welchem Andere weiterbauen und eine reiche Literatur sich ent- wickeln konnte.
Auch Nägeli empfand das Bedürfniß, vor Allem sich über die philosophischen Grundlagen der Naturforschung zu orientiren, für ihn indessen handelte es sich nicht mehr darum, die inductive Methode im Allgemeinen und im Gegensatz zur Dogmatik der idealistischen Schule zu betonen; er ging vielmehr sogleich darauf aus, die Gesetze der Induction auf die allgemeinsten Fragen der organischen Natur, speciell der Vegetation anzuwenden. Es ist leicht gesagt, die Naturwissenschaft müsse allein, auf genaue Er- fahrung gestützt, Begriffe und Naturgesetze ableiten; sowie man es versucht, dieser Forderung zu genügen, machen sich unzählige Bedenken geltend; denn soll es nicht bei bloßer Anhäufung ein- zelner Thatsachen bleiben, so muß auch jedes Mal das Ziel festgestellt werden, zu welchem die inductive Forschung hinführen soll. Nägeli hob es ausdrücklich hervor, daß Thatsachen und Beobachtungen nur unter dieser Bedingung einen wissenschaftlichen Werth haben, daß nur die Einordnung jedes einzelnen durch Induction gewonnenen Begriffes in das System des ganzen übrigen Wissens einen Werth habe. -- Viel consequenter als Schleiden und im strengsten Gegensatz zur idealistischen Schule, ganz dem nominalistischen Standpunct ächter Naturforschung entsprechend, ging Nägeli vor Allem darauf aus, aus den beobachteten Erscheinungen nicht nur Begriffe abzuleiten, diese zu classificiren, ihre Subordination festzustellen, sondern diese Begriffe nur als subjective Producte des Verstandes zu behan- deln, sie als Werkzeuge des Denkens und der Mittheilung zu benutzen; bereit dieselben zu ändern, sobald die inductive Forschung eine Aenderung nöthig macht. So lange das aber nicht der Fall ist, wird der einmal aufgestellte Begriff, der sich mit einem Wort verbindet, streng festgehalten, jede willkürliche Aenderung oder Verwechslung mit einem anderen streng verpönt. Da in der Natur Alles Bewegung, jede Erscheinung eine fließende ist, was speciell im organischen Leben als Entwicklungsgeschichte sich darstellt, so muß bei der wissenschaftlichen Begriffsbildung auf
Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
welchem Andere weiterbauen und eine reiche Literatur ſich ent- wickeln konnte.
Auch Nägeli empfand das Bedürfniß, vor Allem ſich über die philoſophiſchen Grundlagen der Naturforſchung zu orientiren, für ihn indeſſen handelte es ſich nicht mehr darum, die inductive Methode im Allgemeinen und im Gegenſatz zur Dogmatik der idealiſtiſchen Schule zu betonen; er ging vielmehr ſogleich darauf aus, die Geſetze der Induction auf die allgemeinſten Fragen der organiſchen Natur, ſpeciell der Vegetation anzuwenden. Es iſt leicht geſagt, die Naturwiſſenſchaft müſſe allein, auf genaue Er- fahrung geſtützt, Begriffe und Naturgeſetze ableiten; ſowie man es verſucht, dieſer Forderung zu genügen, machen ſich unzählige Bedenken geltend; denn ſoll es nicht bei bloßer Anhäufung ein- zelner Thatſachen bleiben, ſo muß auch jedes Mal das Ziel feſtgeſtellt werden, zu welchem die inductive Forſchung hinführen ſoll. Nägeli hob es ausdrücklich hervor, daß Thatſachen und Beobachtungen nur unter dieſer Bedingung einen wiſſenſchaftlichen Werth haben, daß nur die Einordnung jedes einzelnen durch Induction gewonnenen Begriffes in das Syſtem des ganzen