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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Bearbeitung des natürlichen Systems unter dem
längerungen membranösen Ausbreitungen nnd in der Erzeugung
trockenhäutiger oder fleischiger Theile geltend.

Die dritte Art der Abweichungen von dem Symmetrieplan
sind, wie oben erwähnt, die Verwachsungen, deren Theorie er
zunächst auf die Pfropfung gründet, um dann auf schwierigere
Fälle überzugehen; so sei die enge Nachbarschaft der Fruchtknoten
gewisser Gaisblattarten die erste Ursache der Verwachsung. Diese
beruhe deßhalb nicht auf dem Symmetrieplan, sondern auf einem
Zufall, der aber bei der specifischen Beschaffenheit derartiger Pflanzen
constant auftritt. Im Zusammenhang mit den Verwachsungs-
erscheinungen betrachtet er nun auch die Frage, ob ein aus
mehreren Theilen zusammengesetztes Gebilde, wie z. B. ein mehr-
theiliger Fruchtknoten als ursprünglich einfach und erst später
in Theile zerlegt zu denken sei oder umgekehrt, es komme eben
darauf an, durch Untersuchung zu unterscheiden, welche Auffassung
im einzelnen Fall die richtige ist. So lasse sich zeigen, daß die
sogenannten durchwachsenen Blätter der Gaisblattarten, ebenso
die Involucra mancher Umbelliferen und die sogenannten
einblättrigen Kelche und Blumenkronen durch Verwachsung ent-
standen seien und im weiteren Verfolg zeigt er nun, daß die
mehrfächerigen und mehrtheiligen Fruchtknoten ebenfalls durch
Verwachsung von zwei oder mehr Fruchtblättern sich bilden und
schließt mit dem Hinweis auf die systematische Wichtigkeit der-
artiger Betrachtungen. Weiterhin kommt er dann auf die Be-
deutung der relativen Zahl der Blüthentheile zu reden, ein
Capital, welches zwar viel Gutes enthält, aber nicht hinreichend
ausgeführt ist; denn erst durch Schimper's Blattstellungs-
lehre wurde es später möglich die Zahlen- und Stellungsverhält-
nisse in präciserer Weise auszudrücken.

Seine Regeln über die Anwendbarkeit seiner Morphologie
auf die Bestimmung der Verwandtschaftsverhältnisse schließt er
mit dem Ausspruch: die ganze Kunst der natürlichen Classifica-
tion bestehe darin, den Symmetrieplan zu erkennen und von all
den bisher besprochenen Veränderungen desselben zu abstrahiren,
ungefähr so, wie der Mineralog die Grundformen der Krystalle

Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem
längerungen membranöſen Ausbreitungen nnd in der Erzeugung
trockenhäutiger oder fleiſchiger Theile geltend.

Die dritte Art der Abweichungen von dem Symmetrieplan
ſind, wie oben erwähnt, die Verwachſungen, deren Theorie er
zunächſt auf die Pfropfung gründet, um dann auf ſchwierigere
Fälle überzugehen; ſo ſei die enge Nachbarſchaft der Fruchtknoten
gewiſſer Gaisblattarten die erſte Urſache der Verwachſung. Dieſe
beruhe deßhalb nicht auf dem Symmetrieplan, ſondern auf einem
Zufall, der aber bei der ſpecifiſchen Beſchaffenheit derartiger Pflanzen
conſtant auftritt. Im Zuſammenhang mit den Verwachſungs-
erſcheinungen betrachtet er nun auch die Frage, ob ein aus
mehreren Theilen zuſammengeſetztes Gebilde, wie z. B. ein mehr-
theiliger Fruchtknoten als urſprünglich einfach und erſt ſpäter
in Theile zerlegt zu denken ſei oder umgekehrt, es komme eben
darauf an, durch Unterſuchung zu unterſcheiden, welche Auffaſſung
im einzelnen Fall die richtige iſt. So laſſe ſich zeigen, daß die
ſogenannten durchwachſenen Blätter der Gaisblattarten, ebenſo
die Involucra mancher Umbelliferen und die ſogenannten
einblättrigen Kelche und Blumenkronen durch Verwachſung ent-
ſtanden ſeien und im weiteren Verfolg zeigt er nun, daß die
mehrfächerigen und mehrtheiligen Fruchtknoten ebenfalls durch
Verwachſung von zwei oder mehr Fruchtblättern ſich bilden und
ſchließt mit dem Hinweis auf die ſyſtematiſche Wichtigkeit der-
artiger Betrachtungen. Weiterhin kommt er dann auf die Be-
deutung der relativen Zahl der Blüthentheile zu reden, ein
Capital, welches zwar viel Gutes enthält, aber nicht hinreichend
ausgeführt iſt; denn erſt durch Schimper's Blattſtellungs-
lehre wurde es ſpäter möglich die Zahlen- und Stellungsverhält-
niſſe in präciſerer Weiſe auszudrücken.

