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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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"Gleich von jener Bastei aus," erwiederte ich. "Aber
warum fragen Sie?" fuhr ich fort, da ich bemerkte, daß der
alte Herr und Richard einander ängstlich ansahen.

"Sie sollen es erfahren. Kommen Sie!" Und er ergriff
mich, da ich zögerte, beim Arme und eilte mit mir, während
die Andern uns auf dem Fuße folgten, nach der Bastei. Dort
stützte er sich mit beiden Händen auf die Brustwehr und sah
schweigend hinab. "Wie trüb und schlammig heute der Fluß
vorüberzieht, als verschmäh' er es, den grauen, unfreundlichen
Himmel zu spiegeln," sagte er endlich tonlos. "Es ist noch
nicht lange her, daß dort unten in einer duftigen Mondnacht
ein Kahn voll heiterer, lebensfroher Menschen vorüber fuhr.
Mein Vater, mein Freund waren darunter -- und ich und
meine Braut."

"Wozu dieses beständige Wühlen in deiner Wunde,"
fiel ihm der Vater in's Wort, während ich athemlos auf¬
horchte.

Arthur warf ihm einen beschwichtigenden Blick zu und
fuhr fort: "Wir kehrten von Podol zurück, wo wir uns unter
Scherzen, anmuthigen Spielen und frohen Wechselgesängen bis
tief in die Nacht hinein aufgehalten hatten. Alles war vom
Geiste der Laune und des Weines hold angeregt; selbst meine
sonst so stille Friedrike war heiter, beinahe übermüthig. Als
wir in diese Nähe kamen und das alte Fort mit düsteren
Umrissen still im Mondlichte aufragen sahen, rief Einer von

„Gleich von jener Baſtei aus,“ erwiederte ich. „Aber
warum fragen Sie?“ fuhr ich fort, da ich bemerkte, daß der
alte Herr und Richard einander ängſtlich anſahen.

„Sie ſollen es erfahren. Kommen Sie!“ Und er ergriff
mich, da ich zögerte, beim Arme und eilte mit mir, während
die Andern uns auf dem Fuße folgten, nach der Baſtei. Dort
ſtützte er ſich mit beiden Händen auf die Bruſtwehr und ſah
ſchweigend hinab. „Wie trüb und ſchlammig heute der Fluß
vorüberzieht, als verſchmäh' er es, den grauen, unfreundlichen
Himmel zu ſpiegeln,“ ſagte er endlich tonlos. „Es iſt noch
nicht lange her, daß dort unten in einer duftigen Mondnacht
ein Kahn voll heiterer, lebensfroher Menſchen vorüber fuhr.
Mein Vater, mein Freund waren darunter — und ich und
meine Braut.“

„Wozu dieſes beſtändige Wühlen in deiner Wunde,“
fiel ihm der Vater in's Wort, während ich athemlos auf¬
horchte.

Arthur warf ihm einen beſchwichtigenden Blick zu und
fuhr fort: „Wir kehrten von Podol zurück, wo wir uns unter
Scherzen, anmuthigen Spielen und frohen Wechſelgeſängen bis
tief in die Nacht hinein aufgehalten hatten. Alles war vom
Geiſte der Laune und des Weines hold angeregt; ſelbſt meine
ſonſt ſo ſtille Friedrike war heiter, beinahe übermüthig. Als
wir in dieſe Nähe kamen und das alte Fort mit düſteren
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[69/0085] „Gleich von jener Baſtei aus,“ erwiederte ich. „Aber warum fragen Sie?“ fuhr ich fort, da ich bemerkte, daß der alte Herr und Richard einander ängſtlich anſahen. „Sie ſollen es erfahren. Kommen Sie!“ Und er ergriff mich, da ich zögerte, beim Arme und eilte mit mir, während die Andern uns auf dem Fuße folgten, nach der Baſtei. Dort ſtützte er ſich mit beiden Händen auf die Bruſtwehr und ſah ſchweigend hinab. „Wie trüb und ſchlammig heute der Fluß vorüberzieht, als verſchmäh' er es, den grauen, unfreundlichen Himmel zu ſpiegeln,“ ſagte er endlich tonlos. „Es iſt noch nicht lange her, daß dort unten in einer duftigen Mondnacht ein Kahn voll heiterer, lebensfroher Menſchen vorüber fuhr. Mein Vater, mein Freund waren darunter — und ich und meine Braut.“ „Wozu dieſes beſtändige Wühlen in deiner Wunde,“ fiel ihm der Vater in's Wort, während ich athemlos auf¬ horchte. Arthur warf ihm einen beſchwichtigenden Blick zu und fuhr fort: „Wir kehrten von Podol zurück, wo wir uns unter Scherzen, anmuthigen Spielen und frohen Wechſelgeſängen bis tief in die Nacht hinein aufgehalten hatten. Alles war vom Geiſte der Laune und des Weines hold angeregt; ſelbſt meine ſonſt ſo ſtille Friedrike war heiter, beinahe übermüthig. Als wir in dieſe Nähe kamen und das alte Fort mit düſteren Umriſſen ſtill im Mondlichte aufragen ſahen, rief Einer von

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/85>, abgerufen am 24.11.2024.