übrigen Wiſſens einen Werth habe. — Viel conſequenter als Schleiden und im ſtrengſten Gegenſatz zur idealiſtiſchen Schule, ganz dem nominaliſtiſchen Standpunct ächter Naturforſchung entſprechend, ging Nägeli vor Allem darauf aus, aus den beobachteten Erſcheinungen nicht nur Begriffe abzuleiten, dieſe zu claſſificiren, ihre Subordination feſtzuſtellen, ſondern dieſe Begriffe nur als ſubjective Producte des Verſtandes zu behan- deln, ſie als Werkzeuge des Denkens und der Mittheilung zu benutzen; bereit dieſelben zu ändern, ſobald die inductive Forſchung eine Aenderung nöthig macht. So lange das aber nicht der Fall iſt, wird der einmal aufgeſtellte Begriff, der ſich mit einem Wort verbindet, ſtreng feſtgehalten, jede willkürliche Aenderung oder Verwechslung mit einem anderen ſtreng verpönt. Da in der Natur Alles Bewegung, jede Erſcheinung eine fließende iſt, was ſpeciell im organiſchen Leben als Entwicklungsgeſchichte ſich darſtellt, ſo muß bei der wiſſenſchaftlichen Begriffsbildung auf
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[208/0220]
Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
welchem Andere weiterbauen und eine reiche Literatur ſich ent-
wickeln konnte.
Auch Nägeli empfand das Bedürfniß, vor Allem ſich über
die philoſophiſchen Grundlagen der Naturforſchung zu orientiren,
für ihn indeſſen handelte es ſich nicht mehr darum, die inductive
Methode im Allgemeinen und im Gegenſatz zur Dogmatik der
idealiſtiſchen Schule zu betonen; er ging vielmehr ſogleich darauf
aus, die Geſetze der Induction auf die allgemeinſten Fragen der
organiſchen Natur, ſpeciell der Vegetation anzuwenden. Es iſt
leicht geſagt, die Naturwiſſenſchaft müſſe allein, auf genaue Er-
fahrung geſtützt, Begriffe und Naturgeſetze ableiten; ſowie man
es verſucht, dieſer Forderung zu genügen, machen ſich unzählige
Bedenken geltend; denn ſoll es nicht bei bloßer Anhäufung ein-
zelner Thatſachen bleiben, ſo muß auch jedes Mal das Ziel
feſtgeſtellt werden, zu welchem die inductive Forſchung hinführen
ſoll. Nägeli hob es ausdrücklich hervor, daß Thatſachen und
Beobachtungen nur unter dieſer Bedingung einen wiſſenſchaftlichen
Werth haben, daß nur die Einordnung jedes einzelnen durch
Induction gewonnenen Begriffes in das Syſtem des ganzen
übrigen Wiſſens einen Werth habe. — Viel conſequenter als
Schleiden und im ſtrengſten Gegenſatz zur idealiſtiſchen Schule,
ganz dem nominaliſtiſchen Standpunct ächter Naturforſchung
entſprechend, ging Nägeli vor Allem darauf aus, aus den
beobachteten Erſcheinungen nicht nur Begriffe abzuleiten, dieſe
zu claſſificiren, ihre Subordination feſtzuſtellen, ſondern dieſe
Begriffe nur als ſubjective Producte des Verſtandes zu behan-
deln, ſie als Werkzeuge des Denkens und der Mittheilung zu
benutzen; bereit dieſelben zu ändern, ſobald die inductive Forſchung
eine Aenderung nöthig macht. So lange das aber nicht der
Fall iſt, wird der einmal aufgeſtellte Begriff, der ſich mit einem
Wort verbindet, ſtreng feſtgehalten, jede willkürliche Aenderung
oder Verwechslung mit einem anderen ſtreng verpönt. Da in
der Natur Alles Bewegung, jede Erſcheinung eine fließende iſt,
was ſpeciell im organiſchen Leben als Entwicklungsgeſchichte ſich
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/220>, abgerufen am 25.11.2024.
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