Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Morphologie und Systematik unter dem Einfluß der
so ein grundlegendes Werk schuf, gleich ausgezeichnet durch die
Sicherheit der Beobachtung, einfache, vorurtheilsfreie Deutung
des Gesehenen, wie durch die Schönheit und den Reichthum der
Abbildungen, ein Werk, welches von Jahr zu Jahr für die Mor-
phologie der Blüthe wichtiger geworden ist.

Es gehört ferner zu den Verdiensten von Schleiden's
Grundzügen, daß hier zum ersten Mal auch dem Studirenden in
einem Lehrbuch wirklich gute, auf sorgfältige Untersuchungen
begründete Abbildungen dargeboten wurden.

Bei all den zahlreichen Mängeln, welche sich an Schlei-
den's Grundzügen leicht auffinden lassen, kann doch ein Vorzug
dieses Buches gar nicht hoch genug angeschlagen werden: es war
mit Einem Schlage durch das Erscheinen desselben die Botanik
als eine Naturwissenschaft im neueren Sinn dargestellt und die
ganze Botanik sofort auf eine viel höhere Stufe gestellt, der
Gesichtskreis erweitert, weil von höherem Standpunct aus über-
blickt. Die Botanik erschien auf einmal als eine Wissenschaft
mit reichem Inhalt; abgesehen davon, daß Schleiden sehr
Vieles selbst untersucht hatte und neue Theorieen aufstellte, wies
er überall auf das schon Vorhandene, Bedeutende hin; denn es
genügt gar nicht in der Literatur, daß es ausgezeichnete Forscher
gibt; es ist ebenso nöthig, daß das wissenschaftliche Publicum,
besonders der Nachwuchs an jungen Fachmännern, darauf hin-
gewiesen und hinreichend belehrt wird, wirklich gute Leistungen
von unbedeutenden zu unterscheiden; es muß hier ausdrücklich
ausgesprochen werden, daß, wenn auch Schleiden's Zellbil-
dungstheorie, sein unbegreiflicher Irrthum in der Embryologie
der Phanerogamen u. dergl. sehr bald als ganz unhaltbar sich
erwiesen, davon doch keineswegs die große historische Bedeutung
berührt wird, welche Schleiden's Schriften in dem oben an-
gegebenen Sinn in der That besitzen.

Wie lebhaft sich im Beginn der vierziger Jahre auch bei
Anderen das Bewußtsein regte, daß die Botanik fortan mit der
alten behaglichen Gedankenlosigkeit brechen müsse, tritt unter
Anderem auch darin hervor, daß neben der alten Zeitschrift

Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
ſo ein grundlegendes Werk ſchuf, gleich ausgezeichnet durch die
Sicherheit der Beobachtung, einfache, vorurtheilsfreie Deutung
des Geſehenen, wie durch die Schönheit und den Reichthum der
Abbildungen, ein Werk, welches von Jahr zu Jahr für die Mor-
phologie der Blüthe wichtiger geworden iſt.

Es gehört ferner zu den Verdienſten von Schleiden's
Grundzügen, daß hier zum erſten Mal auch dem Studirenden in
einem Lehrbuch wirklich gute, auf ſorgfältige Unterſuchungen
begründete Abbildungen dargeboten wurden.

