Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Einleitung. wegung der Nahrungssäfte in den Pflanzen zu gewinnen gesuchtund nachdem im Anfang des 17. Jahrhunderts Harvey den Kreislauf des Blutes entdeckt hatte, tauchte auch bald der Ge- danke auf, in den Pflanzen könne eine ähnliche Circulation des Saftes stattfinden. So war also eine erste Hypothese, eine be- stimmte Frage gewonnen, welche man nun durch genauere Er- wägung der gewöhnlichen Vegetationserscheinungen, besser aber durch Experimente zu entscheiden suchte. Führte nun auch eine fast hundert Jahre andauernde Polemik schließlich zu der Ein- sicht, daß ein der Blutcirkulation entsprechender Kreislauf des Saftes in den Pflanzen nicht stattfindet, so war dieses Resultat doch eben durch jene Hypothese gewonnen, welche aus der Ver- gleichung der Thiere und Pflanzen entsprang. Gewissermaßen als Nebenprodukt der in diesem Sinne geführten Untersuchungen ergab sich aber auch die wichtige Entdeckung, daß die Blätter eine entscheidende Rolle bei der Ernährung der Pflanzen spielen, eine Entdeckung, welche derjenigen der Kohlensäurezersetzung durch grüne Pflanzentheile um mehr als hundert Jahre voraus- ging. Um noch ein Beispiel hervorzuheben, konnte auch die Entdeckung der Sexualität bei den Pflanzen nur dadurch ange- bahnt werden, daß man gewisse Erscheinungen des vegetativen Lebens mit der Fortpflanzung der Thiere verglich; lange bevor Rudolph Jacob Camerarius seine entscheidenden Experimente (1691-1694) über die nothwendige Mitwirkung des Blüthen- staubes zur Erzeugung keimfähiger Samen anstellte, hegte man die, wenn auch höchst unbestimmte und durch allerlei Vorurtheile entstellte Vermuthung, daß bei den Pflanzen eine dem thierischen Geschlechtsverhältniß entsprechende Einrichtung bestehen möge. Das Interesse, welches die schon im 17. Jahrhundert bekannt gewordene Reizbarkeit der Mimosen und später ähnliche Be- wegungserscheinungen an Pflanzen hervorriefen, entsprang eben- falls wesentlich aus der hier so auffallend hervortretenden Aehn- lichkeit zwischen Thier und Pflanze; und die ersten Untersuchungen darüber wurden selbstverständlich durch die Frage hervorgerufen, ob die Pflanzenbewegungen durch ähnliche Organisationsverhältnisse, Einleitung. wegung der Nahrungsſäfte in den Pflanzen zu gewinnen geſuchtund nachdem im Anfang des 17. Jahrhunderts Harvey den Kreislauf des Blutes entdeckt hatte, tauchte auch bald der Ge- danke auf, in den Pflanzen könne eine ähnliche Circulation des Saftes ſtattfinden. So war alſo eine erſte Hypotheſe, eine be- ſtimmte Frage gewonnen, welche man nun durch genauere Er- wägung der gewöhnlichen Vegetationserſcheinungen, beſſer aber durch Experimente zu entſcheiden ſuchte. Führte nun auch eine faſt hundert Jahre andauernde Polemik ſchließlich zu der Ein- ſicht, daß ein der Blutcirkulation entſprechender Kreislauf des Saftes in den Pflanzen nicht ſtattfindet, ſo war dieſes Reſultat doch eben durch jene Hypotheſe gewonnen, welche aus der Ver- gleichung der Thiere und Pflanzen entſprang. Gewiſſermaßen als Nebenprodukt der in dieſem Sinne geführten Unterſuchungen ergab ſich aber auch die wichtige Entdeckung, daß die Blätter eine entſcheidende Rolle bei der Ernährung der Pflanzen ſpielen, eine Entdeckung, welche derjenigen der Kohlenſäurezerſetzung durch grüne Pflanzentheile um mehr als hundert Jahre voraus- ging. Um noch ein Beiſpiel hervorzuheben, konnte auch die Entdeckung der Sexualität bei den Pflanzen nur dadurch ange- bahnt werden, daß man gewiſſe Erſcheinungen des vegetativen Lebens mit der Fortpflanzung