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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Morphologie und Systematik unter dem Einfluß der
wie noch jetzt einzelne Beobachter das Penicillium und den
Micrococeus als die Ausgangspuncte der verschiedensten Pilz-
entwicklungen in Anspruch nehmen. Auch die Grenzregulirung
zwischen niederen Thieren und Pflanzen machte Schwierigkeit;
man zerhieb aber den Knoten: was sich durch innere Kräfte von
selbst bewegte, wurde dem Thierreich zugezählt, ganze Algen-
familien (die Volvocineen, Bacillariaceen u. a.) wurden so
von den Zoologen reclamirt und als man die ersten Schwärm-
sporen einer echten Alge ausschlüpfen sah, wurde dies als die
Thierwerdung der Pflanze bezeichnet. (Trentepohl, 1807. --
Unger 1830 deuteten so das Ausschlüpfen der Zoospore von
Vaucheria): das Merkwürdige ist nicht, daß man derartige
Ansichten hegte, sondern daß sie sich bei den Meisten mit dem
Glauben an die Constanz der Species ganz wohl vertrugen. Das
Dogma von der Constanz leistete in diesem Falle aber der
Wissenschaft einen guten Dienst, denn diejenigen Botaniker, welche
später an die methodische Bearbeitung der Algen und Pilze
gingen, thaten dies im Vertrauen auf die Constanz der specifi-
schen Entwicklungsprocesse, die sich hier so gut wie bei den
Moosen und höheren Pflanzen bewähren müsse.

Neben dem vielen Unbestimmten und Unsicheren, was ge-
legentliche Beobachtungen bei unkritischer Deutung des Gesehenen
ergaben, enthielt aber die Literatur schon seit längerer Zeit ver-
einzelte wohlconstatirte Thatsachen von Belang, die wohl geeignet
waren, ernsten Forschern als Ausgangspuncte genauer Unter-
suchungen zu dienen. Unter den Algen hatten besonders
die Gattungen Spirogyra und Vaucheria merkwürdige Er-
scheinungen dargeboten; schon Joseph Gärtner kannte die
Zygosporenbildung der ersteren (1788), Hedwig fand
in der Art ihrer Entstehung wenigstens eine Andeutung der
Sexualität (1798) und Vaucher 1) nannte in seiner 1803 er-
schienen, der Zeit weit vorausgeeilten histoire de conferves

1) Joh. Pet. Vaucher, der Lehrer und Freund P. de Candolle's,
war Prediger und Professor in Genf.

Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
wie noch jetzt einzelne Beobachter das Penicillium und den
Micrococeus als die Ausgangspuncte der verſchiedenſten Pilz-
entwicklungen in Anſpruch nehmen. Auch die Grenzregulirung
zwiſchen niederen Thieren und Pflanzen machte Schwierigkeit;
man zerhieb aber den Knoten: was ſich durch innere Kräfte von
ſelbſt bewegte, wurde dem Thierreich zugezählt, ganze Algen-
familien (die Volvocineen, Bacillariaceen u. a.) wurden ſo
von den Zoologen reclamirt und als man die erſten Schwärm-
ſporen einer echten Alge ausſchlüpfen ſah, wurde dies als die
Thierwerdung der Pflanze bezeichnet. (Trentepohl, 1807. —
Unger 1830 deuteten ſo das Ausſchlüpfen der Zoospore von
Vaucheria): das Merkwürdige iſt nicht, daß man derartige
Anſichten hegte, ſondern daß ſie ſich bei den Meiſten mit dem
Glauben an die Conſtanz der Species ganz wohl vertrugen. Das
Dogma von der Conſtanz leiſtete in dieſem Falle aber der
Wiſſenſchaft einen guten Dienſt, denn diejenigen Botaniker, welche
ſpäter an die methodiſche Bearbeitung der Algen und Pilze
gingen, thaten dies im Vertrauen auf die Conſtanz der ſpecifi-
ſchen Entwicklungsproceſſe, die ſich hier ſo gut wie bei den
Mooſen und höheren Pflanzen bewähren müſſe.

Neben dem vielen Unbeſtimmten und Unſicheren, was ge-
legentliche Beobachtungen bei unkritiſcher Deutung des Geſehenen
ergaben, enthielt aber die Literatur ſchon ſeit längerer Zeit ver-
einzelte wohlconſtatirte Thatſachen von Belang, die wohl geeignet
waren, ernſten Forſchern als Ausgangspuncte genauer Unter-
ſuchungen zu dienen. Unter den Algen hatten beſonders
die Gattungen Spirogyra und Vaucheria merkwürdige Er-
ſcheinungen dargeboten; ſchon Joſeph Gärtner kannte die
Zygosporenbildung der erſteren (1788), Hedwig fand
in der Art ihrer Entſtehung wenigſtens eine Andeutung der
Sexualität (1798) und Vaucher 1) nannte in ſeiner 1803 er-
ſchienen, der Zeit weit vorausgeeilten histoire de conferves

1) Joh. Pet. Vaucher, der Lehrer und Freund P. de Candolle's,
war Prediger und Profeſſor in Genf.
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[222/0234] Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der wie noch jetzt einzelne Beobachter das Penicillium und den Micrococeus als die Ausgangspuncte der verſchiedenſten Pilz- entwicklungen in Anſpruch nehmen. Auch die Grenzregulirung zwiſchen niederen Thieren und Pflanzen machte Schwierigkeit; man zerhieb aber den Knoten: was ſich durch innere Kräfte von ſelbſt bewegte, wurde dem Thierreich zugezählt, ganze Algen- familien (die Volvocineen, Bacillariaceen u. a.) wurden ſo von den Zoologen reclamirt und als man die erſten Schwärm- ſporen einer echten Alge ausſchlüpfen ſah, wurde dies als die Thierwerdung der Pflanze bezeichnet. (Trentepohl, 1807. — Unger 1830 deuteten ſo das Ausſchlüpfen der Zoospore von Vaucheria): das Merkwürdige iſt nicht, daß man derartige Anſichten hegte, ſondern daß ſie ſich bei den Meiſten mit dem Glauben an die Conſtanz der Species ganz wohl vertrugen. Das Dogma von der Conſtanz leiſtete in dieſem Falle aber der Wiſſenſchaft einen guten Dienſt, denn diejenigen Botaniker, welche ſpäter an die methodiſche Bearbeitung der Algen und Pilze gingen, thaten dies im Vertrauen auf die Conſtanz der ſpecifi- ſchen Entwicklungsproceſſe, die ſich hier ſo gut wie bei den Mooſen und höheren Pflanzen bewähren müſſe. Neben dem vielen Unbeſtimmten und Unſicheren, was ge- legentliche Beobachtungen bei unkritiſcher Deutung des Geſehenen ergaben, enthielt aber die Literatur ſchon ſeit längerer Zeit ver- einzelte wohlconſtatirte Thatſachen von Belang, die wohl geeignet waren, ernſten Forſchern als Ausgangspuncte genauer Unter- ſuchungen zu dienen. Unter den Algen hatten beſonders die Gattungen Spirogyra und Vaucheria merkwürdige Er- ſcheinungen dargeboten; ſchon Joſeph Gärtner kannte die Zygosporenbildung der erſteren (1788), Hedwig fand in der Art ihrer Entſtehung wenigſtens eine Andeutung der Sexualität (1798) und Vaucher 1) nannte in ſeiner 1803 er- ſchienen, der Zeit weit vorausgeeilten histoire de conferves 1) Joh. Pet. Vaucher, der Lehrer und Freund P. de Candolle's, war Prediger und Profeſſor in Genf.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/234>, abgerufen am 23.11.2024.