Bei all den zahlreichen Mängeln, welche ſich an Schlei-
den's Grundzügen leicht auffinden laſſen, kann doch ein Vorzug
dieſes Buches gar nicht hoch genug angeſchlagen werden: es war
mit Einem Schlage durch das Erſcheinen desſelben die Botanik
als eine Naturwiſſenſchaft im neueren Sinn dargeſtellt und die
ganze Botanik ſofort auf eine viel höhere Stufe geſtellt, der
Geſichtskreis erweitert, weil von höherem Standpunct aus über-
blickt. Die Botanik erſchien auf einmal als eine Wiſſenſchaft
mit reichem Inhalt; abgeſehen davon, daß Schleiden ſehr
Vieles ſelbſt unterſucht hatte und neue Theorieen aufſtellte, wies
er überall auf das ſchon Vorhandene, Bedeutende hin; denn es
genügt gar nicht in der Literatur, daß es ausgezeichnete Forſcher
gibt; es iſt ebenſo nöthig, daß das wiſſenſchaftliche Publicum,
beſonders der Nachwuchs an jungen Fachmännern, darauf hin-
gewieſen und hinreichend belehrt wird, wirklich gute Leiſtungen
von unbedeutenden zu unterſcheiden; es muß hier ausdrücklich
ausgeſprochen werden, daß, wenn auch Schleiden's Zellbil-
dungstheorie, ſein unbegreiflicher Irrthum in der Embryologie
der Phanerogamen u. dergl. ſehr bald als ganz unhaltbar ſich
erwieſen, davon doch keineswegs die große hiſtoriſche Bedeutung
berührt wird, welche Schleiden's Schriften in dem oben an-
gegebenen Sinn in der That beſitzen.

Wie lebhaft ſich im Beginn der vierziger Jahre auch bei
Anderen das Bewußtſein regte, daß die Botanik fortan mit der
alten behaglichen Gedankenloſigkeit brechen müſſe, tritt unter
Anderem auch darin hervor, daß neben der alten Zeitſchrift

