zu den die Methode berührenden Verdiensten Schleiden's auch seine Behandlung des natürlichen Systems nicht etwa, weil seine Eintheilung des Pflanzenreiches etwas besonderes Ansprechen- des darböte oder neue Verwandtschaftsverhältnisse zu Tage gefördert hätte, sondern weil hier zum ersten Mal der Versuch gemacht wurde, die Hauptabtheilungen des Pflanzenreichs aus- führlich morphologisch und entwicklungsgeschichtlich zu charakterisiren und weil dabei von vornherein die Eigenartigkeit der Kryptoga- men den Phanerogamen gegenüber in den Vordergrund trat; die alte Art, die Morphologie so zu behandeln, als ob es bloß Phanerogamen auf der Welt gebe und dann bei den Krypto- gamen mit nichtssagenden Negationen sich zu behelfen, war damit beseitigt und gerade für die nächste Zukunft sehr viel gewonnen, da diese ihre Thätigkeit besonders den Kryptogamen widmete.
Uebrigens gelang es Schleiden noch nicht, einen sicheren Boden für die entwicklungsgeschichtliche Morphologie der Krypto- gamen zu gewinnen; desto erfolgreicher aber waren seine Be- mühungen um die Morphologie der Phanerogamen; seine Theorie der Blüthe und Frucht ist für ihre Zeit eine ausgezeichnete Leistung, auch wenn man, wie selbstverständlich, seine Ansicht von der Stengelnatur der Placenten und manches Andere auf- giebt. Wie Robert Brown die Entwicklungsgeschichte der Samenknospe, so gründete Schleiden zuerst die der Blüthe und sein Vorgang wirkte sehr anregend; bald wurden Unter- suchungen über die Genesis der Blüthen eine der Hauptbeschäf- tigungen der Morphologen und die Fruchtbarkeit der Entwick- lungsgeschichte erwies sich für die Systematik der Phanerogamen als sehr werthvoll, zumal wenn man dabei die Entwicklungsfolge der Organe eines und desselben Blüthenkreises, den Abortus, die Verdoppelung, die Verzweigung (der Staubfäden) u. s. w. genauer in's Auge faßte. Duchartre, Wigand, Gelesnoff u. v. a. arbeiteten bald darauf in dieser Richtung mit bestem Erfolg; vor Allen verdient aber Payer hervorgehoben zu werden, der mit enormer Ausdauer alle wichtigeren Familien auf ihre Blüthen- entwicklung untersuchte (Organogenie de la fleur 1857) und
Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.
zu den die Methode berührenden Verdienſten Schleiden's auch ſeine Behandlung des natürlichen Syſtems nicht etwa, weil ſeine Eintheilung des Pflanzenreiches etwas beſonderes Anſprechen- des darböte oder neue Verwandtſchaftsverhältniſſe zu Tage gefördert hätte, ſondern weil hier zum erſten Mal der Verſuch gemacht wurde, die Hauptabtheilungen des Pflanzenreichs aus- führlich morphologiſch und entwicklungsgeſchichtlich zu charakteriſiren und weil dabei von vornherein die Eigenartigkeit der Kryptoga- men den Phanerogamen gegenüber in den Vordergrund trat; die alte Art, die Morphologie ſo zu behandeln, als ob es bloß Phanerogamen auf der Welt gebe und dann bei den Krypto- gamen mit nichtsſagenden Negationen ſich zu behelfen, war damit beſeitigt und gerade für die nächſte Zukunft ſehr viel gewonnen, da dieſe ihre Thätigkeit beſonders den Kryptogamen widmete.
