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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Dogma von der Constanz der Arten.
der Thatsache hervor, daß er nach einzelnen Merkmalen nicht
weniger als 65 verschiedene künstliche Systeme aufstellte, in der
Voraussetzung, daß auf diese Weise die natürlichen Verwandt-
schaften als Schlußeffekt sich von selbst ergeben müßten, was
um so überflüssiger war, als die Betrachtung der seit Caesal-
pin aufgestellten Systeme die Nutzlosigkeit eines solchen Verfahrens
ohnehin darthun mußte.

Die erste große Förderung erfuhr das natürliche System
durch Antoine Laurent de Jussieu 1) (1748-1836). Daß
er so wenig wie sein Onkel das natürliche System erfun-
den oder begründet habe, bedarf nach allem bisher in unserer
Geschichte Gesagten keines weiteren Beweises. Sein wirkliches
Verdienst aber besteht darin, daß er zuerst die kleineren Gruppen
desselben, welche wir nach jetzigem Sprachgebrauch als Familien
bezeichnen würden, die er jedoch Ordnungen nannte, mit Diagnosen
versah. Es ist nicht uninteressant, hier zu beachten, wie Casp.
Bauhin zuerst die Species zwar mit Diagnosen versah, die
Gattungen benannte, aber nicht charakterisirte, wie dann Tourne-
fort die Gattungen mit Merkmalen umgrenzte, wie Linne
nun zunächst die Gattungen gruppirte und die Gruppen einfach
benannte, ohne sie durch Merkmale zu charakterisiren und wie
nun endlich Antoine Laurent de Jussieu zu den der
Hauptsache nach erkannten Familien die charakteristischen Diag-
nosen hinzufügte. So lernte man nach und nach aus ähnlichen
Formen die gemeinsamen Merkmale abstrahiren und immer
größer wurden die Formenkreise, deren gemeinschaftliche Merkmale
herauszuheben gelang, es vollzog sich so ein inductiver Prozeß,
vom Einzelnen zum Allgemeineren fortschreitend.

1) A. L. de Jussieu, zu Lyon geboren kam 1765 zu seinem Onkel
Bernard nach Paris. -- 1790 wurde er Mitglied der Municipalität
und bis 1792 mit der Verwaltung der Hospitäler beauftragt. Als 1802
die Annales du Museum ins Leben traten, nahm er seine botanischen
Arbeiten wieder auf. Seit 1826 trat sein Sohn Adrien d. J. an seine
Stelle am Museum ein. (Vergl. seine biogr. von Brongniart in Ann.
des sc. nat. T. VII.
1837.)

Dogma von der Conſtanz der Arten.
der Thatſache hervor, daß er nach einzelnen Merkmalen nicht
weniger als 65 verſchiedene künſtliche Syſteme aufſtellte, in der
Vorausſetzung, daß auf dieſe Weiſe die natürlichen Verwandt-
ſchaften als Schlußeffekt ſich von ſelbſt ergeben müßten, was
um ſo überflüſſiger war, als die Betrachtung der ſeit Caeſal-
pin aufgeſtellten Syſteme die Nutzloſigkeit eines ſolchen Verfahrens
ohnehin darthun mußte.

Die erſte große Förderung erfuhr das natürliche Syſtem
durch Antoine Laurent de Juſſieu 1) (1748-1836). Daß
er ſo wenig wie ſein Onkel das natürliche Syſtem erfun-
den oder begründet habe, bedarf nach allem bisher in unſerer
Geſchichte Geſagten keines weiteren Beweiſes. Sein wirkliches
Verdienſt aber beſteht darin, daß er zuerſt die kleineren Gruppen
desſelben, welche wir nach jetzigem Sprachgebrauch als Familien
bezeichnen würden, die er jedoch Ordnungen nannte, mit Diagnoſen
verſah. Es iſt nicht unintereſſant, hier zu beachten, wie Casp.
Bauhin zuerſt die Species zwar mit Diagnoſen verſah, die
Gattungen benannte, aber nicht charakteriſirte, wie dann Tourne-
fort die Gattungen mit Merkmalen umgrenzte, wie Linné
nun zunächſt die Gattungen gruppirte und die Gruppen einfach
benannte, ohne ſie durch Merkmale zu charakteriſiren und wie
nun endlich Antoine Laurent de Juſſieu zu den der
Hauptſache nach erkannten Familien die charakteriſtiſchen Diag-
noſen hinzufügte. So lernte man nach und nach aus ähnlichen
Formen die gemeinſamen Merkmale abſtrahiren und immer
größer wurden die Formenkreiſe, deren gemeinſchaftliche Merkmale
herauszuheben gelang, es vollzog ſich ſo ein inductiver Prozeß,
vom Einzelnen zum Allgemeineren fortſchreitend.

