Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Morphologie und Systematik unter dem Einfluß der
ung von der Scheitelzelle des Stammes nachgewiesen, die Se-
xualorgane zumal sehr genau untersucht, die Strömungsrichtung
des Zellinhalts in ihrer Beziehung zur morphologischen Glieder-
ung der Organe nachgewiesen wurde. Schon vorher hatte Gustav
Thuret
die Zoosporen der Algen zum Gegenstand ausführlicher
Untersuchungen gemacht.

So lagen die Sachen bezüglich der Algen um 1850, als
durch Hofmeister die Embryobildung der Phanerogamen,
Gefäßcryptogamen und Muscineen in den Mittelpunct der mor-
phologisch-systematischen Forschung gestellt wurde. Hier zeigte
sich, daß eine vollständige Einsicht in den ganzen Formenkreis einer
Pflanze und in ihre verwandtschaftlichen Beziehungen nur dann
zu gewinnen ist, wenn es gelingt, ihre sexuelle Fortpflanzung,
die erste Entstehung des Embryos zum Ausgangspunct der
Forschung zu machen. Es lag nahe, dasselbe günstige Resultat
auch von der Embryologie der Algen zu erwarten; es kam also
darauf an, sich fortan nicht mehr mit der Kenntniß der unge-
schlechtlichen Vermehrungen derselben zu begnügen, sondern die
sexuelle Fortpflanzung aufzusuchen und mit Hilfe derselben voll-
ständige Entwicklungsgeschichten der Algenspecies herzustellen.
Daß die sexuelle Fortpflanzung auch hier wahrscheinlich allgemein
verbreitet sei, darauf deuteten jene älteren Beobachtungen hin; daß
es sich aber bei der Herstellung zusammenhängender Entwicklungs-
geschichten um eine sehr mühevolle Arbeit handeln würde, eine
Arbeit von der die Sammler, die sich gerne Systematiker nannten,
keine Ahnung hatten, war leicht vorauszusehen; man war aber
durch die Arbeiten Nägeli's und Hofmeister's an die
höchsten Forderungen in dieser Richtung bereits gewöhnt und
die Männer, die auch hier der methodischen echten Wissenschaft
neuen Boden gewinnen sollten, waren um 1850 bereits an der
Arbeit. Ein glänzendes Ergebniß wurde schon 1853 durch Thuret's
Befruchtungsgeschichte der Gattung Fucus erzielt; sie war zwar
in ihrer embryologischen Seite sehr einfach, aber der Sexualact
selbst so klar, der experimentellen Behandlung sogar zugänglich,
daß dadurch sofort Licht auf andere schwieriger zu beobachtende

Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
ung von der Scheitelzelle des Stammes nachgewieſen, die Se-
xualorgane zumal ſehr genau unterſucht, die Strömungsrichtung
des Zellinhalts in ihrer Beziehung zur morphologiſchen Glieder-
ung der Organe nachgewieſen wurde. Schon vorher hatte Guſtav
Thuret
die Zoosporen der Algen zum Gegenſtand ausführlicher
Unterſuchungen gemacht.

So lagen die Sachen bezüglich der Algen um 1850, als
durch Hofmeiſter die Embryobildung der Phanerogamen,
Gefäßcryptogamen und Muscineen in den Mittelpunct der mor-
phologiſch-ſyſtematiſchen Forſchung geſtellt wurde. Hier zeigte
ſich, daß eine vollſtändige Einſicht in den ganzen Formenkreis einer
Pflanze und in ihre verwandtſchaftlichen Beziehungen nur dann
zu gewinnen iſt, wenn es gelingt, ihre ſexuelle Fortpflanzung,
die erſte Entſtehung des Embryos zum Ausgangspunct der
Forſchung zu machen. Es lag nahe, dasſelbe günſtige Reſultat
auch von der Embryologie der Algen zu erwarten; es kam alſo
darauf an, ſich fortan nicht mehr mit der Kenntniß der unge-
ſchlechtlichen Vermehrungen derſelben zu begnügen, ſondern die
ſexuelle Fortpflanzung aufzuſuchen und mit Hilfe derſelben voll-
ſtändige Entwicklungsgeſchichten der Algenſpecies herzuſtellen.
