Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Zellhautgerüstes der Pflanzen.
publicirten phytotomischen Arbeiten Anderer zu denen Mohl's
übergeht, so ist hier in der That der vorwiegende Eindruck der
der Sicherheit; man hat das Gefühl, daß er richtig gesehen
haben müsse, weil schon die Art seiner Darstellung als eine ganz
natürliche und gewissermaßen nothwendige sich giebt, um so mehr
als er selbst jeden möglichen Zweifel hervorhebt und, wenn er
ihn nicht zu beseitigen weiß, als solchen bestehen läßt. In dieser
Art gleicht Mohl's Darstellung der Moldenhawer's, nur
daß sie bei Mohl sich zu einer Meisterschaft entwickelt, welche
diesem noch fehlte.

Mit Mohl's Abneigung gegen weitgehende Abstraktionen
und philosophische Betrachtung der Beobachtungsergebnisse hing
es offenbar zusammen, daß er in einer mehr als vierzigjährigen
unausgesetzten Thätigkeit als Phytotom doch niemals dazu kam,
eine übersichtliche, zusammenhängende Darstellung der ganzen
Phytotomie zu geben. Mohl's Thätigkeit erschöpfte sich in
monographischen Arbeiten, welche gewöhnlich an Tagesfragen an-
knüpften oder sonst durch den Zustand der Literatur hervorge-
rufen wurden. Da sammelte er dann die ganze Literatur über
die betreffende Frage, kritisirte diese und schälte endlich den
wahren Kern der Frage heraus, die er nun durch seine eigenen
Beobachtungen zu beantworten suchte. Für letztere sah sich
Mohl jedesmal zunächst nach den geeignetsten Objekten um, was
außer Moldenhawer die Früheren gewöhnlich versäumt hatten;
ein solches Objekt studirte er dann sehr gründlich, um später
schwierigere Gegenstände in den Kreis der Untersuchung hinein-
zuziehen. So lieferte jede derartige Monographie gewissermassen
einen Typus, an welchen sich später eine größere Zahl von
weiteren Beobachtungen anschließen konnte. In einer sehr langen
Reihe von gründlichen Monographien behandelte Mohl schließ-
lich alle wichtigeren Fragen der Phytotomie.

Die außerordentliche Sorgfalt der Beobachtung reichte aber
auch bei einem so ruhigen Forscher, wie Mohl es war, wenig-
stens in seinen früheren Jahren nicht hin, ihn vor einigen sehr
starken Mißgriffen zu schützen, wie solche in seiner ersten Theorie

Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
publicirten phytotomiſchen Arbeiten Anderer zu denen Mohl's
übergeht, ſo iſt hier in der That der vorwiegende Eindruck der
der Sicherheit; man hat das Gefühl, daß er richtig geſehen
haben müſſe, weil ſchon die Art ſeiner Darſtellung als eine ganz
natürliche und gewiſſermaßen nothwendige ſich giebt, um ſo mehr
als er ſelbſt jeden möglichen Zweifel hervorhebt und, wenn er
ihn nicht zu beſeitigen weiß, als ſolchen beſtehen läßt. In dieſer
Art gleicht Mohl's Darſtellung der Moldenhawer's, nur
daß ſie bei Mohl ſich zu einer Meiſterſchaft entwickelt, welche
dieſem noch fehlte.

Mit Mohl's Abneigung gegen weitgehende Abſtraktionen
und philoſophiſche Betrachtung der Beobachtungsergebniſſe hing
es offenbar zuſammen, daß er in einer mehr als vierzigjährigen
unausgeſetzten Thätigkeit als Phytotom doch niemals dazu kam,
eine überſichtliche, zuſammenhängende Darſtellung der ganzen
Phytotomie zu geben. Mohl's Thätigkeit erſchöpfte ſich in
monographiſchen Arbeiten, welche gewöhnlich an Tagesfragen an-
knüpften oder ſonſt durch den Zuſtand der Literatur hervorge-
rufen wurden. Da ſammelte er dann die ganze Literatur über
die betreffende Frage, kritiſirte dieſe und ſchälte endlich den
wahren Kern der Frage heraus, die er nun durch ſeine eigenen
Beobachtungen zu beantworten ſuchte. Für letztere ſah ſich
Mohl jedesmal zunächſt nach den geeignetſten Objekten um, was
außer Moldenhawer die Früheren gewöhnlich verſäumt hatten;
ein ſolches Objekt ſtudirte er dann ſehr gründlich, um ſpäter
ſchwierigere Gegenſtände in den Kreis der Unterſuchung hinein-
zuziehen. So lieferte jede derartige Monographie gewiſſermaſſen
einen Typus, an welchen ſich ſpäter eine größere Zahl von
weiteren Beobachtungen anſchließen konnte. In einer ſehr langen
Reihe von gründlichen Monographien behandelte Mohl ſchließ-
lich alle wichtigeren Fragen der Phytotomie.

