und befestigte den schon verschimmelten männlichen Blüthenstand an einen nachträglich blühenden weiblichen Sproß. Das Resultat war, daß im folgenden Winter Früchte reiften, welche im Früh- jahr 1750 keimten. Ein zweiter Versuch in ähnlicher Weise ausgeführt, ergab ein gleich günstiges Resultat. 1)
Koelreuter, der in seiner "Historie der Versuche, welche vom Jahr 1691 bis auf 1752 über das Geschlecht der Pflanzen an gestellt worden sind", das hier Vorgeführte ebenfalls mittheilt, beendigt seinen Bericht darüber mit den Worten: "Dies sind, soviel mir bekannt ist, alle Versuche, die von 1691 bis auf das Jahr 1752 in der Absicht, das Geschlecht der Pflanzen zu be- weisen und zu bestätigen gemacht und beschrieben worden sind"; Koelreuter's Schrift war eben dem Nachweis gewidmet, daß wo es sich um die Constatirung der Sexualität im Pflanzenreich handelt, ausschließlich Experimente entscheiden können und daß eben außer Camerarius, Bradley, Logan, Müller, Gleditsch bis 1752 Niemand solche gemacht habe.
Während es sich bei den oben Genannten um die Frage handelte, ob überhaupt Sexualität im Pflanzenreich besteht, be gegnen wir schon im Anfang des 18. Jahrhundert zweien Schrift- stellern, welche die Sexualität als vorhanden betrachten, sich aber die Frage vorlegen, in welcher Weise der Pollen die Bildung des Embryos bewirke. Beide waren Anhänger der Evolutions- theorie, schlechte Beobachter und mit der Literatur nicht vertraut. Der Erste derselben ist Samuel Morland. In den philoso- phical transactions 1704 (für das Jahr 1702 und 1703 p. 1474) nennt derselbe Grew denjenigen, der bemerkt habe (observed), daß der Pollen dem männlichen Samen entspreche; auf Camerarius' Experimente, damals noch die einzigen,
1)Koelreuter, der ebenfalls über diese Versuche berichtet, sagt dabei er habe 1766 Pollen von Chamerops nach Petersburg und Berlin ge- schickt, wo er von Eckleben und Gleditsch mit Erfolg zur Bestäubung be- nutzt wurde. Koelreuter wollte auf diese Art prüfen, wie lange der Pollen seine Wirksamkeit behält.
Geſchichte der Sexualtheorie.
und befeſtigte den ſchon verſchimmelten männlichen Blüthenſtand an einen nachträglich blühenden weiblichen Sproß. Das Reſultat war, daß im folgenden Winter Früchte reiften, welche im Früh- jahr 1750 keimten. Ein zweiter Verſuch in ähnlicher Weiſe ausgeführt, ergab ein gleich günſtiges Reſultat. 1)
Koelreuter, der in ſeiner „Hiſtorie der Verſuche, welche vom Jahr 1691 bis auf 1752 über das Geſchlecht der Pflanzen an geſtellt worden ſind“, das hier Vorgeführte ebenfalls mittheilt, beendigt ſeinen Bericht darüber mit den Worten: „Dies ſind, ſoviel mir bekannt iſt, alle Verſuche, die von 1691 bis auf das Jahr 1752 in der Abſicht, das Geſchlecht der Pflanzen zu be- weiſen und zu beſtätigen gemacht und beſchrieben worden ſind“; Koelreuter's Schrift war eben dem Nachweis gewidmet, daß wo es ſich um die Conſtatirung der Sexualität im Pflanzenreich handelt, ausſchließlich Experimente entſcheiden können und daß eben außer Camerarius, Bradley, Logan, Müller, Gleditſch bis 1752 Niemand ſolche gemacht habe.
Während es ſich bei den oben Genannten um die Frage handelte, ob überhaupt Sexualität im Pflanzenreich beſteht, be gegnen wir ſchon im Anfang des 18. Jahrhundert zweien Schrift- ſtellern, welche die Sexualität als vorhanden betrachten, ſich aber die Frage vorlegen, in welcher Weiſe der Pollen die Bildung des Embryos bewirke. Beide waren Anhänger der Evolutions- theorie, ſchlechte Beobachter und mit der Literatur nicht vertraut. Der Erſte derſelben iſt Samuel Morland. In den philoso- phical transactions 1704 (für das Jahr 1702 und 1703 p. 1474) nennt derſelbe Grew denjenigen, der bemerkt habe (observed), daß der Pollen dem männlichen Samen entſpreche; auf Camerarius' Experimente, damals noch die einzigen,
1)Koelreuter, der ebenfalls über dieſe Verſuche berichtet, ſagt dabei er habe 1766 Pollen von Chamerops nach Petersburg und Berlin ge- ſchickt, wo er von Eckleben und Gleditſch mit Erfolg zur Beſtäubung be- nutzt wurde. Koelreuter wollte auf dieſe Art prüfen, wie lange der Pollen ſeine Wirkſamkeit behält.
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Geſchichte der Sexualtheorie.
und befeſtigte den ſchon verſchimmelten männlichen Blüthenſtand
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war, daß im folgenden Winter Früchte reiften, welche im Früh-
jahr 1750 keimten. Ein zweiter Verſuch in ähnlicher Weiſe
ausgeführt, ergab ein gleich günſtiges Reſultat. 1)
Koelreuter, der in ſeiner „Hiſtorie der Verſuche, welche vom
Jahr 1691 bis auf 1752 über das Geſchlecht der Pflanzen an
geſtellt worden ſind“, das hier Vorgeführte ebenfalls mittheilt,
beendigt ſeinen Bericht darüber mit den Worten: „Dies ſind,
ſoviel mir bekannt iſt, alle Verſuche, die von 1691 bis auf das
Jahr 1752 in der Abſicht, das Geſchlecht der Pflanzen zu be-
weiſen und zu beſtätigen gemacht und beſchrieben worden ſind“;
Koelreuter's Schrift war eben dem Nachweis gewidmet, daß wo
es ſich um die Conſtatirung der Sexualität im Pflanzenreich
handelt, ausſchließlich Experimente entſcheiden können und daß
eben außer Camerarius, Bradley, Logan, Müller,
Gleditſch bis 1752 Niemand ſolche gemacht habe.
Während es ſich bei den oben Genannten um die Frage
handelte, ob überhaupt Sexualität im Pflanzenreich beſteht, be
gegnen wir ſchon im Anfang des 18. Jahrhundert zweien Schrift-
ſtellern, welche die Sexualität als vorhanden betrachten, ſich aber
die Frage vorlegen, in welcher Weiſe der Pollen die Bildung
des Embryos bewirke. Beide waren Anhänger der Evolutions-
theorie, ſchlechte Beobachter und mit der Literatur nicht vertraut.
Der Erſte derſelben iſt Samuel Morland. In den philoso-
phical transactions 1704 (für das Jahr 1702 und 1703
p. 1474) nennt derſelbe Grew denjenigen, der bemerkt habe
(observed), daß der Pollen dem männlichen Samen entſpreche;
auf Camerarius' Experimente, damals noch die einzigen,
1) Koelreuter, der ebenfalls über dieſe Verſuche berichtet, ſagt dabei
er habe 1766 Pollen von Chamerops nach Petersburg und Berlin ge-
ſchickt, wo er von Eckleben und Gleditſch mit Erfolg zur Beſtäubung be-
nutzt wurde. Koelreuter wollte auf dieſe Art prüfen, wie lange der
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/438>, abgerufen am 12.05.2024.
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