der Fasern auf ihrem langen Wege gemischte Feuch- tigkeit, werde in den Blättern durch die Kraft der Sonnenstrahlen verändert und mit dem in den Zellen schon vorhandenen Safte gemischt, wodurch eine neue Verbindung der Bestandtheile hervor- gebracht wird, indem zugleich Transspiration stattfindet, was er mit gewissen Vorgängen im Blut der Thiere vergleicht.
Erſte inductive Verſuche und Eröffnung neuer Geſichtspuncte etc.
ein Streben habe, aufwärts zu ſteigen. Neben jenen Flüſſigkeit führenden Faſern und den luftführenden Tracheen des Holzes betonte er aber auch die Exiſtenz beſonderer Gefäße, welche bei manchen Pflanzen eigenartige Säfte führen, wie die Milchgefäße, Gummi- und Terpentingänge.
Bezüglich der Bewegung der Säfte hebt er hervor, daß ſich die Richtung derſelben umkehren laſſe, weil umgekehrt gepflanzte Sproſſe an ihrem organiſch oberen Ende Wurzeln in die Erde austreiben und zu Bäumen heranwachſen; wenn dieſe auch immerhin weniger kräftig gedeihen, ſo beweiſe das Experiment doch, daß die Bewegung des Nahrungsſaftes in umgekehrter Richtung ſtattfinde.
Nach dieſen vorbereitenden Bemerkungen geht er zu dem Nachweis über, daß die rohen Nahrungsſäfte erſt in den Blättern diejenige Veränderung erfahren, durch welche ſie zur Unterhaltung des Wachsthums befähigt werden. Die Art, wie Malpighi zu dieſer Anſicht gelangt, iſt ebenſo einfach wie originell. Die Cotyledonen der Keimpflanzen erkennt er als ächte Blätter (in leguminibus seminalis caro, quae folium est conglobatum), was beſonders bei dem Kürbiß, wo die Cotyledonen zu großen grünen Blättern auswachſen, einleuchte. Durch die Keimwurzel wird denſelben Flüſſigkeit zugeführt, von den in ihnen enthaltenen Stoffen aber geht ein Theil in die Keimknoſpe, um dieſe zum Wachsthum zu veranlaſſen, denn ihr Wachsthum unterbleibt, wenn die Cotyledonen weggenommen werden; da dieſe letzteren nun Blätter ſind, ſo folgert Malpighi, daß auch alle übrigen Blätter zu dem Zweck vorhanden ſind, damit der in ihren Zellen enthaltene Nahrungsſaft, den die Holzfaſern herbeigeführt haben, daſelbſt zubereitet werde (excoquatur). Die in den zahlreichen Anaſtomoſen der Faſern auf ihrem langen Wege gemiſchte Feuch- tigkeit, werde in den Blättern durch die Kraft der Sonnenſtrahlen verändert und mit dem in den Zellen ſchon vorhandenen Safte gemiſcht, wodurch eine neue Verbindung der Beſtandtheile hervor- gebracht wird, indem zugleich Transſpiration ſtattfindet, was er mit gewiſſen Vorgängen im Blut der Thiere vergleicht.
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Erſte inductive Verſuche und Eröffnung neuer Geſichtspuncte etc.
ein Streben habe, aufwärts zu ſteigen. Neben jenen Flüſſigkeit
führenden Faſern und den luftführenden Tracheen des Holzes
betonte er aber auch die Exiſtenz beſonderer Gefäße, welche bei
manchen Pflanzen eigenartige Säfte führen, wie die Milchgefäße,
Gummi- und Terpentingänge.
Bezüglich der Bewegung der Säfte hebt er hervor, daß ſich
die Richtung derſelben umkehren laſſe, weil umgekehrt gepflanzte
Sproſſe an ihrem organiſch oberen Ende Wurzeln in die Erde
austreiben und zu Bäumen heranwachſen; wenn dieſe auch
immerhin weniger kräftig gedeihen, ſo beweiſe das Experiment
doch, daß die Bewegung des Nahrungsſaftes in umgekehrter
Richtung ſtattfinde.
Nach dieſen vorbereitenden Bemerkungen geht er zu dem
Nachweis über, daß die rohen Nahrungsſäfte erſt in den Blättern
diejenige Veränderung erfahren, durch welche ſie zur Unterhaltung
des Wachsthums befähigt werden. Die Art, wie Malpighi
zu dieſer Anſicht gelangt, iſt ebenſo einfach wie originell. Die
Cotyledonen der Keimpflanzen erkennt er als ächte Blätter (in
leguminibus seminalis caro, quae folium est conglobatum),
was beſonders bei dem Kürbiß, wo die Cotyledonen zu großen
grünen Blättern auswachſen, einleuchte. Durch die Keimwurzel
wird denſelben Flüſſigkeit zugeführt, von den in ihnen enthaltenen
Stoffen aber geht ein Theil in die Keimknoſpe, um dieſe zum
Wachsthum zu veranlaſſen, denn ihr Wachsthum unterbleibt,
wenn die Cotyledonen weggenommen werden; da dieſe letzteren
nun Blätter ſind, ſo folgert Malpighi, daß auch alle übrigen
Blätter zu dem Zweck vorhanden ſind, damit der in ihren Zellen
enthaltene Nahrungsſaft, den die Holzfaſern herbeigeführt haben,
daſelbſt zubereitet werde (excoquatur). Die in den zahlreichen
Anaſtomoſen der Faſern auf ihrem langen Wege gemiſchte Feuch-
tigkeit, werde in den Blättern durch die Kraft der Sonnenſtrahlen
verändert und mit dem in den Zellen ſchon vorhandenen Safte
gemiſcht, wodurch eine neue Verbindung der Beſtandtheile hervor-
gebracht wird, indem zugleich Transſpiration ſtattfindet, was er
mit gewiſſen Vorgängen im Blut der Thiere vergleicht.
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/507>, abgerufen am 22.11.2024.
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