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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Die Morphologie unter dem Einfluß der
Gesetzen erklären, sei das Leben des Zaubers entkleidet worden,
der das unmittelbar Wirkende seiner Thätigkeiten zu sein schien,
die schroffe Scheidewand zwischen organischer und anorganischer
Natur gefallen. "Da die physikalischen Kräfte überall an den
Stoff gebunden scheinen und in ihrer Wirkung sich eine strenge
Gesetzmäßigkeit zeigt, so wagte man es, die Gesammtheit der
Naturerscheinungen, als Resultat ursprünglicher, mit bestimmten
Kräften nach Gesetzen blinder Nothwendigkeit zusammenwirkender
Stoffe als einen in ewigem Kreislauf sich bewegenden Natur-
mechanismus zu betrachten." Dem gegenüber könne aber das
ewig Nothwendige auch nur von Ewigkeit her erfüllt gedacht
werden und so mache jene physikalische Ansicht jedes wirkliche
Geschehen undenkbar. Zudem bleibe ferner der Zweck der Be-
wegung für die blinde Nothwendigkeitslehre ein unlösbares
Räthsel. "Die Unzulänglichkeit der sogenannten physikalischen
Naturbetrachtung gegenüber der teleologischen ist daher nament-
lich im Bereich des Organischen, wo die besonderen Lebenszwecke
überall in größter Bestimmtheit erscheinen, fühlbar." Die Be-
rechtigung dieser letzteren Bemerkung ist unbestreitbar, so lange
man entweder an der Constanz der Arten oder an einem bloß
inneren Entwicklungsgesetz derselben festhält; die Lösung des
Räthsels aber fand wenige Jahre später Darwin in der An-
nahme, daß alle zweckmäßigen Einrichtungen der Organismen
in Folge der gegenseitigen Verdrängung, Vernichtung der minder
zweckmäßigen, Erhaltung der bestausgerüsteten Varietäten zu
erklären sind. Eine andere Widerlegung oder besser Erklärung
der Teleologie im Organischen ist bisher nicht versucht worden.
Wie ich früher darauf hinwies, daß die Systematik, indem sie
die Thatsache der Verwandtschaft klarstellte, sich endlich genöthigt
sah, die Constanz der Individuen aufzugeben, um diese Thatsache
begreiflich zu finden, so sehen wir hier, wie die Auffassung der
zweckmäßigen Einrichtung der Organismen zu einem Widerspruch
gegen die Causalität überhaupt führt, wenn nicht die Annahme
gewahrt wird, daß die durch Variation entstehenden Formen nur dann
sich erhalten, wenn sie der Umgebung hinreichend angepaßt sind.

Die Morphologie unter dem Einfluß der
Geſetzen erklären, ſei das Leben des Zaubers entkleidet worden,
der das unmittelbar Wirkende ſeiner Thätigkeiten zu ſein ſchien,
die ſchroffe Scheidewand zwiſchen organiſcher und anorganiſcher
Natur gefallen. „Da die phyſikaliſchen Kräfte überall an den
Stoff gebunden ſcheinen und in ihrer Wirkung ſich eine ſtrenge
Geſetzmäßigkeit zeigt, ſo wagte man es, die Geſammtheit der
Naturerſcheinungen, als Reſultat urſprünglicher, mit beſtimmten
Kräften nach Geſetzen blinder Nothwendigkeit zuſammenwirkender
Stoffe als einen in ewigem Kreislauf ſich bewegenden Natur-
mechanismus zu betrachten.“ Dem gegenüber könne aber das
ewig Nothwendige auch nur von Ewigkeit her erfüllt gedacht
werden und ſo mache jene phyſikaliſche Anſicht jedes wirkliche
Geſchehen undenkbar. Zudem bleibe ferner der Zweck der Be-
wegung für die blinde Nothwendigkeitslehre ein unlösbares
Räthſel. „Die Unzulänglichkeit der ſogenannten phyſikaliſchen
Naturbetrachtung gegenüber der teleologiſchen iſt daher nament-
lich im Bereich des Organiſchen, wo die beſonderen Lebenszwecke
überall in größter Beſtimmtheit erſcheinen, fühlbar.“ Die Be-
rechtigung dieſer letzteren Bemerkung iſt unbeſtreitbar, ſo lange
man entweder an der Conſtanz der Arten oder an einem bloß
inneren Entwicklungsgeſetz derſelben feſthält; die Löſung des
Räthſels aber fand wenige Jahre ſpäter Darwin in der An-
nahme, daß alle zweckmäßigen Einrichtungen der Organismen
in Folge der gegenſeitigen Verdrängung, Vernichtung der minder
zweckmäßigen, Erhaltung der beſtausgerüſteten Varietäten zu
erklären ſind. Eine andere Widerlegung oder beſſer Erklärung
der Teleologie im Organiſchen iſt bisher nicht verſucht worden.
Wie ich früher darauf hinwies, daß die Syſtematik, indem ſie
die Thatſache der Verwandtſchaft klarſtellte, ſich endlich genöthigt
ſah, die Conſtanz der Individuen aufzugeben, um dieſe Thatſache
begreiflich zu finden, ſo ſehen wir hier, wie die Auffaſſung der
zweckmäßigen Einrichtung der Organismen zu einem Widerſpruch
gegen die Cauſalität überhaupt führt, wenn nicht die Annahme
gewahrt wird, daß die durch Variation entſtehenden Formen nur dann
ſich erhalten, wenn ſie der Umgebung hinreichend angepaßt ſind.