Daß die ſexuelle Fortpflanzung auch hier wahrſcheinlich allgemein
verbreitet ſei, darauf deuteten jene älteren Beobachtungen hin; daß
es ſich aber bei der Herſtellung zuſammenhängender Entwicklungs-
geſchichten um eine ſehr mühevolle Arbeit handeln würde, eine
Arbeit von der die Sammler, die ſich gerne Syſtematiker nannten,
keine Ahnung hatten, war leicht vorauszuſehen; man war aber
durch die Arbeiten Nägeli's und Hofmeiſter's an die
höchſten Forderungen in dieſer Richtung bereits gewöhnt und
die Männer, die auch hier der methodiſchen echten Wiſſenſchaft
neuen Boden gewinnen ſollten, waren um 1850 bereits an der
Arbeit. Ein glänzendes Ergebniß wurde ſchon 1853 durch Thuret's
Befruchtungsgeſchichte der Gattung Fucus erzielt; ſie war zwar
in ihrer embryologiſchen Seite ſehr einfach, aber der Sexualact
ſelbſt ſo klar, der experimentellen Behandlung ſogar zugänglich,
daß dadurch ſofort Licht auf andere ſchwieriger zu beobachtende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0236" n="224"/><fw place="top" type="header">Morphologie und Sy&#x017F;tematik unter dem Einfluß der</fw><lb/>
ung von der Scheitelzelle des Stammes nachgewie&#x017F;en, die Se-<lb/>
xualorgane zumal &#x017F;ehr genau unter&#x017F;ucht, die Strömungsrichtung<lb/>
des Zellinhalts in ihrer Beziehung zur morphologi&#x017F;chen Glieder-<lb/>
ung der Organe nachgewie&#x017F;en wurde. Schon vorher hatte <hi rendition="#g">Gu&#x017F;tav<lb/>
Thuret</hi> die Zoosporen der Algen zum Gegen&#x017F;tand ausführlicher<lb/>
Unter&#x017F;uchungen gemacht.</p><lb/>
            <p>So lagen die Sachen bezüglich der <hi rendition="#b">Algen</hi> um 1850, als<lb/>
durch <hi rendition="#g">Hofmei&#x017F;ter</hi> die Embryobildung der Phanerogamen,<lb/>
Gefäßcryptogamen und Muscineen in den Mittelpunct der mor-<lb/>
phologi&#x017F;ch-&#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen For&#x017F;chung ge&#x017F;tellt wurde. Hier zeigte<lb/>
&#x017F;ich, daß eine voll&#x017F;tändige Ein&#x017F;icht in den ganzen Formenkreis einer<lb/>
Pflanze und in ihre verwandt&#x017F;chaftlichen Beziehungen nur dann<lb/>
zu gewinnen i&#x017F;t, wenn es gelingt, ihre &#x017F;exuelle Fortpflanzung,<lb/>
die er&#x017F;te Ent&#x017F;tehung des Embryos zum Ausgangspunct der<lb/>
For&#x017F;chung zu machen. Es lag nahe, das&#x017F;elbe gün&#x017F;tige Re&#x017F;ultat<lb/>
auch von der Embryologie der Algen zu erwarten; es kam al&#x017F;o<lb/>
darauf an, &#x017F;ich fortan nicht mehr mit der Kenntniß der unge-<lb/>
&#x017F;chlechtlichen Vermehrungen der&#x017F;elben zu begnügen, &#x017F;ondern die<lb/>
&#x017F;exuelle Fortpflanzung aufzu&#x017F;uchen und mit Hilfe der&#x017F;elben voll-<lb/>
&#x017F;tändige Entwicklungsge&#x017F;chichten der Algen&#x017F;pecies herzu&#x017F;tellen.<lb/>
Daß die &#x017F;exuelle Fortpflanzung auch hier wahr&#x017F;cheinlich allgemein<lb/>
verbreitet &#x017F;ei, darauf deuteten jene älteren Beobachtungen hin; daß<lb/>
es &#x017F;ich aber bei der Her&#x017F;tellung zu&#x017F;ammenhängender Entwicklungs-<lb/>
ge&#x017F;chichten um eine &#x017F;ehr mühevolle Arbeit handeln würde, eine<lb/>
Arbeit von der die Sammler, die &#x017F;ich gerne Sy&#x017F;tematiker nannten,<lb/>
keine Ahnung hatten, war leicht vorauszu&#x017F;ehen; man war aber<lb/>
