Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Neue Gegner der Sexualtheorie etc. etc.
Theile zugleich vorhanden sind, womit denn natürlich auch die
befruchtende Wirkung des Pollens wegfällt; dem entsprechend führt
er die die Samenbildung hervorrufende Einwirkung einer männ-
lichen Pflanze auf eine benachbarte weibliche nicht etwa auf die
Bestäubung durch jene zurück, sondern die "Nähe" selbst ist es,
welche befruchtend wirkt. Das sind jedoch nur unbedeutende
Proben seiner Logik.

Noch viel schlimmer aber sieht es in den Schriften seines
Schülers Henschel 1), zumal in dessen umfangreichem Buch, "von
der Sexualität der Pflanzen" 1820 aus. Er glaubte die natur-
philosophischen Lehren durch zahllose Versuche beweisen zu müssen;
die Art und Weise jedoch, wie diese letzteren ausgedacht, einge-
leitet und beschrieben sind, läßt Alles weit hinter sich, was an
Geschmacklosigkeit und Urtheilsunfähigkeit jemals geleistet worden
ist. Es bedarf nicht einmal der Zweifel, welche Einem gelegent-
lich betreffs der Genauigkeit seiner Berichte aufsteigen und der
dießbezüglichen Bemerkungen bei Treviranus und Gärtner, um
uns die Bestrebungen dieses Mannes zu verleiden.

Es wäre überflüssig auf den Inhalt dieses Buchs einzu-
gehen, welches mehr ein pathologisches als historisches Interesse dar-
bietet; in welchem Grade aber bis in die zwanziger Jahre hinein
auch bei Besseren die Fähigkeit, in solchen Dingen zu urtheilen,
durch den Einfluß der Naturphilosophie verdorben war, wie
selbst namhafte Forscher es der Mühe werth fanden, die Producte
Schelver's und Henschel's mit einem gewissen Respect zu behan-
deln, davon giebt unter Anderem eine Briefsammlung, welche
Nees von Esenbeck als zweite Beilage, zur Regensberger "Flora"
1821 publicirte, Auskunft; nicht minder aber auch die späteren
Bemerkungen Goethe's zur Metamorphose der Pflanzen, die man
namentlich unter dem Titel "Verstäubung, Verdunstung, Ver-
tropfung" in der Cotta'schen Ausgabe in vierzig Bänden Bd. 36
p. 134 findet. Indessen fanden sich doch Einzelne, welche dem
Unwesen scharf entgegentraten; so namentlich Paula Schrank

1) August Henschel war praktischer Arzt und Privatdocent in Breslau.

Neue Gegner der Sexualtheorie etc. etc.
Theile zugleich vorhanden ſind, womit denn natürlich auch die
befruchtende Wirkung des Pollens wegfällt; dem entſprechend führt
er die die Samenbildung hervorrufende Einwirkung einer männ-
lichen Pflanze auf eine benachbarte weibliche nicht etwa auf die
Beſtäubung durch jene zurück, ſondern die „Nähe“ ſelbſt iſt es,
welche befruchtend wirkt. Das ſind jedoch nur unbedeutende
Proben ſeiner Logik.

Noch viel ſchlimmer aber ſieht es in den Schriften ſeines
Schülers Henſchel 1), zumal in deſſen umfangreichem Buch, „von
der Sexualität der Pflanzen“ 1820 aus. Er glaubte die natur-
philoſophiſchen Lehren durch zahlloſe Verſuche beweiſen zu müſſen;
die Art und Weiſe jedoch, wie dieſe letzteren ausgedacht, einge-
leitet und beſchrieben ſind, läßt Alles weit hinter ſich, was an
Geſchmackloſigkeit und Urtheilsunfähigkeit jemals geleiſtet worden
iſt. Es bedarf nicht einmal der Zweifel, welche Einem gelegent-
lich betreffs der Genauigkeit ſeiner Berichte aufſteigen und der
dießbezüglichen Bemerkungen bei Treviranus und Gärtner, um
uns die Beſtrebungen dieſes Mannes zu verleiden.

