Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Gewebeform, Molecularstruktur der organischen Gebilde. die Sache auch bei den Spaltöffnungen und in den Pollenmut-terzellen, eine Auffassung, die sich zur Noth mit Schleiden's Theorie vertrug, sich von ihr aber dadurch unterschied, daß hier wesentliche Vorgänge richtig gesehen, nur noch zum Theil un- richtig gedeutet waren. In demselben Jahr erschien bereits die erste Auflage von Schleiden's Grundzügen der wissenschaft- lichen Botanik, wo die bereits mitgetheilte Zellbildungstheorie in präciserer Fassung wiederholt wurde. Wie sehr es ihm Ernst um dieselbe war, zeigt seine nochmalige Darstellung dieser Theorie in seinen "Beiträgen zur Botanik" 1844, wo er darauf dringt, daß seine Art der Zellbildung die allgemeine, wenn auch zunächst nur bei den Phanerogamen sichergestellte sei. Wie sehr aber eine vorgefaßte Meinung einen Beobachter umstricken kann, lehrt Schleiden's Vermuthung, daß die Bildung der Zygo- sporen bei Spirogyra nach seiner Theorie stattfinde, obgleich kein Fall der Zellbildung denkbar ist, der leichter zu beobachten und mit Schleiden's Theorie weniger vereinbar wäre. Wie schon im ersten Buch erwähnt, war der merkwürdige Vorgang der Zygosporenbildung der Algengattung Spirogyra schon Hed- wig und Baucher bekannt; er wurde aber bis auf Schlei- den's Zeit überhaupt gar nicht als ein Beispiel der Zellbildung betrachtet und insofern lag in der That ein Fortschritt in Schleiden's Aeußerung, als er einen nach den damaligen Begriffen so höchst eigenthümlichen Vorgang überhaupt dem Be- griff der Zellbildung subsumirte. Mit dem Jahre 1844 begann die methodische, auf sorg- Sachs, Geschichte der Botanik. 23
Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde. die Sache auch bei den Spaltöffnungen und in den Pollenmut-terzellen, eine Auffaſſung, die ſich zur Noth mit Schleiden's Theorie vertrug, ſich von ihr aber dadurch unterſchied, daß hier weſentliche Vorgänge richtig geſehen, nur noch zum Theil un- richtig gedeutet waren. In demſelben Jahr erſchien bereits die erſte Auflage von Schleiden's Grundzügen der wiſſenſchaft- lichen Botanik, wo die bereits mitgetheilte Zellbildungstheorie in präciſerer Faſſung wiederholt wurde. Wie ſehr es ihm Ernſt um dieſelbe war, zeigt ſeine nochmalige Darſtellung dieſer Theorie in ſeinen „Beiträgen zur Botanik“ 1844, wo er darauf dringt, daß ſeine Art der Zellbildung die allgemeine, wenn auch zunächſt nur bei den Phanerogamen ſichergeſtellte ſei. Wie ſehr aber eine vorgefaßte Meinung einen Beobachter umſtricken kann, lehrt Schleiden's Vermuthung, daß die Bildung der Zygo- ſporen bei Spirogyra nach ſeiner Theorie ſtattfinde, obgleich kein Fall der Zellbildung denkbar iſt, der leichter zu beobachten und mit Schleiden's Theorie weniger vereinbar wäre. Wie ſchon im erſten Buch erwähnt, war der merkwürdige Vorgang der Zygosporenbildung der Algengattung Spirogyra ſchon Hed- wig und Baucher bekannt; er wurde aber bis auf Schlei- den's Zeit überhaupt gar nicht als ein Beiſpiel der Zellbildung betrachtet und inſofern lag in der That ein Fortſchritt in Schleiden's Aeußerung, als er einen nach den damaligen Begriffen ſo höchſt eigenthümlichen Vorgang überhaupt dem Be- griff der Zellbildung ſubſumirte. Mit dem Jahre 1844 begann die methodiſche, auf ſorg- Sachs, Geſchichte der Botanik. 23
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0365" n="353"/><fw place="top" type="header">Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde.</fw><lb/> die Sache auch bei den Spaltöffnungen und in den Pollenmut-<lb/> terzellen, eine Auffaſſung, die ſich zur Noth mit <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s<lb/> Theorie vertrug, ſich von ihr aber dadurch unterſchied, daß hier<lb/> weſentliche Vorgänge richtig geſehen, nur noch zum Theil un-<lb/> richtig gedeutet waren. In demſelben Jahr erſchien bereits die<lb/> erſte Auflage von <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s Grundzügen der wiſſenſchaft-<lb/> lichen Botanik, wo die bereits mitgetheilte Zellbildungstheorie<lb/> in präciſerer Faſſung wiederholt wurde. Wie ſehr es ihm Ernſt<lb/> um dieſelbe war, zeigt ſeine nochmalige Darſtellung dieſer<lb/> Theorie in ſeinen „Beiträgen zur Botanik“ 1844, wo er darauf<lb/> dringt, daß ſeine Art der Zellbildung die allgemeine, wenn auch<lb/> zunächſt nur bei den Phanerogamen