Die außerordentliche Sorgfalt der Beobachtung reichte aber
auch bei einem ſo ruhigen Forſcher, wie Mohl es war, wenig-
ſtens in ſeinen früheren Jahren nicht hin, ihn vor einigen ſehr
ſtarken Mißgriffen zu ſchützen, wie ſolche in ſeiner erſten Theorie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0331" n="319"/><fw place="top" type="header">Zellhautgerü&#x017F;tes der Pflanzen.</fw><lb/>
publicirten phytotomi&#x017F;chen Arbeiten Anderer zu denen <hi rendition="#g">Mohl</hi>'s<lb/>
übergeht, &#x017F;o i&#x017F;t hier in der That der vorwiegende Eindruck der<lb/>
der Sicherheit; man hat das Gefühl, daß er richtig ge&#x017F;ehen<lb/>
haben mü&#x017F;&#x017F;e, weil &#x017F;chon die Art &#x017F;einer Dar&#x017F;tellung als eine ganz<lb/>
natürliche und gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen nothwendige &#x017F;ich giebt, um &#x017F;o mehr<lb/>
als er &#x017F;elb&#x017F;t jeden möglichen Zweifel hervorhebt und, wenn er<lb/>
ihn nicht zu be&#x017F;eitigen weiß, als &#x017F;olchen be&#x017F;tehen läßt. In die&#x017F;er<lb/>
Art gleicht <hi rendition="#g">Mohl</hi>'s Dar&#x017F;tellung der <hi rendition="#g">Moldenhawer</hi>'s, nur<lb/>
daß &#x017F;ie bei <hi rendition="#g">Mohl</hi> &#x017F;ich zu einer Mei&#x017F;ter&#x017F;chaft entwickelt, welche<lb/>
die&#x017F;em noch fehlte.</p><lb/>
          <p>Mit <hi rendition="#g">Mohl</hi>'s Abneigung gegen weitgehende Ab&#x017F;traktionen<lb/>
und philo&#x017F;ophi&#x017F;che Betrachtung der Beobachtungsergebni&#x017F;&#x017F;e hing<lb/>
es offenbar zu&#x017F;ammen, daß er in einer mehr als vierzigjährigen<lb/>
unausge&#x017F;etzten Thätigkeit als Phytotom doch niemals dazu kam,<lb/>
eine über&#x017F;ichtliche, zu&#x017F;ammenhängende Dar&#x017F;tellung der ganzen<lb/>
Phytotomie zu geben. <hi rendition="#g">Mohl</hi>'s Thätigkeit er&#x017F;chöpfte &#x017F;ich in<lb/>
monographi&#x017F;chen Arbeiten, welche gewöhnlich an Tagesfragen an-<lb/>
knüpften oder &#x017F;on&#x017F;t durch den Zu&#x017F;tand der Literatur hervorge-<lb/>
rufen wurden. Da &#x017F;ammelte er dann die ganze Literatur über<lb/>
die betreffende Frage, kriti&#x017F;irte die&#x017F;e und &#x017F;chälte endlich den<lb/>
wahren Kern der Frage heraus, die er nun durch &#x017F;eine eigenen<lb/>
Beobachtungen zu beantworten &#x017F;uchte. Für letztere &#x017F;ah &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#g">Mohl</hi> jedesmal zunäch&#x017F;t nach den geeignet&#x017F;ten Objekten um, was<lb/>
außer <hi rendition="#g">Moldenhawer</hi> die Früheren gewöhnlich ver&#x017F;äumt hatten;<lb/>
ein &#x017F;olches Objekt &#x017F;tudirte er dann &#x017F;ehr gründlich, um &#x017F;päter<lb/>
&#x017F;chwierigere Gegen&#x017F;tände in den Kreis der Unter&#x017F;uchung hinein-<lb/>
zuziehen. So lieferte jede derartige Monographie gewi&#x017F;&#x017F;erma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
einen Typus, an welchen &#x017F;ich &#x017F;päter eine größere Zahl von<lb/>