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0218" n="206"/><fw place="top" type="header">Morphologie und Sy&#x017F;tematik unter dem Einfluß der</fw><lb/>
&#x017F;o ein grundlegendes Werk &#x017F;chuf, gleich ausgezeichnet durch die<lb/>
Sicherheit der Beobachtung, einfache, vorurtheilsfreie Deutung<lb/>
des Ge&#x017F;ehenen, wie durch die Schönheit und den Reichthum der<lb/>
Abbildungen, ein Werk, welches von Jahr zu Jahr für die Mor-<lb/>
phologie der Blüthe wichtiger geworden i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Es gehört ferner zu den Verdien&#x017F;ten von <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s<lb/>
Grundzügen, daß hier zum er&#x017F;ten Mal auch dem Studirenden in<lb/>
einem Lehrbuch wirklich gute, auf &#x017F;orgfältige Unter&#x017F;uchungen<lb/>
begründete Abbildungen dargeboten wurden.</p><lb/>
          <p>Bei all den zahlreichen Mängeln, welche &#x017F;ich an <hi rendition="#g">Schlei</hi>-<lb/><hi rendition="#g">den</hi>'s Grundzügen leicht auffinden la&#x017F;&#x017F;en, kann doch ein Vorzug<lb/>
die&#x017F;es Buches gar nicht hoch genug ange&#x017F;chlagen werden: es war<lb/>
mit Einem Schlage durch das Er&#x017F;cheinen des&#x017F;elben die Botanik<lb/>
als eine Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft im neueren Sinn darge&#x017F;tellt und die<lb/>
ganze Botanik &#x017F;ofort auf eine viel höhere Stufe ge&#x017F;tellt, der<lb/>
Ge&#x017F;ichtskreis erweitert, weil von höherem Standpunct aus über-<lb/>
blickt. Die Botanik er&#x017F;chien auf einmal als eine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
mit reichem Inhalt; abge&#x017F;ehen davon, daß <hi rendition="#g">Schleiden</hi> &#x017F;ehr<lb/>
Vieles &#x017F;elb&#x017F;t unter&#x017F;ucht hatte und neue Theorieen auf&#x017F;tellte, wies<lb/>
er überall auf das &#x017F;chon Vorhandene, Bedeutende hin; denn es<lb/>
genügt gar nicht in der Literatur, daß es ausgezeichnete For&#x017F;cher<lb/>
gibt; es i&#x017F;t eben&#x017F;o nöthig, daß das wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Publicum,<lb/>
be&#x017F;onders der Nachwuchs an jungen Fachmännern, darauf hin-<lb/>
gewie&#x017F;en und hinreichend belehrt wird, wirklich gute Lei&#x017F;tungen<lb/>
von unbedeutenden zu unter&#x017F;cheiden; es muß hier ausdrücklich<lb/>
ausge&#x017F;prochen werden, daß, wenn auch <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s Zellbil-<lb/>
dungstheorie, &#x017F;ein unbegreiflicher Irrthum in der Embryologie<lb/>
der Phanerogamen u. dergl. &#x017F;ehr bald als ganz unhaltbar &#x017F;ich<lb/>
erwie&#x017F;en, davon doch keineswegs die große hi&#x017F;tori&#x017F;che Bedeutung<lb/>
berührt wird, welche <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s Schriften in dem oben an-<lb/>
gegebenen Sinn in der That be&#x017F;itzen.</p><lb/>
          <p>Wie lebhaft &#x017F;ich im Beginn der vierziger Jahre auch bei<lb/>
Anderen das Bewußt&#x017F;ein regte, daß die Botanik fortan mit der<lb/>
alten behaglichen Gedankenlo&#x017F;igkeit brechen mü&#x017F;&#x017F;e, tritt unter<lb/>
Anderem auch darin hervor, daß neben der alten Zeit&#x017F;chrift<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0218] Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der ſo ein grundlegendes Werk ſchuf, gleich ausgezeichnet durch die Sicherheit der Beobachtung, einfache, vorurtheilsfreie Deutung des Geſehenen, wie durch die Schönheit und den Reichthum der Abbildungen, ein Werk, welches von Jahr zu Jahr für die Mor- phologie der Blüthe wichtiger geworden iſt. Es gehört ferner zu den Verdienſten von Schleiden's Grundzügen, daß hier zum erſten Mal auch dem Studirenden in einem Lehrbuch wirklich gute, auf ſorgfältige Unterſuchungen begründete Abbildungen dargeboten wurden. Bei all den zahlreichen Mängeln, welche ſich an Schlei- den's Grundzügen leicht auffinden laſſen, kann doch ein Vorzug dieſes Buches gar nicht hoch genug angeſchlagen werden: es war mit Einem Schlage durch das Erſcheinen desſelben die Botanik als eine Naturwiſſenſchaft im neueren Sinn dargeſtellt und die ganze Botanik ſofort auf eine viel höhere Stufe geſtellt, der Geſichtskreis erweitert, weil von höherem Standpunct aus über- blickt. Die Botanik erſchien auf einmal als eine Wiſſenſchaft mit reichem Inhalt; abgeſehen davon, daß Schleiden ſehr Vieles ſelbſt unterſucht hatte und neue Theorieen aufſtellte, wies er überall auf das ſchon Vorhandene, Bedeutende hin; denn es genügt gar nicht in der Literatur, daß es ausgezeichnete Forſcher gibt; es iſt ebenſo nöthig, daß das wiſſenſchaftliche Publicum, beſonders der Nachwuchs an jungen Fachmännern, darauf hin- gewieſen und hinreichend belehrt wird, wirklich gute Leiſtungen von unbedeutenden zu unterſcheiden; es muß hier ausdrücklich ausgeſprochen werden, daß, wenn auch Schleiden's Zellbil- dungstheorie, ſein unbegreiflicher Irrthum in der Embryologie der Phanerogamen u. dergl. ſehr bald als ganz unhaltbar ſich erwieſen, davon doch keineswegs die große hiſtoriſche Bedeutung berührt wird, welche Schleiden's Schriften in dem oben an- gegebenen Sinn in der That beſitzen. Wie lebhaft ſich im Beginn der vierziger Jahre auch bei Anderen das Bewußtſein regte, daß die Botanik fortan mit der alten behaglichen Gedankenloſigkeit brechen müſſe, tritt unter Anderem auch darin hervor, daß neben der alten Zeitſchrift

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/218
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/218>, abgerufen am 04.05.2024.