citirt ausführlich die darauf bezüglichen Verse des Ovid, des Claudian und mit selbstverständlicher Uebergehung des gesammten Mittelalters die lebhafte poetische Schilderung des Jovianus Pontanus vom Jahr 1505, welche sich auf zwei Dattelpalmen verschiedenen Geschlechts in Brindisi und Otranto bezieht. Für die Naturwissenschaft war damit freilich Nichts gewonnen.
Wie es um die Kenntniß der Sexualität bei den deutschen und niederländischen Botanikern des 16. Jahrhunderts stand, hat bereits Treviranus (Phys. d. Gew. 1838 II p. 371) treffend ausgesprochen: "Was man als männliches Geschlecht bei den Pflanzen bezeichnete, z. B. Abrotanum, Asphodelus, Filix, Polygonum Mas et Femina, gründete sich nur auf eine Verschiedenheit des Habitus, ohne daß man die wesentlich dazu erforderlichen Theile berücksichtigte. Es ist jedoch zu be- merken, daß die minder gelehrteren unter den älteren Botanikern z. B. Fuchs, Mattioli, Tabernaemontan sich dieser Bezeichnungsart der Pflanzen häufiger bedienen; die gelehrten aber z. B. Konrad Gesner, Clusius, J. Bauhin seltener und nur, um eine bereits bekannte Pflanze anzudeuten. Clusius merkt zwar in der Beschreibung von ihm aufgefundener Gewächse häufig die Form und Farbe, auch wohl die Zahl der Staub- fäden an -- -- -- auch nennt er von Carica Papaya das In- dividuum mit Staubfadenblüthen das männliche, das mit Frucht- blüthen das weibliche, indem er sie, obwohl der nämlichen Gat- tung, doch einem verschiedenen Geschlechte angehörend hält. Allein er begnügt sich zu sagen: Man behaupte, sie seien einander so befreundet, daß der weibliche Baum keine Frucht bringe, wenn der männliche nicht in seiner Nähe, sondern durch einen weiten Raum von ihm getrennt sei (Cur. poster. 42)."
Bei den hier genannten Botanikern haben wir es mit ein- facher Unkenntniß der Sache zu thun; bei dem botanischen Phi- losophen Caesalpin dagegen ist es die Consequenz des aristo- telischen Systems, welche ihn veranlaßt, die Annahme getrennter Geschlechtsorgane bei den Pflanzen als ihrer Natur widersprechend ausdrücklich zurückzuweisen. Es ist schwer begreiflich, wie De
Von Ariſtoteles bis auf A. J. Camerarius.
citirt ausführlich die darauf bezüglichen Verſe des Ovid, des Claudian und mit ſelbſtverſtändlicher Uebergehung des geſammten Mittelalters die lebhafte poetiſche Schilderung des Jovianus Pontanus vom Jahr 1505, welche ſich auf zwei Dattelpalmen verſchiedenen Geſchlechts in Brindiſi und Otranto bezieht. Für die Naturwiſſenſchaft war damit freilich Nichts gewonnen.
Wie es um die Kenntniß der Sexualität bei den deutſchen und niederländiſchen Botanikern des 16. Jahrhunderts ſtand, hat bereits Treviranus (Phyſ. d. Gew. 1838 II p. 371) treffend ausgeſprochen: „Was man als männliches Geſchlecht bei den Pflanzen bezeichnete, z. B. Abrotanum, Asphodelus, Filix, Polygonum Mas et Femina, gründete ſich nur auf eine Verſchiedenheit des Habitus, ohne daß man die weſentlich dazu erforderlichen Theile berückſichtigte. Es iſt jedoch zu be- merken, daß die minder gelehrteren unter den älteren Botanikern z. B. Fuchs, Mattioli, Tabernaemontan ſich dieſer Bezeichnungsart der Pflanzen häufiger bedienen; die gelehrten aber z. B. Konrad Geſner, Cluſius, J. Bauhin ſeltener und nur, um eine bereits bekannte Pflanze anzudeuten. Cluſius merkt zwar in der Beſchreibung von ihm aufgefundener Gewächſe häufig die Form und Farbe, auch wohl die Zahl der Staub- fäden an — — — auch nennt er von Carica Papaya das In- dividuum mit Staubfadenblüthen das männliche, das mit Frucht- blüthen das weibliche, indem er ſie, obwohl der nämlichen Gat- tung, doch einem verſchiedenen Geſchlechte angehörend hält. Allein er begnügt ſich zu ſagen: Man behaupte, ſie ſeien einander ſo befreundet, daß der weibliche Baum keine Frucht bringe, wenn der männliche nicht in ſeiner Nähe, ſondern durch einen weiten Raum von ihm getrennt ſei (Cur. poster. 42).“
Bei den hier genannten Botanikern haben wir es mit ein- facher Unkenntniß der Sache zu thun; bei dem botaniſchen Phi- loſophen Caeſalpin dagegen iſt es die Conſequenz des ariſto- teliſchen Syſtems, welche ihn veranlaßt, die Annahme getrennter Geſchlechtsorgane bei den Pflanzen als ihrer Natur widerſprechend ausdrücklich zurückzuweiſen. Es iſt ſchwer begreiflich, wie De
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Von Ariſtoteles bis auf A. J. Camerarius.
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Mittelalters die lebhafte poetiſche Schilderung des Jovianus
Pontanus vom Jahr 1505, welche ſich auf zwei Dattelpalmen
verſchiedenen Geſchlechts in Brindiſi und Otranto bezieht. Für
die Naturwiſſenſchaft war damit freilich Nichts gewonnen.
Wie es um die Kenntniß der Sexualität bei den deutſchen
und niederländiſchen Botanikern des 16. Jahrhunderts ſtand,
hat bereits Treviranus (Phyſ. d. Gew. 1838 II p. 371)
treffend ausgeſprochen: „Was man als männliches Geſchlecht
bei den Pflanzen bezeichnete, z. B. Abrotanum, Asphodelus,
Filix, Polygonum Mas et Femina, gründete ſich nur auf
eine Verſchiedenheit des Habitus, ohne daß man die weſentlich
dazu erforderlichen Theile berückſichtigte. Es iſt jedoch zu be-
merken, daß die minder gelehrteren unter den älteren Botanikern
z. B. Fuchs, Mattioli, Tabernaemontan ſich dieſer
Bezeichnungsart der Pflanzen häufiger bedienen; die gelehrten
aber z. B. Konrad Geſner, Cluſius, J. Bauhin ſeltener
und nur, um eine bereits bekannte Pflanze anzudeuten. Cluſius
merkt zwar in der Beſchreibung von ihm aufgefundener Gewächſe
häufig die Form und Farbe, auch wohl die Zahl der Staub-
fäden an — — — auch nennt er von Carica Papaya das In-
dividuum mit Staubfadenblüthen das männliche, das mit Frucht-
blüthen das weibliche, indem er ſie, obwohl der nämlichen Gat-
tung, doch einem verſchiedenen Geſchlechte angehörend hält. Allein
er begnügt ſich zu ſagen: Man behaupte, ſie ſeien einander ſo
befreundet, daß der weibliche Baum keine Frucht bringe, wenn
der männliche nicht in ſeiner Nähe, ſondern durch einen weiten
Raum von ihm getrennt ſei (Cur. poster. 42).“
Bei den hier genannten Botanikern haben wir es mit ein-
facher Unkenntniß der Sache zu thun; bei dem botaniſchen Phi-
loſophen Caeſalpin dagegen iſt es die Conſequenz des ariſto-
teliſchen Syſtems, welche ihn veranlaßt, die Annahme getrennter
Geſchlechtsorgane bei den Pflanzen als ihrer Natur widerſprechend
ausdrücklich zurückzuweiſen. Es iſt ſchwer begreiflich, wie De
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/421>, abgerufen am 26.11.2024.
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