die man aber künstlich erzeugen kann, begründet sei. Auf eine ausführlichere Darstellung seiner berühmten Bastarde dritten, vierten und fünften Grades, die Rückführung der Bastarde in die väterliche Urform durch wiederholte Bestäubung mit der letzteren u. s. w., deren Resultate Nägeli später ausführlich theore- tisch bearbeitet hat, kann ich hier nicht eingehen.
Der allgemein theoretische Werth von Koelreuter's künstlichen Pflanzenbastarden ist gar nicht hoch genug anzuschlagen; die Vermischung der Eigenschaften der väterlichen und mütterlichen Form war der stärkste Beweis gegen die Evolutionstheorie und ließ gleichzeitig einen tiefen Blick in das wahre Wesen der sexu- ellen Vereinigung thun. Auch ging aus Koelreuter's zahlreichen Untersuchungen sofort hervor, daß nur ganz nahe verwandte Pflanzen und auch diese nicht immer einer geschlechtlichen Ver- einigung fähig sind, wodurch die vagen Vorstellungen Linne's für jeden Urtheilsfähigen sofort beseitigt wurden, wenn es auch immerhin noch lange dauerte, bis die Wissenschaft alle Vortheile aus Koelreuter's Untersuchungen zog. Die Pflanzensammler aus der Linne'schen Schule ebenso, wie die eigentlichen Systematiker am Ende des vorigen Jahrhunderts, hatten kein Verständniß für derartige Leistungen, ja Koelreuter's Ergebnissen zum Trotz, ver- breiteten sich in der botanischen Literatur später unrichtige Vor- stellungen über Bastarde und ihre Fähigkeit sich fortzupflanzen; den Gläubigen der Constanzlehre konnten die Bastarde ohnehin nur unbequem sein, sie störten ihnen die Reinlichkeit des Sy- stems und paßten zudem nicht recht zu der Annahme, daß jede Species eine "Idee" repräsentire.
Indeß fielen Koelreuter's Lehren doch nicht ganz auf un- fruchtbaren Boden; wenigstens in Deutschland fanden sich zwei Botaniker, welche an ihn anknüpften: Joseph Gärtner, der Verfasser der berühmten Carpologie und Vater von Carl Fried- rich Gärtner, der später 25 Jahre lang Befruchtungsversuche und Bastardirungen machte und Konrad Sprengel, der mit Anknüpfung an Koelreuter's Entdeckung der Insectenhülfe zu ganz neuen, äußerst merkwürdigen Resultaten gelangte.
Geſchichte der Sexualtheorie.
die man aber künſtlich erzeugen kann, begründet ſei. Auf eine ausführlichere Darſtellung ſeiner berühmten Baſtarde dritten, vierten und fünften Grades, die Rückführung der Baſtarde in die väterliche Urform durch wiederholte Beſtäubung mit der letzteren u. ſ. w., deren Reſultate Nägeli ſpäter ausführlich theore- tiſch bearbeitet hat, kann ich hier nicht eingehen.
Der allgemein theoretiſche Werth von Koelreuter's künſtlichen Pflanzenbaſtarden iſt gar nicht hoch genug anzuſchlagen; die Vermiſchung der Eigenſchaften der väterlichen und mütterlichen Form war der ſtärkſte Beweis gegen die Evolutionstheorie und ließ gleichzeitig einen tiefen Blick in das wahre Weſen der ſexu- ellen Vereinigung thun. Auch ging aus Koelreuter's zahlreichen Unterſuchungen ſofort hervor, daß nur ganz nahe verwandte Pflanzen und auch dieſe nicht immer einer geſchlechtlichen Ver- einigung fähig ſind, wodurch die vagen Vorſtellungen Linné's für jeden Urtheilsfähigen ſofort beſeitigt wurden, wenn es auch immerhin noch lange dauerte, bis die Wiſſenſchaft alle Vortheile aus Koelreuter's Unterſuchungen zog. Die Pflanzenſammler aus der Linné'ſchen Schule ebenſo, wie die eigentlichen Syſtematiker am Ende des vorigen Jahrhunderts, hatten kein Verſtändniß für derartige Leiſtungen, ja Koelreuter's Ergebniſſen zum Trotz, ver- breiteten ſich in der botaniſchen Literatur ſpäter unrichtige Vor- ſtellungen über Baſtarde und ihre Fähigkeit ſich fortzupflanzen; den Gläubigen der Conſtanzlehre konnten die Baſtarde ohnehin nur unbequem ſein, ſie ſtörten ihnen die Reinlichkeit des Sy- ſtems und paßten zudem nicht recht zu der Annahme, daß jede Species eine „Idee“ repräſentire.
