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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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von jeher nahegelegt, so zu denken und den Blick auf die Kehr¬
seiten aller irdischen Freuden zu richten. Wie hätten Sie
auch sonst stark genug sein können, Ihr Gelübde zu tragen."
Er bemerkte nicht, wie ich im Innersten zusammenzuckte und
fuhr fort: "Ich aber war stets ein Kind des Lebens. Ich
freute mich der Blüthen, ohne zu bedenken, wie rasch sie welken
sollen, und genoß in vollen Zügen die Gaben der Stunde,
ohne mich darum zu kümmern, was die nächste mir rauben
könne. Und dann", setzte er hinzu, indem er wieder hastig
nach seinem Schmerze griff, "mich hatte, was auch finstere
Asceten dawider sagen mögen, schon die höchste Erdenseligkeit
verheißend gestreift! O, Sie wissen nicht, was es ist, eine
geliebte Braut an's Herz zu drücken!" Er sprang, von der
Erinnerung gestachelt, auf. "Diesen Boden, in dem sie jetzt
modern soll, betrat ich noch vor kurzem an ihrer Seite. Wie
reizend erschien sie mir damals in ihrer milden Schönheit und
still aufknospenden Lebensfülle! Wie weich lag ihr Arm in
dem meinen, wie lind schmiegte sich ihr Haupt an meine Schul¬
ter, als sie die verhängnißvollen, ahnungsreichen Worte sprach!
-- Sie werden vielleicht davon gehört haben?"

Ich bejahte es schweigend.

"Wie hätt' ich mir träumen lassen, daß diese Worte sich
so bald erfüllen würden!" Und wild um sich blickend, fragte
er plötzlich: "Von wo aus sieht man hier auf die Moldau
hinab?"

von jeher nahegelegt, ſo zu denken und den Blick auf die Kehr¬
ſeiten aller irdiſchen Freuden zu richten. Wie hätten Sie
auch ſonſt ſtark genug ſein können, Ihr Gelübde zu tragen.“
Er bemerkte nicht, wie ich im Innerſten zuſammenzuckte und
fuhr fort: „Ich aber war ſtets ein Kind des Lebens. Ich
freute mich der Blüthen, ohne zu bedenken, wie raſch ſie welken
ſollen, und genoß in vollen Zügen die Gaben der Stunde,
ohne mich darum zu kümmern, was die nächſte mir rauben
könne. Und dann“, ſetzte er hinzu, indem er wieder haſtig
nach ſeinem Schmerze griff, „mich hatte, was auch finſtere
Asceten dawider ſagen mögen, ſchon die höchſte Erdenſeligkeit
verheißend geſtreift! O, Sie wiſſen nicht, was es iſt, eine
geliebte Braut an's Herz zu drücken!“ Er ſprang, von der
Erinnerung geſtachelt, auf. „Dieſen Boden, in dem ſie jetzt
modern ſoll, betrat ich noch vor kurzem an ihrer Seite. Wie
reizend erſchien ſie mir damals in ihrer milden Schönheit und
ſtill aufknospenden Lebensfülle! Wie weich lag ihr Arm in
dem meinen, wie lind ſchmiegte ſich ihr Haupt an meine Schul¬
ter, als ſie die verhängnißvollen, ahnungsreichen Worte ſprach!
— Sie werden vielleicht davon gehört haben?“

Ich bejahte es ſchweigend.

„Wie hätt' ich mir träumen laſſen, daß dieſe Worte ſich
ſo bald erfüllen würden!“ Und wild um ſich blickend, fragte
er plötzlich: „Von wo aus ſieht man hier auf die Moldau
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[68/0084] von jeher nahegelegt, ſo zu denken und den Blick auf die Kehr¬ ſeiten aller irdiſchen Freuden zu richten. Wie hätten Sie auch ſonſt ſtark genug ſein können, Ihr Gelübde zu tragen.“ Er bemerkte nicht, wie ich im Innerſten zuſammenzuckte und fuhr fort: „Ich aber war ſtets ein Kind des Lebens. Ich freute mich der Blüthen, ohne zu bedenken, wie raſch ſie welken ſollen, und genoß in vollen Zügen die Gaben der Stunde, ohne mich darum zu kümmern, was die nächſte mir rauben könne. Und dann“, ſetzte er hinzu, indem er wieder haſtig nach ſeinem Schmerze griff, „mich hatte, was auch finſtere Asceten dawider ſagen mögen, ſchon die höchſte Erdenſeligkeit verheißend geſtreift! O, Sie wiſſen nicht, was es iſt, eine geliebte Braut an's Herz zu drücken!“ Er ſprang, von der Erinnerung geſtachelt, auf. „Dieſen Boden, in dem ſie jetzt modern ſoll, betrat ich noch vor kurzem an ihrer Seite. Wie reizend erſchien ſie mir damals in ihrer milden Schönheit und ſtill aufknospenden Lebensfülle! Wie weich lag ihr Arm in dem meinen, wie lind ſchmiegte ſich ihr Haupt an meine Schul¬ ter, als ſie die verhängnißvollen, ahnungsreichen Worte ſprach! — Sie werden vielleicht davon gehört haben?“ Ich bejahte es ſchweigend. „Wie hätt' ich mir träumen laſſen, daß dieſe Worte ſich ſo bald erfüllen würden!“ Und wild um ſich blickend, fragte er plötzlich: „Von wo aus ſieht man hier auf die Moldau hinab?“

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/84>, abgerufen am 24.11.2024.