Uebrigens gelang es Schleiden noch nicht, einen ſicheren Boden für die entwicklungsgeſchichtliche Morphologie der Krypto- gamen zu gewinnen; deſto erfolgreicher aber waren ſeine Be- mühungen um die Morphologie der Phanerogamen; ſeine Theorie der Blüthe und Frucht iſt für ihre Zeit eine ausgezeichnete Leiſtung, auch wenn man, wie ſelbſtverſtändlich, ſeine Anſicht von der Stengelnatur der Placenten und manches Andere auf- giebt. Wie Robert Brown die Entwicklungsgeſchichte der Samenknoſpe, ſo gründete Schleiden zuerſt die der Blüthe und ſein Vorgang wirkte ſehr anregend; bald wurden Unter- ſuchungen über die Geneſis der Blüthen eine der Hauptbeſchäf- tigungen der Morphologen und die Fruchtbarkeit der Entwick- lungsgeſchichte erwies ſich für die Syſtematik der Phanerogamen als ſehr werthvoll, zumal wenn man dabei die Entwicklungsfolge der Organe eines und desſelben Blüthenkreiſes, den Abortus, die Verdoppelung, die Verzweigung (der Staubfäden) u. ſ. w. genauer in's Auge faßte. Duchartre, Wigand, Gelesnoff u. v. a. arbeiteten bald darauf in dieſer Richtung mit beſtem Erfolg; vor Allen verdient aber Payer hervorgehoben zu werden, der mit enormer Ausdauer alle wichtigeren Familien auf ihre Blüthen- entwicklung unterſuchte (Organogénie de la fleur 1857) und
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Entwicklungsgeſchichte und Kryptogamenkunde.
zu den die Methode berührenden Verdienſten Schleiden's auch
ſeine Behandlung des natürlichen Syſtems nicht etwa, weil
ſeine Eintheilung des Pflanzenreiches etwas beſonderes Anſprechen-
des darböte oder neue Verwandtſchaftsverhältniſſe zu Tage
gefördert hätte, ſondern weil hier zum erſten Mal der Verſuch
gemacht wurde, die Hauptabtheilungen des Pflanzenreichs aus-
führlich morphologiſch und entwicklungsgeſchichtlich zu charakteriſiren
und weil dabei von vornherein die Eigenartigkeit der Kryptoga-
men den Phanerogamen gegenüber in den Vordergrund trat;
die alte Art, die Morphologie ſo zu behandeln, als ob es bloß
Phanerogamen auf der Welt gebe und dann bei den Krypto-
gamen mit nichtsſagenden Negationen ſich zu behelfen, war damit
beſeitigt und gerade für die nächſte Zukunft ſehr viel gewonnen,
da dieſe ihre Thätigkeit beſonders den Kryptogamen widmete.
Uebrigens gelang es Schleiden noch nicht, einen ſicheren
Boden für die entwicklungsgeſchichtliche Morphologie der Krypto-
gamen zu gewinnen; deſto erfolgreicher aber waren ſeine Be-
mühungen um die Morphologie der Phanerogamen; ſeine Theorie
der Blüthe und Frucht iſt für ihre Zeit eine ausgezeichnete
Leiſtung, auch wenn man, wie ſelbſtverſtändlich, ſeine Anſicht
von der Stengelnatur der Placenten und manches Andere auf-
giebt. Wie Robert Brown die Entwicklungsgeſchichte der
Samenknoſpe, ſo gründete Schleiden zuerſt die der Blüthe
und ſein Vorgang wirkte ſehr anregend; bald wurden Unter-
ſuchungen über die Geneſis der Blüthen eine der Hauptbeſchäf-
tigungen der Morphologen und die Fruchtbarkeit der Entwick-
lungsgeſchichte erwies ſich für die Syſtematik der Phanerogamen
als ſehr werthvoll, zumal wenn man dabei die Entwicklungsfolge
der Organe eines und desſelben Blüthenkreiſes, den Abortus, die
Verdoppelung, die Verzweigung (der Staubfäden) u. ſ. w. genauer
in's Auge faßte. Duchartre, Wigand, Gelesnoff u. v. a.
arbeiteten bald darauf in dieſer Richtung mit beſtem Erfolg; vor
Allen verdient aber Payer hervorgehoben zu werden, der mit
enormer Ausdauer alle wichtigeren Familien auf ihre Blüthen-
entwicklung unterſuchte (Organogénie de la fleur 1857) und
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/217>, abgerufen am 16.02.2025.
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