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[194/0206] Die Morphologie unter dem Einfluß der Geſetzen erklären, ſei das Leben des Zaubers entkleidet worden, der das unmittelbar Wirkende ſeiner Thätigkeiten zu ſein ſchien, die ſchroffe Scheidewand zwiſchen organiſcher und anorganiſcher Natur gefallen. „Da die phyſikaliſchen Kräfte überall an den Stoff gebunden ſcheinen und in ihrer Wirkung ſich eine ſtrenge Geſetzmäßigkeit zeigt, ſo wagte man es, die Geſammtheit der Naturerſcheinungen, als Reſultat urſprünglicher, mit beſtimmten Kräften nach Geſetzen blinder Nothwendigkeit zuſammenwirkender Stoffe als einen in ewigem Kreislauf ſich bewegenden Natur- mechanismus zu betrachten.“ Dem gegenüber könne aber das ewig Nothwendige auch nur von Ewigkeit her erfüllt gedacht werden und ſo mache jene phyſikaliſche Anſicht jedes wirkliche Geſchehen undenkbar. Zudem bleibe ferner der Zweck der Be- wegung für die blinde Nothwendigkeitslehre ein unlösbares Räthſel. „Die Unzulänglichkeit der ſogenannten phyſikaliſchen Naturbetrachtung gegenüber der teleologiſchen iſt daher nament- lich im Bereich des Organiſchen, wo die beſonderen Lebenszwecke überall in größter Beſtimmtheit erſcheinen, fühlbar.“ Die Be- rechtigung dieſer letzteren Bemerkung iſt unbeſtreitbar, ſo lange man entweder an der Conſtanz der Arten oder an einem bloß inneren Entwicklungsgeſetz derſelben feſthält; die Löſung des Räthſels aber fand wenige Jahre ſpäter Darwin in der An- nahme, daß alle zweckmäßigen Einrichtungen der Organismen in Folge der gegenſeitigen Verdrängung, Vernichtung der minder zweckmäßigen, Erhaltung der beſtausgerüſteten Varietäten zu erklären ſind. Eine andere Widerlegung oder beſſer Erklärung der Teleologie im Organiſchen iſt bisher nicht verſucht worden. Wie ich früher darauf hinwies, daß die Syſtematik, indem ſie die Thatſache der Verwandtſchaft klarſtellte, ſich endlich genöthigt ſah, die Conſtanz der Individuen aufzugeben, um dieſe Thatſache begreiflich zu finden, ſo ſehen wir hier, wie die Auffaſſung der zweckmäßigen Einrichtung der Organismen zu einem Widerſpruch gegen die Cauſalität überhaupt führt, wenn nicht die Annahme gewahrt wird, daß die durch Variation entſtehenden Formen nur dann ſich erhalten, wenn ſie der Umgebung hinreichend angepaßt ſind.

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/206>, abgerufen am 24.11.2024.