Seine Regeln über die Anwendbarkeit ſeiner Morphologie
auf die Beſtimmung der Verwandtſchaftsverhältniſſe ſchließt er
mit dem Ausſpruch: die ganze Kunſt der natürlichen Claſſifica-
tion beſtehe darin, den Symmetrieplan zu erkennen und von all
den bisher beſprochenen Veränderungen desſelben zu abſtrahiren,
ungefähr ſo, wie der Mineralog die Grundformen der Kryſtalle

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[144/0156] Bearbeitung des natürlichen Syſtems unter dem längerungen membranöſen Ausbreitungen nnd in der Erzeugung trockenhäutiger oder fleiſchiger Theile geltend. Die dritte Art der Abweichungen von dem Symmetrieplan ſind, wie oben erwähnt, die Verwachſungen, deren Theorie er zunächſt auf die Pfropfung gründet, um dann auf ſchwierigere Fälle überzugehen; ſo ſei die enge Nachbarſchaft der Fruchtknoten gewiſſer Gaisblattarten die erſte Urſache der Verwachſung. Dieſe beruhe deßhalb nicht auf dem Symmetrieplan, ſondern auf einem Zufall, der aber bei der ſpecifiſchen Beſchaffenheit derartiger Pflanzen conſtant auftritt. Im Zuſammenhang mit den Verwachſungs- erſcheinungen betrachtet er nun auch die Frage, ob ein aus mehreren Theilen zuſammengeſetztes Gebilde, wie z. B. ein mehr- theiliger Fruchtknoten als urſprünglich einfach und erſt ſpäter in Theile zerlegt zu denken ſei oder umgekehrt, es komme eben darauf an, durch Unterſuchung zu unterſcheiden, welche Auffaſſung im einzelnen Fall die richtige iſt. So laſſe ſich zeigen, daß die ſogenannten durchwachſenen Blätter der Gaisblattarten, ebenſo die Involucra mancher Umbelliferen und die ſogenannten einblättrigen Kelche und Blumenkronen durch Verwachſung ent- ſtanden ſeien und im weiteren Verfolg zeigt er nun, daß die mehrfächerigen und mehrtheiligen Fruchtknoten ebenfalls durch Verwachſung von zwei oder mehr Fruchtblättern ſich bilden und ſchließt mit dem Hinweis auf die ſyſtematiſche Wichtigkeit der- artiger Betrachtungen. Weiterhin kommt er dann auf die Be- deutung der relativen Zahl der Blüthentheile zu reden, ein Capital, welches zwar viel Gutes enthält, aber nicht hinreichend ausgeführt iſt; denn erſt durch Schimper's Blattſtellungs- lehre wurde es ſpäter möglich die Zahlen- und Stellungsverhält- niſſe in präciſerer Weiſe auszudrücken. Seine Regeln über die Anwendbarkeit ſeiner Morphologie auf die Beſtimmung der Verwandtſchaftsverhältniſſe ſchließt er mit dem Ausſpruch: die ganze Kunſt der natürlichen Claſſifica- tion beſtehe darin, den Symmetrieplan zu erkennen und von all den bisher beſprochenen Veränderungen desſelben zu abſtrahiren, ungefähr ſo, wie der Mineralog die Grundformen der Kryſtalle

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/156>, abgerufen am 07.05.2024.