weiteren Beobachtungen an&#x017F;chließen konnte. In einer &#x017F;ehr langen<lb/>
Reihe von gründlichen Monographien behandelte <hi rendition="#g">Mohl</hi> &#x017F;chließ-<lb/>
lich alle wichtigeren Fragen der Phytotomie.</p><lb/>
          <p>Die außerordentliche Sorgfalt der Beobachtung reichte aber<lb/>
auch bei einem &#x017F;o ruhigen For&#x017F;cher, wie <hi rendition="#g">Mohl</hi> es war, wenig-<lb/>
&#x017F;tens in &#x017F;einen früheren Jahren nicht hin, ihn vor einigen &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;tarken Mißgriffen zu &#x017F;chützen, wie &#x017F;olche in &#x017F;einer er&#x017F;ten Theorie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0331] Zellhautgerüſtes der Pflanzen. publicirten phytotomiſchen Arbeiten Anderer zu denen Mohl's übergeht, ſo iſt hier in der That der vorwiegende Eindruck der der Sicherheit; man hat das Gefühl, daß er richtig geſehen haben müſſe, weil ſchon die Art ſeiner Darſtellung als eine ganz natürliche und gewiſſermaßen nothwendige ſich giebt, um ſo mehr als er ſelbſt jeden möglichen Zweifel hervorhebt und, wenn er ihn nicht zu beſeitigen weiß, als ſolchen beſtehen läßt. In dieſer Art gleicht Mohl's Darſtellung der Moldenhawer's, nur daß ſie bei Mohl ſich zu einer Meiſterſchaft entwickelt, welche dieſem noch fehlte. Mit Mohl's Abneigung gegen weitgehende Abſtraktionen und philoſophiſche Betrachtung der Beobachtungsergebniſſe hing es offenbar zuſammen, daß er in einer mehr als vierzigjährigen unausgeſetzten Thätigkeit als Phytotom doch niemals dazu kam, eine überſichtliche, zuſammenhängende Darſtellung der ganzen Phytotomie zu geben. Mohl's Thätigkeit erſchöpfte ſich in monographiſchen Arbeiten, welche gewöhnlich an Tagesfragen an- knüpften oder ſonſt durch den Zuſtand der Literatur hervorge- rufen wurden. Da ſammelte er dann die ganze Literatur über die betreffende Frage, kritiſirte dieſe und ſchälte endlich den wahren Kern der Frage heraus, die er nun durch ſeine eigenen Beobachtungen zu beantworten ſuchte. Für letztere ſah ſich Mohl jedesmal zunächſt nach den geeignetſten Objekten um, was außer Moldenhawer die Früheren gewöhnlich verſäumt hatten; ein ſolches Objekt ſtudirte er dann ſehr gründlich, um ſpäter ſchwierigere Gegenſtände in den Kreis der Unterſuchung hinein- zuziehen. So lieferte jede derartige Monographie gewiſſermaſſen einen Typus, an welchen ſich ſpäter eine größere Zahl von weiteren Beobachtungen anſchließen konnte. In einer ſehr langen Reihe von gründlichen Monographien behandelte Mohl ſchließ- lich alle wichtigeren Fragen der Phytotomie. Die außerordentliche Sorgfalt der Beobachtung reichte aber auch bei einem ſo ruhigen Forſcher, wie Mohl es war, wenig- ſtens in ſeinen früheren Jahren nicht hin, ihn vor einigen ſehr ſtarken Mißgriffen zu ſchützen, wie ſolche in ſeiner erſten Theorie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/331
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/331>, abgerufen am 12.05.2024.