durch die Arbeiten <hi rendition="#g">Nägeli</hi>'s und <hi rendition="#g">Hofmei&#x017F;ter</hi>'s an die<lb/>
höch&#x017F;ten Forderungen in die&#x017F;er Richtung bereits gewöhnt und<lb/>
die Männer, die auch hier der methodi&#x017F;chen echten Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
neuen Boden gewinnen &#x017F;ollten, waren um 1850 bereits an der<lb/>
Arbeit. Ein glänzendes Ergebniß wurde &#x017F;chon 1853 durch <hi rendition="#g">Thuret</hi>'s<lb/>
Befruchtungsge&#x017F;chichte der Gattung <hi rendition="#aq">Fucus</hi> erzielt; &#x017F;ie war zwar<lb/>
in ihrer embryologi&#x017F;chen Seite &#x017F;ehr einfach, aber der Sexualact<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o klar, der experimentellen Behandlung &#x017F;ogar zugänglich,<lb/>
daß dadurch &#x017F;ofort Licht auf andere &#x017F;chwieriger zu beobachtende<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0236] Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der ung von der Scheitelzelle des Stammes nachgewieſen, die Se- xualorgane zumal ſehr genau unterſucht, die Strömungsrichtung des Zellinhalts in ihrer Beziehung zur morphologiſchen Glieder- ung der Organe nachgewieſen wurde. Schon vorher hatte Guſtav Thuret die Zoosporen der Algen zum Gegenſtand ausführlicher Unterſuchungen gemacht. So lagen die Sachen bezüglich der Algen um 1850, als durch Hofmeiſter die Embryobildung der Phanerogamen, Gefäßcryptogamen und Muscineen in den Mittelpunct der mor- phologiſch-ſyſtematiſchen Forſchung geſtellt wurde. Hier zeigte ſich, daß eine vollſtändige Einſicht in den ganzen Formenkreis einer Pflanze und in ihre verwandtſchaftlichen Beziehungen nur dann zu gewinnen iſt, wenn es gelingt, ihre ſexuelle Fortpflanzung, die erſte Entſtehung des Embryos zum Ausgangspunct der Forſchung zu machen. Es lag nahe, dasſelbe günſtige Reſultat auch von der Embryologie der Algen zu erwarten; es kam alſo darauf an, ſich fortan nicht mehr mit der Kenntniß der unge- ſchlechtlichen Vermehrungen derſelben zu begnügen, ſondern die ſexuelle Fortpflanzung aufzuſuchen und mit Hilfe derſelben voll- ſtändige Entwicklungsgeſchichten der Algenſpecies herzuſtellen. Daß die ſexuelle Fortpflanzung auch hier wahrſcheinlich allgemein verbreitet ſei, darauf deuteten jene älteren Beobachtungen hin; daß es ſich aber bei der Herſtellung zuſammenhängender Entwicklungs- geſchichten um eine ſehr mühevolle Arbeit handeln würde, eine Arbeit von der die Sammler, die ſich gerne Syſtematiker nannten, keine Ahnung hatten, war leicht vorauszuſehen; man war aber durch die Arbeiten Nägeli's und Hofmeiſter's an die höchſten Forderungen in dieſer Richtung bereits gewöhnt und die Männer, die auch hier der methodiſchen echten Wiſſenſchaft neuen Boden gewinnen ſollten, waren um 1850 bereits an der Arbeit. Ein glänzendes Ergebniß wurde ſchon 1853 durch Thuret's Befruchtungsgeſchichte der Gattung Fucus erzielt; ſie war zwar in ihrer embryologiſchen Seite ſehr einfach, aber der Sexualact ſelbſt ſo klar, der experimentellen Behandlung ſogar zugänglich, daß dadurch ſofort Licht auf andere ſchwieriger zu beobachtende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/236
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/236>, abgerufen am 23.11.2024.