ſichergeſtellte ſei. Wie ſehr<lb/> aber eine vorgefaßte Meinung einen Beobachter umſtricken kann,<lb/> lehrt <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s Vermuthung, daß die Bildung der <hi rendition="#g">Zygo</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ſporen</hi> bei <hi rendition="#aq">Spirogyra</hi> nach ſeiner Theorie ſtattfinde, obgleich<lb/> kein Fall der Zellbildung denkbar iſt, der leichter zu beobachten<lb/> und mit <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s Theorie weniger vereinbar wäre. Wie<lb/> ſchon im erſten Buch erwähnt, war der merkwürdige Vorgang<lb/> der Zygosporenbildung der Algengattung Spirogyra ſchon <hi rendition="#g">Hed</hi>-<lb/><hi rendition="#g">wig</hi> und <hi rendition="#g">Baucher</hi> bekannt; er wurde aber bis auf <hi rendition="#g">Schlei</hi>-<lb/><hi rendition="#g">den</hi>'s Zeit überhaupt gar nicht als ein Beiſpiel der Zellbildung<lb/> betrachtet und inſofern lag in der That ein Fortſchritt in<lb/><hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s Aeußerung, als er einen nach den damaligen<lb/> Begriffen ſo höchſt eigenthümlichen Vorgang überhaupt dem Be-<lb/> griff der Zellbildung ſubſumirte.</p><lb/> <p>Mit dem Jahre 1844 begann die methodiſche, auf ſorg-<lb/> fältige Beobachtung und umſichtige Erwägungen gegründete<lb/> Bearbeitung der Zellentheorie. Faſt gleichzeitig in dieſem Jahr<lb/> erſchienen die ſehr ausführlichen Unterſuchungen <hi rendition="#g">Nägeli</hi>'s über<lb/> das Vorkommen des Zellkerns und über die wandſtändige Zell-<lb/> bildung, d. h. die Zelltheilung; ferner die von <hi rendition="#g">Mohl</hi> über den Pri-<lb/> mordialſchlauch und ſein Verhalten bei der Zelltheilung im jungen<lb/> Gewebe und endlich die von <hi rendition="#g">Unger</hi> über die „merismatiſche Zell-<lb/> bildung (Zelltheilung) als allgemeinen Vorgang beim Wachsthum der<lb/> Organe.“ Da es dieſen Beobachtern zunächſt darauf ankam,<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Sachs</hi>, Geſchichte der Botanik. 23</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [353/0365]
Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde.
die Sache auch bei den Spaltöffnungen und in den Pollenmut-
terzellen, eine Auffaſſung, die ſich zur Noth mit Schleiden's
Theorie vertrug, ſich von ihr aber dadurch unterſchied, daß hier
weſentliche Vorgänge richtig geſehen, nur noch zum Theil un-
richtig gedeutet waren. In demſelben Jahr erſchien bereits die
erſte Auflage von Schleiden's Grundzügen der wiſſenſchaft-
lichen Botanik, wo die bereits mitgetheilte Zellbildungstheorie
in präciſerer Faſſung wiederholt wurde. Wie ſehr es ihm Ernſt
um dieſelbe war, zeigt ſeine nochmalige Darſtellung dieſer
Theorie in ſeinen „Beiträgen zur Botanik“ 1844, wo er darauf
dringt, daß ſeine Art der Zellbildung die allgemeine, wenn auch
zunächſt nur bei den Phanerogamen ſichergeſtellte ſei. Wie ſehr
aber eine vorgefaßte Meinung einen Beobachter umſtricken kann,
lehrt Schleiden's Vermuthung, daß die Bildung der Zygo-
ſporen bei Spirogyra nach ſeiner Theorie ſtattfinde, obgleich
kein Fall der Zellbildung denkbar iſt, der leichter zu beobachten
und mit Schleiden's Theorie weniger vereinbar wäre. Wie
ſchon im erſten Buch erwähnt, war der merkwürdige Vorgang
der Zygosporenbildung der Algengattung Spirogyra ſchon Hed-
wig und Baucher bekannt; er wurde aber bis auf Schlei-
den's Zeit überhaupt gar nicht als ein Beiſpiel der Zellbildung
betrachtet und inſofern lag in der That ein Fortſchritt in
Schleiden's Aeußerung, als er einen nach den damaligen
Begriffen ſo höchſt eigenthümlichen Vorgang überhaupt dem Be-
griff der Zellbildung ſubſumirte.
Mit dem Jahre 1844 begann die methodiſche, auf ſorg-
fältige Beobachtung und umſichtige Erwägungen gegründete
Bearbeitung der Zellentheorie. Faſt gleichzeitig in dieſem Jahr
erſchienen die ſehr ausführlichen Unterſuchungen Nägeli's über
das Vorkommen des Zellkerns und über die wandſtändige Zell-
bildung, d. h. die Zelltheilung; ferner die von Mohl über den Pri-
mordialſchlauch und ſein Verhalten bei der Zelltheilung im jungen
Gewebe und endlich die von Unger über die „merismatiſche Zell-
bildung (Zelltheilung) als allgemeinen Vorgang beim Wachsthum der
Organe.“ Da es dieſen Beobachtern zunächſt darauf ankam,
Sachs, Geſchichte der Botanik. 23
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |