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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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die künstlichen Systeme und die Nomenclatur
geschärfter Kürze in einem Minimum von Worten dem Leser in
numerirten Sätzen vorführt. Diese eigenthümliche stylistische Form,
die er auch in der Philosophia streng durchführt, hat gewiß
nicht wenig dazu beigetragen, seine zahlreichen logischen Fehler,
ganz besonders seine häufig wiederkehrenden Cirkelschlüsse der
Aufmerksamkeit der Leser zu entziehen.

Die ganze merkwürdige Mischung von dilettantenhafter
Philosophie mit jener Meisterschaft im Classificiren der Dinge
und Begriffe, dieses Gemenge von eigenthümlicher Consequenz in
seinen scholastischen Grundanschauungen, mit groben Denkfehlern
gibt seinem Styl überall etwas auffallend Originelles, was noch
dadurch erhöht wird, daß er seine Ausdrucksweise durch eine
eigenthümliche frische Unmittelbarkeit und nicht selten eine ge-
wisse Poesie belebt.

Versucht man es nun, den Fortschritt zu bezeichnen, welchen
die Wissenschaft der Thätigkeit Linne's verdankt, so sind es
zwei Verdienste, welche vor Allem hervorgehoben werden müssen;
zuerst die strenge Durchführung der binären Nomenclatur in
Verbindung mit der sorgfältigen methodischen Charakteristik der
Gattungen und Arten, die er auf das ganze damals bekannte
Pflanzenreich auszudehnen suchte, so daß durch ihn die descriptive
Botanik im engeren Sinn eine völlig neue Form gewann, eine
Form, welche nun auch bei der Begründung und dem weiteren
Ausbau des natürlichen Systems ohne jede Einschränkung be-
nutzt werden konnte und die zugleich das Vorbild für die Be-
nennung und Charakteristik der größeren Gruppen des natürlichen
Systems wurde; als später Jussieu und De Candolle die
Familien und Gruppen von Familien charakterisirten, war es
in der Hauptsache dasselbe Verfahren, wie es Linne bei der
Charakteristik der Gattungen durch Abstraction von den specifi-
schen Merkmalen eingeschlagen hatte. Dieses Verdienst Linne's
ist überall unbeschränkt anerkannt worden; weniger dagegen sein
zweites, auf welches mindestens derselbe Werth zu legen ist, das
Verdienst, zuerst erkannt zu haben, daß auf dem von Caesal-
pin und seinen Nachfolgern betretenen Wege, durch a priori

die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur
geſchärfter Kürze in einem Minimum von Worten dem Leſer in
numerirten Sätzen vorführt. Dieſe eigenthümliche ſtyliſtiſche Form,
die er auch in der Philosophia ſtreng durchführt, hat gewiß
nicht wenig dazu beigetragen, ſeine zahlreichen logiſchen Fehler,
ganz beſonders ſeine häufig wiederkehrenden Cirkelſchlüſſe der
Aufmerkſamkeit der Leſer zu entziehen.

Die ganze merkwürdige Miſchung von dilettantenhafter
Philoſophie mit jener Meiſterſchaft im Claſſificiren der Dinge
und Begriffe, dieſes Gemenge von eigenthümlicher Conſequenz in
ſeinen ſcholaſtiſchen Grundanſchauungen, mit groben Denkfehlern
gibt ſeinem Styl überall etwas auffallend Originelles, was noch
dadurch erhöht wird, daß er ſeine Ausdrucksweiſe durch eine
eigenthümliche friſche Unmittelbarkeit und nicht ſelten eine ge-
wiſſe Poeſie belebt.

Verſucht man es nun, den Fortſchritt zu bezeichnen, welchen
die Wiſſenſchaft der Thätigkeit Linné's verdankt, ſo ſind es
zwei Verdienſte, welche vor Allem hervorgehoben werden müſſen;
zuerſt die ſtrenge Durchführung der binären Nomenclatur in
Verbindung mit der ſorgfältigen methodiſchen Charakteriſtik der
Gattungen und Arten, die er auf das ganze damals bekannte
Pflanzenreich auszudehnen ſuchte, ſo daß durch ihn die deſcriptive
Botanik im engeren Sinn eine völlig neue Form gewann, eine
Form, welche nun auch bei der Begründung und dem weiteren
Ausbau des natürlichen Syſtems ohne jede Einſchränkung be-
nutzt werden konnte und die zugleich das Vorbild für die Be-
nennung und Charakteriſtik der größeren Gruppen des natürlichen
Syſtems wurde; als ſpäter Juſſieu und De Candolle die
Familien und Gruppen von Familien charakteriſirten, war es
in der Hauptſache dasſelbe Verfahren, wie es Linné bei der
Charakteriſtik der Gattungen durch Abſtraction von den ſpecifi-
ſchen Merkmalen eingeſchlagen hatte. Dieſes Verdienſt Linné's
iſt überall unbeſchränkt anerkannt worden; weniger dagegen ſein
zweites, auf welches mindeſtens derſelbe Werth zu legen iſt, das
Verdienſt, zuerſt erkannt zu haben, daß auf dem von Caeſal-
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[98/0110] die künſtlichen Syſteme und die Nomenclatur geſchärfter Kürze in einem Minimum von Worten dem Leſer in numerirten Sätzen vorführt. Dieſe eigenthümliche ſtyliſtiſche Form, die er auch in der Philosophia ſtreng durchführt, hat gewiß nicht wenig dazu beigetragen, ſeine zahlreichen logiſchen Fehler, ganz beſonders ſeine häufig wiederkehrenden Cirkelſchlüſſe der Aufmerkſamkeit der Leſer zu entziehen. Die ganze merkwürdige Miſchung von dilettantenhafter Philoſophie mit jener Meiſterſchaft im Claſſificiren der Dinge und Begriffe, dieſes Gemenge von eigenthümlicher Conſequenz in ſeinen ſcholaſtiſchen Grundanſchauungen, mit groben Denkfehlern gibt ſeinem Styl überall etwas auffallend Originelles, was noch dadurch erhöht wird, daß er ſeine Ausdrucksweiſe durch eine eigenthümliche friſche Unmittelbarkeit und nicht ſelten eine ge- wiſſe Poeſie belebt. Verſucht man es nun, den Fortſchritt zu bezeichnen, welchen die Wiſſenſchaft der Thätigkeit Linné's verdankt, ſo ſind es zwei Verdienſte, welche vor Allem hervorgehoben werden müſſen; zuerſt die ſtrenge Durchführung der binären Nomenclatur in Verbindung mit der ſorgfältigen methodiſchen Charakteriſtik der Gattungen und Arten, die er auf das ganze damals bekannte Pflanzenreich auszudehnen ſuchte, ſo daß durch ihn die deſcriptive Botanik im engeren Sinn eine völlig neue Form gewann, eine Form, welche nun auch bei der Begründung und dem weiteren Ausbau des natürlichen Syſtems ohne jede Einſchränkung be- nutzt werden konnte und die zugleich das Vorbild für die Be- nennung und Charakteriſtik der größeren Gruppen des natürlichen Syſtems wurde; als ſpäter Juſſieu und De Candolle die Familien und Gruppen von Familien charakteriſirten, war es in der Hauptſache dasſelbe Verfahren, wie es Linné bei der Charakteriſtik der Gattungen durch Abſtraction von den ſpecifi- ſchen Merkmalen eingeſchlagen hatte. Dieſes Verdienſt Linné's iſt überall unbeſchränkt anerkannt worden; weniger dagegen ſein zweites, auf welches mindeſtens derſelbe Werth zu legen iſt, das Verdienſt, zuerſt erkannt zu haben, daß auf dem von Caeſal- pin und ſeinen Nachfolgern betretenen Wege, durch a priori

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/110>, abgerufen am 25.11.2024.