Es wäre überflüſſig auf den Inhalt dieſes Buchs einzu-
gehen, welches mehr ein pathologiſches als hiſtoriſches Intereſſe dar-
bietet; in welchem Grade aber bis in die zwanziger Jahre hinein
auch bei Beſſeren die Fähigkeit, in ſolchen Dingen zu urtheilen,
durch den Einfluß der Naturphiloſophie verdorben war, wie
ſelbſt namhafte Forſcher es der Mühe werth fanden, die Producte
Schelver's und Henſchel's mit einem gewiſſen Reſpect zu behan-
deln, davon giebt unter Anderem eine Briefſammlung, welche
Nees von Eſenbeck als zweite Beilage, zur Regensberger „Flora“
1821 publicirte, Auskunft; nicht minder aber auch die ſpäteren
Bemerkungen Goethe's zur Metamorphoſe der Pflanzen, die man
namentlich unter dem Titel „Verſtäubung, Verdunſtung, Ver-
tropfung“ in der Cotta'ſchen Ausgabe in vierzig Bänden Bd. 36
p. 134 findet. Indeſſen fanden ſich doch Einzelne, welche dem
Unweſen ſcharf entgegentraten; ſo namentlich Paula Schrank

1) Auguſt Henſchel war praktiſcher Arzt und Privatdocent in Breslau.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0471" n="459"/><fw place="top" type="header">Neue Gegner der Sexualtheorie etc. etc.</fw><lb/>
Theile zugleich vorhanden &#x017F;ind, womit denn natürlich auch die<lb/>
befruchtende Wirkung des Pollens wegfällt; dem ent&#x017F;prechend führt<lb/>
er die die Samenbildung hervorrufende Einwirkung einer männ-<lb/>
lichen Pflanze auf eine benachbarte weibliche nicht etwa auf die<lb/>
Be&#x017F;täubung durch jene zurück, &#x017F;ondern die &#x201E;Nähe&#x201C; &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t es,<lb/>
welche befruchtend wirkt. Das &#x017F;ind jedoch nur unbedeutende<lb/>
Proben &#x017F;einer Logik.</p><lb/>
            <p>Noch viel &#x017F;chlimmer aber &#x017F;ieht es in den Schriften &#x017F;eines<lb/>
Schülers Hen&#x017F;chel <note place="foot" n="1)">Augu&#x017F;t Hen&#x017F;chel war prakti&#x017F;cher Arzt und Privatdocent in Breslau.</note>, zumal in de&#x017F;&#x017F;en umfangreichem Buch, &#x201E;von<lb/>
der Sexualität der Pflanzen&#x201C; 1820 aus. Er glaubte die natur-<lb/>
philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Lehren durch zahllo&#x017F;e Ver&#x017F;uche bewei&#x017F;en zu mü&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
die Art und Wei&#x017F;e jedoch, wie die&#x017F;e letzteren ausgedacht, einge-<lb/>
leitet und be&#x017F;chrieben &#x017F;ind, läßt Alles weit hinter &#x017F;ich, was an<lb/>
Ge&#x017F;chmacklo&#x017F;igkeit und Urtheilsunfähigkeit jemals gelei&#x017F;tet worden<lb/>
i&#x017F;t. Es bedarf nicht einmal der Zweifel, welche Einem gelegent-<lb/>
lich betreffs der Genauigkeit &#x017F;einer Berichte auf&#x017F;teigen und der<lb/>
dießbezüglichen Bemerkungen bei Treviranus und Gärtner, um<lb/>
uns die Be&#x017F;trebungen die&#x017F;es Mannes zu verleiden.</p><lb/>
            <p>Es wäre überflü&#x017F;&#x017F;ig auf den Inhalt die&#x017F;es Buchs einzu-<lb/>
gehen, welches mehr ein pathologi&#x017F;ches als hi&#x017F;tori&#x017F;ches Intere&#x017F;&#x017F;e dar-<lb/>
bietet; in welchem Grade aber bis in die zwanziger Jahre hinein<lb/>
auch bei Be&#x017F;&#x017F;eren die Fähigkeit, in &#x017F;olchen Dingen zu urtheilen,<lb/>