der Thiere verglich; lange bevor Rudolph Jacob Camerarius ſeine entſcheidenden Experimente (1691-1694) über die nothwendige Mitwirkung des Blüthen- ſtaubes zur Erzeugung keimfähiger Samen anſtellte, hegte man die, wenn auch höchſt unbeſtimmte und durch allerlei Vorurtheile entſtellte Vermuthung, daß bei den Pflanzen eine dem thieriſchen Geſchlechtsverhältniß entſprechende Einrichtung beſtehen möge. Das Intereſſe, welches die ſchon im 17. Jahrhundert bekannt gewordene Reizbarkeit der Mimoſen und ſpäter ähnliche Be- wegungserſcheinungen an Pflanzen hervorriefen, entſprang eben- falls weſentlich aus der hier ſo auffallend hervortretenden Aehn- lichkeit zwiſchen Thier und Pflanze; und die erſten Unterſuchungen darüber wurden ſelbſtverſtändlich durch die Frage hervorgerufen, ob die Pflanzenbewegungen durch ähnliche Organiſationsverhältniſſe, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0401" n="389"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> wegung der Nahrungsſäfte in den Pflanzen zu gewinnen geſucht<lb/> und nachdem im Anfang des 17. Jahrhunderts <hi rendition="#g">Harvey</hi> den<lb/> Kreislauf des Blutes entdeckt hatte, tauchte auch bald der Ge-<lb/> danke auf, in den Pflanzen könne eine ähnliche Circulation des<lb/> Saftes ſtattfinden. 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Einleitung.
wegung der Nahrungsſäfte in den Pflanzen zu gewinnen geſucht
und nachdem im Anfang des 17. Jahrhunderts Harvey den
Kreislauf des Blutes entdeckt hatte, tauchte auch bald der Ge-
danke auf, in den Pflanzen könne eine ähnliche Circulation des
Saftes ſtattfinden. So war alſo eine erſte Hypotheſe, eine be-
ſtimmte Frage gewonnen, welche man nun durch genauere Er-
wägung der gewöhnlichen Vegetationserſcheinungen, beſſer aber
durch Experimente zu entſcheiden ſuchte. Führte nun auch eine
faſt hundert Jahre andauernde Polemik ſchließlich zu der Ein-
ſicht, daß ein der Blutcirkulation entſprechender Kreislauf des
Saftes in den Pflanzen nicht ſtattfindet, ſo war dieſes Reſultat
doch eben durch jene Hypotheſe gewonnen, welche aus der Ver-
gleichung der Thiere und Pflanzen entſprang. Gewiſſermaßen als
Nebenprodukt der in dieſem Sinne geführten Unterſuchungen
ergab ſich aber auch die wichtige Entdeckung, daß die Blätter
eine entſcheidende Rolle bei der Ernährung der Pflanzen ſpielen,
eine Entdeckung, welche derjenigen der Kohlenſäurezerſetzung
durch grüne Pflanzentheile um mehr als hundert Jahre voraus-
ging. Um noch ein Beiſpiel hervorzuheben, konnte auch die
Entdeckung der Sexualität bei den Pflanzen nur dadurch ange-
bahnt werden, daß man gewiſſe Erſcheinungen des vegetativen
Lebens mit der Fortpflanzung der Thiere verglich; lange bevor
Rudolph Jacob Camerarius ſeine entſcheidenden Experimente
(1691-1694) über die nothwendige Mitwirkung des Blüthen-
ſtaubes zur Erzeugung keimfähiger Samen anſtellte, hegte man
die, wenn auch höchſt unbeſtimmte und durch allerlei Vorurtheile
entſtellte Vermuthung, daß bei den Pflanzen eine dem thieriſchen
Geſchlechtsverhältniß entſprechende Einrichtung beſtehen möge.
Das Intereſſe, welches die ſchon im 17. Jahrhundert bekannt
gewordene Reizbarkeit der Mimoſen und ſpäter ähnliche Be-
wegungserſcheinungen an Pflanzen hervorriefen, entſprang eben-
falls weſentlich aus der hier ſo auffallend hervortretenden Aehn-
lichkeit zwiſchen Thier und Pflanze; und die erſten Unterſuchungen
darüber wurden ſelbſtverſtändlich durch die Frage hervorgerufen,
ob die Pflanzenbewegungen durch ähnliche Organiſationsverhältniſſe,
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