Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Geschichte der Sexualtheorie. (Flora 1822 p. 49) und C. L. Treviranus, der 1822 eine um-fassende Widerlegung Henschel's: "die Lehre von dem Geschlecht der Pflanzen in Bezug auf die neuesten Angriffe erwogen" herausgab. Dagegen fanden sich einzelne Nachzügler jener krank- haften philosophischen Richtung auch später noch; so z. B. J. B. Wilbrand, Professor in Gießen, welcher noch 1830 (Flora p. 585) in sehr subtiler Unterscheidung annahm, daß bei den Pflanzen zwar etwas der thierischen Sexualität "Analoges", aber keines- wegs wirkliche Sexualität stattfinde. In dieser ganzen natur- philosophischen Literatur spricht sich die Unfähigkeit aus, Experi- mente einfach mit gesundem Menschenverstand zu beurtheilen; überall wird in den Erfolg der Versuche Etwas hineingedichtet, was nicht in der entferntesten Beziehung zu den Bedingungen und Ergebnissen derselben steht. Ganz anders verhielt es sich dagegen mit den von Bern- So regten sich noch bis tief in die dreißiger Jahre hinein Geſchichte der Sexualtheorie. (Flora 1822 p. 49) und C. L. Treviranus, der 1822 eine um-faſſende Widerlegung Henſchel's: „die Lehre von dem Geſchlecht der Pflanzen in Bezug auf die neueſten Angriffe erwogen“ herausgab. Dagegen fanden ſich einzelne Nachzügler jener krank- haften philoſophiſchen Richtung auch ſpäter noch; ſo z. B. J. B. Wilbrand, Profeſſor in Gießen, welcher noch 1830 (Flora p. 585) in ſehr ſubtiler Unterſcheidung annahm, daß bei den Pflanzen zwar etwas der thieriſchen Sexualität „Analoges“, aber keines- wegs wirkliche Sexualität ſtattfinde. In dieſer ganzen natur- philoſophiſchen Literatur ſpricht ſich die Unfähigkeit aus, Experi- mente einfach mit geſundem Menſchenverſtand zu beurtheilen; überall wird in den Erfolg der Verſuche Etwas hineingedichtet, was nicht in der entfernteſten Beziehung zu den Bedingungen und Ergebniſſen derſelben ſteht. Ganz anders verhielt es ſich dagegen mit den von Bern- So regten ſich noch bis tief in die dreißiger Jahre hinein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0472" n="460"/><fw place="top" type="header">Geſchichte der Sexualtheorie.</fw><lb/> (Flora 1822 <hi rendition="#aq">p.</hi> 49) und C. L. Treviranus, der 1822 eine um-<lb/> faſſende Widerlegung Henſchel's: „die Lehre von dem Geſchlecht<lb/> der Pflanzen in Bezug auf die neueſten Angriffe erwogen“<lb/> herausgab. Dagegen fanden ſich einzelne Nachzügler jener krank-<lb/> haften philoſophiſchen Richtung auch ſpäter noch; ſo z. B. J. B.<lb/> Wilbrand, Profeſſor in Gießen, welcher noch 1830 (Flora <hi rendition="#aq">p.</hi> 585)<lb/> in ſehr ſubtiler Unterſcheidung annahm, daß bei den Pflanzen<lb/> zwar etwas der thieriſchen Sexualität „Analoges“, aber keines-<lb/> wegs wirkliche Sexualität ſtattfinde. In dieſer ganzen natur-<lb/> philoſophiſchen Literatur ſpricht ſich die Unfähigkeit aus, Experi-<lb/> mente einfach mit geſundem Menſchenverſtand zu beurtheilen;<lb/> überall wird in den Erfolg der Verſuche Etwas hineingedichtet,<lb/> was nicht in der entfernteſten Beziehung zu den Bedingungen<lb/> und Ergebniſſen derſelben ſteht.