durch den Einfluß der Naturphilo&#x017F;ophie verdorben war, wie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t namhafte For&#x017F;cher es der Mühe werth fanden, die Producte<lb/>
Schelver's und Hen&#x017F;chel's mit einem gewi&#x017F;&#x017F;en Re&#x017F;pect zu behan-<lb/>
deln, davon giebt unter Anderem eine Brief&#x017F;ammlung, welche<lb/>
Nees von E&#x017F;enbeck als zweite Beilage, zur Regensberger &#x201E;Flora&#x201C;<lb/>
1821 publicirte, Auskunft; nicht minder aber auch die &#x017F;päteren<lb/>
Bemerkungen Goethe's zur Metamorpho&#x017F;e der Pflanzen, die man<lb/>
namentlich unter dem Titel &#x201E;Ver&#x017F;täubung, Verdun&#x017F;tung, Ver-<lb/>
tropfung&#x201C; in der Cotta'&#x017F;chen Ausgabe in vierzig Bänden Bd. 36<lb/><hi rendition="#aq">p.</hi> 134 findet. Inde&#x017F;&#x017F;en fanden &#x017F;ich doch Einzelne, welche dem<lb/>
Unwe&#x017F;en &#x017F;charf entgegentraten; &#x017F;o namentlich Paula Schrank<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0471] Neue Gegner der Sexualtheorie etc. etc. Theile zugleich vorhanden ſind, womit denn natürlich auch die befruchtende Wirkung des Pollens wegfällt; dem entſprechend führt er die die Samenbildung hervorrufende Einwirkung einer männ- lichen Pflanze auf eine benachbarte weibliche nicht etwa auf die Beſtäubung durch jene zurück, ſondern die „Nähe“ ſelbſt iſt es, welche befruchtend wirkt. Das ſind jedoch nur unbedeutende Proben ſeiner Logik. Noch viel ſchlimmer aber ſieht es in den Schriften ſeines Schülers Henſchel 1), zumal in deſſen umfangreichem Buch, „von der Sexualität der Pflanzen“ 1820 aus. Er glaubte die natur- philoſophiſchen Lehren durch zahlloſe Verſuche beweiſen zu müſſen; die Art und Weiſe jedoch, wie dieſe letzteren ausgedacht, einge- leitet und beſchrieben ſind, läßt Alles weit hinter ſich, was an Geſchmackloſigkeit und Urtheilsunfähigkeit jemals geleiſtet worden iſt. Es bedarf nicht einmal der Zweifel, welche Einem gelegent- lich betreffs der Genauigkeit ſeiner Berichte aufſteigen und der dießbezüglichen Bemerkungen bei Treviranus und Gärtner, um uns die Beſtrebungen dieſes Mannes zu verleiden. Es wäre überflüſſig auf den Inhalt dieſes Buchs einzu- gehen, welches mehr ein pathologiſches als hiſtoriſches Intereſſe dar- bietet; in welchem Grade aber bis in die zwanziger Jahre hinein auch bei Beſſeren die Fähigkeit, in ſolchen Dingen zu urtheilen, durch den Einfluß der Naturphiloſophie verdorben war, wie ſelbſt namhafte Forſcher es der Mühe werth fanden, die Producte Schelver's und Henſchel's mit einem gewiſſen Reſpect zu behan- deln, davon giebt unter Anderem eine Briefſammlung, welche Nees von Eſenbeck als zweite Beilage, zur Regensberger „Flora“ 1821 publicirte, Auskunft; nicht minder aber auch die ſpäteren Bemerkungen Goethe's zur Metamorphoſe der Pflanzen, die man namentlich unter dem Titel „Verſtäubung, Verdunſtung, Ver- tropfung“ in der Cotta'ſchen Ausgabe in vierzig Bänden Bd. 36 p. 134 findet. Indeſſen fanden ſich doch Einzelne, welche dem Unweſen ſcharf entgegentraten; ſo namentlich Paula Schrank 1) Auguſt Henſchel war praktiſcher Arzt und Privatdocent in Breslau.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/471
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/471>, abgerufen am 12.05.2024.