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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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endlich mit Gewalt von der Leiche entfernt werden. Während
dieser erschütternden Scene stand ich abseits mit gesenktem
Haupte da. War es eine zufällige Aehnlichkeit, war es ein
Spiel meiner Phantasie -- ich glaubte Ludmilla dort im Sarge
zu sehen. Das waren dieselben fein geschnittenen Züge, war
dasselbe blonde, schlichtgescheitelte Haar, dieselbe schlanke, zart¬
busige Gestalt; nur der entstellende Hauch des Todes lag da¬
rüber und der fremdartige Prunk und Schimmer der kostbaren
Sterbegewänder. Ich verstand den Schmerz des Jünglings,
als wär' er mein eigener und doch war es wiederum nur eine
stille, süße Wehmuth, was mich durchzitterte.

Jetzt ertönten schaurig dumpf die Schläge des Hammers.
Die Träger hoben den Sarg und unter den Klängen eines
Chorals wurde die Leiche zur Einsegnung in die Carlskirche
gebracht. Von dort aus bewegte sich der Zug, dem eine lange
Wagenreihe folgte, gegen den Wyschehrad. Ein kalter Wind
jagte dabei graues, zerrissenes Gewölk mit flüchtigen Regen¬
schauern am Himmel hin und her und löschte fast die qual¬
menden Leichenfackeln aus.

Endlich waren wir auf dem Friedhofe angelangt und die
nächsten Angehörigen traten laut schluchzend an den Rand des
Grabes. Nur der Bräutigam schien schon alle seine Thränen
verweint zu haben, denn er starrte jetzt mit trockenem Auge
in die moderige Grube. Als man aber den Sarg hineinsenkte
da machte er eine Bewegung, als wollte er sich mit den dumpf

endlich mit Gewalt von der Leiche entfernt werden. Während
dieſer erſchütternden Scene ſtand ich abſeits mit geſenktem
Haupte da. War es eine zufällige Aehnlichkeit, war es ein
Spiel meiner Phantaſie — ich glaubte Ludmilla dort im Sarge
zu ſehen. Das waren dieſelben fein geſchnittenen Züge, war
daſſelbe blonde, ſchlichtgeſcheitelte Haar, dieſelbe ſchlanke, zart¬
buſige Geſtalt; nur der entſtellende Hauch des Todes lag da¬
rüber und der fremdartige Prunk und Schimmer der koſtbaren
Sterbegewänder. Ich verſtand den Schmerz des Jünglings,
als wär' er mein eigener und doch war es wiederum nur eine
ſtille, ſüße Wehmuth, was mich durchzitterte.

Jetzt ertönten ſchaurig dumpf die Schläge des Hammers.
Die Träger hoben den Sarg und unter den Klängen eines
Chorals wurde die Leiche zur Einſegnung in die Carlskirche
gebracht. Von dort aus bewegte ſich der Zug, dem eine lange
Wagenreihe folgte, gegen den Wyſchehrad. Ein kalter Wind
jagte dabei graues, zerriſſenes Gewölk mit flüchtigen Regen¬
ſchauern am Himmel hin und her und löſchte faſt die qual¬
menden Leichenfackeln aus.

Endlich waren wir auf dem Friedhofe angelangt und die
nächſten Angehörigen traten laut ſchluchzend an den Rand des
Grabes. Nur der Bräutigam ſchien ſchon alle ſeine Thränen
verweint zu haben, denn er ſtarrte jetzt mit trockenem Auge
in die moderige Grube. Als man aber den Sarg hineinſenkte
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[64/0080] endlich mit Gewalt von der Leiche entfernt werden. Während dieſer erſchütternden Scene ſtand ich abſeits mit geſenktem Haupte da. War es eine zufällige Aehnlichkeit, war es ein Spiel meiner Phantaſie — ich glaubte Ludmilla dort im Sarge zu ſehen. Das waren dieſelben fein geſchnittenen Züge, war daſſelbe blonde, ſchlichtgeſcheitelte Haar, dieſelbe ſchlanke, zart¬ buſige Geſtalt; nur der entſtellende Hauch des Todes lag da¬ rüber und der fremdartige Prunk und Schimmer der koſtbaren Sterbegewänder. Ich verſtand den Schmerz des Jünglings, als wär' er mein eigener und doch war es wiederum nur eine ſtille, ſüße Wehmuth, was mich durchzitterte. Jetzt ertönten ſchaurig dumpf die Schläge des Hammers. Die Träger hoben den Sarg und unter den Klängen eines Chorals wurde die Leiche zur Einſegnung in die Carlskirche gebracht. Von dort aus bewegte ſich der Zug, dem eine lange Wagenreihe folgte, gegen den Wyſchehrad. Ein kalter Wind jagte dabei graues, zerriſſenes Gewölk mit flüchtigen Regen¬ ſchauern am Himmel hin und her und löſchte faſt die qual¬ menden Leichenfackeln aus. Endlich waren wir auf dem Friedhofe angelangt und die nächſten Angehörigen traten laut ſchluchzend an den Rand des Grabes. Nur der Bräutigam ſchien ſchon alle ſeine Thränen verweint zu haben, denn er ſtarrte jetzt mit trockenem Auge in die moderige Grube. Als man aber den Sarg hineinſenkte da machte er eine Bewegung, als wollte er ſich mit den dumpf

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/80>, abgerufen am 24.11.2024.