Indeß fielen Koelreuter's Lehren doch nicht ganz auf un- fruchtbaren Boden; wenigſtens in Deutſchland fanden ſich zwei Botaniker, welche an ihn anknüpften: Joſeph Gärtner, der Verfaſſer der berühmten Carpologie und Vater von Carl Fried- rich Gärtner, der ſpäter 25 Jahre lang Befruchtungsverſuche und Baſtardirungen machte und Konrad Sprengel, der mit Anknüpfung an Koelreuter's Entdeckung der Inſectenhülfe zu ganz neuen, äußerſt merkwürdigen Reſultaten gelangte.
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[446/0458]
Geſchichte der Sexualtheorie.
die man aber künſtlich erzeugen kann, begründet ſei. Auf eine
ausführlichere Darſtellung ſeiner berühmten Baſtarde dritten,
vierten und fünften Grades, die Rückführung der Baſtarde in
die väterliche Urform durch wiederholte Beſtäubung mit der letzteren
u. ſ. w., deren Reſultate Nägeli ſpäter ausführlich theore-
tiſch bearbeitet hat, kann ich hier nicht eingehen.
Der allgemein theoretiſche Werth von Koelreuter's künſtlichen
Pflanzenbaſtarden iſt gar nicht hoch genug anzuſchlagen; die
Vermiſchung der Eigenſchaften der väterlichen und mütterlichen
Form war der ſtärkſte Beweis gegen die Evolutionstheorie und
ließ gleichzeitig einen tiefen Blick in das wahre Weſen der ſexu-
ellen Vereinigung thun. Auch ging aus Koelreuter's zahlreichen
Unterſuchungen ſofort hervor, daß nur ganz nahe verwandte
Pflanzen und auch dieſe nicht immer einer geſchlechtlichen Ver-
einigung fähig ſind, wodurch die vagen Vorſtellungen Linné's
für jeden Urtheilsfähigen ſofort beſeitigt wurden, wenn es auch
immerhin noch lange dauerte, bis die Wiſſenſchaft alle Vortheile
aus Koelreuter's Unterſuchungen zog. Die Pflanzenſammler aus
der Linné'ſchen Schule ebenſo, wie die eigentlichen Syſtematiker am
Ende des vorigen Jahrhunderts, hatten kein Verſtändniß für
derartige Leiſtungen, ja Koelreuter's Ergebniſſen zum Trotz, ver-
breiteten ſich in der botaniſchen Literatur ſpäter unrichtige Vor-
ſtellungen über Baſtarde und ihre Fähigkeit ſich fortzupflanzen;
den Gläubigen der Conſtanzlehre konnten die Baſtarde ohnehin
nur unbequem ſein, ſie ſtörten ihnen die Reinlichkeit des Sy-
ſtems und paßten zudem nicht recht zu der Annahme, daß jede
Species eine „Idee“ repräſentire.
Indeß fielen Koelreuter's Lehren doch nicht ganz auf un-
fruchtbaren Boden; wenigſtens in Deutſchland fanden ſich zwei
Botaniker, welche an ihn anknüpften: Joſeph Gärtner, der
Verfaſſer der berühmten Carpologie und Vater von Carl Fried-
rich Gärtner, der ſpäter 25 Jahre lang Befruchtungsverſuche
und Baſtardirungen machte und Konrad Sprengel, der mit
Anknüpfung an Koelreuter's Entdeckung der Inſectenhülfe zu ganz
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/458>, abgerufen am 22.11.2024.
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