</p><lb/> <p>Ganz anders verhielt es ſich dagegen mit den von Bern-<lb/> hardi 1811, von <hi rendition="#g">Girou</hi> 1828-30, und von Ramiſch 1837<lb/> ausgeſprochenen Zweifeln. Sie machten Verſuche und beurtheilten<lb/> ſie im Sinne naturwiſſenſchaftlicher Forſchung; nur waren ſie<lb/> weder mit den nöthigen Kenntniſſen eingeleitet, noch mit aus-<lb/> reichenden Vorſichtsmaßregeln durchgeführt; auch fehlte es dieſen<lb/> Männern an genügender Literaturkenntniß. Schon im vorigen<lb/> Jahrhundert, ja ſelbſt ſchon von Camerarius und Ray war<lb/> auf das gelegentliche Vorkommen männlicher Blüthen an weib-<lb/> lichen Pflanzen von Spinat, Hanf, Mercurialis hingewieſen<lb/> worden und doch experimentirten die Genannten gerade wieder<lb/> mit dieſen, ohne das etwaige Auftreten männlicher Blüthen an<lb/> den weiblichen Verſuchspflanzen oder andere Beſtäubungsgelegen-<lb/> heiten ſorgfältig genug auszuſchließen.</p><lb/> <p>So regten ſich noch bis tief in die dreißiger Jahre hinein<lb/> Zweifel an der Sexualität der Pflanzen überhaupt oder doch<lb/> an ihrer allgemeinen Giltigkeit bei den Phanerogamen; denn<lb/> von den Kryptogamen war zunächſt keine Rede, ſie galten trotz<lb/> mancher werthvollen Wahrnehmungen früherer Zeit für ge-<lb/> ſchlechtslos. Uebrigens wurde von der großen Mehrzahl der<lb/> Botaniker an der ſexuellen Bedeutung der Blüthenorgane nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [460/0472]
Geſchichte der Sexualtheorie.
(Flora 1822 p. 49) und C. L. Treviranus, der 1822 eine um-
faſſende Widerlegung Henſchel's: „die Lehre von dem Geſchlecht
der Pflanzen in Bezug auf die neueſten Angriffe erwogen“
herausgab. Dagegen fanden ſich einzelne Nachzügler jener krank-
haften philoſophiſchen Richtung auch ſpäter noch; ſo z. B. J. B.
Wilbrand, Profeſſor in Gießen, welcher noch 1830 (Flora p. 585)
in ſehr ſubtiler Unterſcheidung annahm, daß bei den Pflanzen
zwar etwas der thieriſchen Sexualität „Analoges“, aber keines-
wegs wirkliche Sexualität ſtattfinde. In dieſer ganzen natur-
philoſophiſchen Literatur ſpricht ſich die Unfähigkeit aus, Experi-
mente einfach mit geſundem Menſchenverſtand zu beurtheilen;
überall wird in den Erfolg der Verſuche Etwas hineingedichtet,
was nicht in der entfernteſten Beziehung zu den Bedingungen
und Ergebniſſen derſelben ſteht.
Ganz anders verhielt es ſich dagegen mit den von Bern-
hardi 1811, von Girou 1828-30, und von Ramiſch 1837
ausgeſprochenen Zweifeln. Sie machten Verſuche und beurtheilten
ſie im Sinne naturwiſſenſchaftlicher Forſchung; nur waren ſie
weder mit den nöthigen Kenntniſſen eingeleitet, noch mit aus-
reichenden Vorſichtsmaßregeln durchgeführt; auch fehlte es dieſen
Männern an genügender Literaturkenntniß. Schon im vorigen
Jahrhundert, ja ſelbſt ſchon von Camerarius und Ray war
auf das gelegentliche Vorkommen männlicher Blüthen an weib-
lichen Pflanzen von Spinat, Hanf, Mercurialis hingewieſen
worden und doch experimentirten die Genannten gerade wieder
mit dieſen, ohne das etwaige Auftreten männlicher Blüthen an
den weiblichen Verſuchspflanzen oder andere Beſtäubungsgelegen-
heiten ſorgfältig genug auszuſchließen.
So regten ſich noch bis tief in die dreißiger Jahre hinein
Zweifel an der Sexualität der Pflanzen überhaupt oder doch
an ihrer allgemeinen Giltigkeit bei den Phanerogamen; denn
von den Kryptogamen war zunächſt keine Rede, ſie galten trotz
mancher werthvollen Wahrnehmungen früherer Zeit für ge-
ſchlechtslos. Uebrigens wurde von der großen Mehrzahl der
Botaniker an der ſexuellen Bedeutung der Blüthenorgane nicht
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