1) A. L. de Juſſieu, zu Lyon geboren kam 1765 zu ſeinem Onkel
Bernard nach Paris. — 1790 wurde er Mitglied der Municipalität
und bis 1792 mit der Verwaltung der Hoſpitäler beauftragt. Als 1802
die Annales du Museum ins Leben traten, nahm er ſeine botaniſchen
Arbeiten wieder auf. Seit 1826 trat ſein Sohn Adrien d. J. an ſeine
Stelle am Muſeum ein. (Vergl. ſeine biogr. von Brongniart in Ann.
des sc. nat. T. VII.
1837.)
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[125/0137] Dogma von der Conſtanz der Arten. der Thatſache hervor, daß er nach einzelnen Merkmalen nicht weniger als 65 verſchiedene künſtliche Syſteme aufſtellte, in der Vorausſetzung, daß auf dieſe Weiſe die natürlichen Verwandt- ſchaften als Schlußeffekt ſich von ſelbſt ergeben müßten, was um ſo überflüſſiger war, als die Betrachtung der ſeit Caeſal- pin aufgeſtellten Syſteme die Nutzloſigkeit eines ſolchen Verfahrens ohnehin darthun mußte. Die erſte große Förderung erfuhr das natürliche Syſtem durch Antoine Laurent de Juſſieu 1) (1748-1836). Daß er ſo wenig wie ſein Onkel das natürliche Syſtem erfun- den oder begründet habe, bedarf nach allem bisher in unſerer Geſchichte Geſagten keines weiteren Beweiſes. Sein wirkliches Verdienſt aber beſteht darin, daß er zuerſt die kleineren Gruppen desſelben, welche wir nach jetzigem Sprachgebrauch als Familien bezeichnen würden, die er jedoch Ordnungen nannte, mit Diagnoſen verſah. Es iſt nicht unintereſſant, hier zu beachten, wie Casp. Bauhin zuerſt die Species zwar mit Diagnoſen verſah, die Gattungen benannte, aber nicht charakteriſirte, wie dann Tourne- fort die Gattungen mit Merkmalen umgrenzte, wie Linné nun zunächſt die Gattungen gruppirte und die Gruppen einfach benannte, ohne ſie durch Merkmale zu charakteriſiren und wie nun endlich Antoine Laurent de Juſſieu zu den der Hauptſache nach erkannten Familien die charakteriſtiſchen Diag- noſen hinzufügte. So lernte man nach und nach aus ähnlichen Formen die gemeinſamen Merkmale abſtrahiren und immer größer wurden die Formenkreiſe, deren gemeinſchaftliche Merkmale herauszuheben gelang, es vollzog ſich ſo ein inductiver Prozeß, vom Einzelnen zum Allgemeineren fortſchreitend. 1) A. L. de Juſſieu, zu Lyon geboren kam 1765 zu ſeinem Onkel Bernard nach Paris. — 1790 wurde er Mitglied der Municipalität und bis 1792 mit der Verwaltung der Hoſpitäler beauftragt. Als 1802 die Annales du Museum ins Leben traten, nahm er ſeine botaniſchen Arbeiten wieder auf. Seit 1826 trat ſein Sohn Adrien d. J. an ſeine Stelle am Muſeum ein. (Vergl. ſeine biogr. von Brongniart in Ann. des sc. nat. T. VII. 1837.)

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/137>, abgerufen am 03.12.2024.