den Stämmen auf- und abkletterten, krummschnäblige Papageien in den Wipfeln kreischten und Colibri gleich farbigen Funken die Luft durchschossen. Oder ich tauchte mit den plumpen, abenteuerlichen Fischungethümen zu dem zahllosen Gewimmel in den Abgründen des Meeres hinunter, sah über mir die Kiele der Schiffe wegfahren, und die Polypen still an den Riffen bauen. An schönen Ferientagen aber verließ ich schon mit dem Frühesten die Stadt und ging auf's Gerathewohl in's Land hinein, nur gelenkt durch den Flug der Schmetterlinge und Käfer, auf deren Jagd ich auszog. Dabei las ich in der Eile auf, was mir gerade an Pflanzen oder Steinen in die Augen fiel und belud mich damit. Wenn ich mich dann recht warm und müde gelaufen hatte, ruhte ich irgendwo im Schatten aus; am liebsten bei unbewegten, von Erlen und Weiden um¬ düsterten Wassern, über deren Spiegel blitzende Libellen schwirr¬ ten, zartbeinige Spinnen hintanzten, während dann und wann aus der Tiefe ein schnappender Frosch ausgluckste. --
So wuchs ich allmälig zum Jüngling heran und trat endlich, da mich meine Eltern zum geistlichen Stande bestimmt hatten, als Noviz in unseren Orden, der mich nach vollendeten Studien und zurückgelegter Probezeit als Pater aufnahm. Durch bescheidene Dienstwilligkeit und eine gewisse Unverdrossenheit des Gemüthes, hatte ich mir bald bei meinen geistlichen Vor¬ gesetzten Liebe und Zutrauen erworben; aber plötzlich wurde meinem Ansehen ein schwerer Stoß versetzt: man begann meine
den Stämmen auf- und abkletterten, krummſchnäblige Papageien in den Wipfeln kreiſchten und Colibri gleich farbigen Funken die Luft durchſchoſſen. Oder ich tauchte mit den plumpen, abenteuerlichen Fiſchungethümen zu dem zahlloſen Gewimmel in den Abgründen des Meeres hinunter, ſah über mir die Kiele der Schiffe wegfahren, und die Polypen ſtill an den Riffen bauen. An ſchönen Ferientagen aber verließ ich ſchon mit dem Früheſten die Stadt und ging auf's Gerathewohl in's Land hinein, nur gelenkt durch den Flug der Schmetterlinge und Käfer, auf deren Jagd ich auszog. Dabei las ich in der Eile auf, was mir gerade an Pflanzen oder Steinen in die Augen fiel und belud mich damit. Wenn ich mich dann recht warm und müde gelaufen hatte, ruhte ich irgendwo im Schatten aus; am liebſten bei unbewegten, von Erlen und Weiden um¬ düſterten Waſſern, über deren Spiegel blitzende Libellen ſchwirr¬ ten, zartbeinige Spinnen hintanzten, während dann und wann aus der Tiefe ein ſchnappender Froſch ausgluckſte. —
So wuchs ich allmälig zum Jüngling heran und trat endlich, da mich meine Eltern zum geiſtlichen Stande beſtimmt hatten, als Noviz in unſeren Orden, der mich nach vollendeten Studien und zurückgelegter Probezeit als Pater aufnahm. Durch beſcheidene Dienſtwilligkeit und eine gewiſſe Unverdroſſenheit des Gemüthes, hatte ich mir bald bei meinen geiſtlichen Vor¬ geſetzten Liebe und Zutrauen erworben; aber plötzlich wurde meinem Anſehen ein ſchwerer Stoß verſetzt: man begann meine
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0054"n="38"/>
den Stämmen auf- und abkletterten, krummſchnäblige Papageien<lb/>
in den Wipfeln kreiſchten und Colibri gleich farbigen Funken<lb/>
die Luft durchſchoſſen. Oder ich tauchte mit den plumpen,<lb/>
abenteuerlichen Fiſchungethümen zu dem zahlloſen Gewimmel<lb/>
in den Abgründen des Meeres hinunter, ſah über mir die<lb/>
Kiele der Schiffe wegfahren, und die Polypen ſtill an den<lb/>
Riffen bauen. An ſchönen Ferientagen aber verließ ich ſchon<lb/>
mit dem Früheſten die Stadt und ging auf's Gerathewohl in's<lb/>
Land hinein, nur gelenkt durch den Flug der Schmetterlinge<lb/>
und Käfer, auf deren Jagd ich auszog. Dabei las ich in der<lb/>
Eile auf, was mir gerade an Pflanzen oder Steinen in die<lb/>
Augen fiel und belud mich damit. Wenn ich mich dann recht<lb/>
warm und müde gelaufen hatte, ruhte ich irgendwo im Schatten<lb/>
aus; am liebſten bei unbewegten, von Erlen und Weiden um¬<lb/>
düſterten Waſſern, über deren Spiegel blitzende Libellen ſchwirr¬<lb/>
ten, zartbeinige Spinnen hintanzten, während dann und wann<lb/>
aus der Tiefe ein ſchnappender Froſch ausgluckſte. —</p><lb/><p>So wuchs ich allmälig zum Jüngling heran und trat<lb/>
endlich, da mich meine Eltern zum geiſtlichen Stande beſtimmt<lb/>
hatten, als Noviz in unſeren Orden, der mich nach vollendeten<lb/>
Studien und zurückgelegter Probezeit als Pater aufnahm. Durch<lb/>
beſcheidene Dienſtwilligkeit und eine gewiſſe Unverdroſſenheit<lb/>
des Gemüthes, hatte ich mir bald bei meinen geiſtlichen Vor¬<lb/>
geſetzten Liebe und Zutrauen erworben; aber plötzlich wurde<lb/>
meinem Anſehen ein ſchwerer Stoß verſetzt: man begann meine<lb/></p></body></text></TEI>
[38/0054]
den Stämmen auf- und abkletterten, krummſchnäblige Papageien
in den Wipfeln kreiſchten und Colibri gleich farbigen Funken
die Luft durchſchoſſen. Oder ich tauchte mit den plumpen,
abenteuerlichen Fiſchungethümen zu dem zahlloſen Gewimmel
in den Abgründen des Meeres hinunter, ſah über mir die
Kiele der Schiffe wegfahren, und die Polypen ſtill an den
Riffen bauen. An ſchönen Ferientagen aber verließ ich ſchon
mit dem Früheſten die Stadt und ging auf's Gerathewohl in's
Land hinein, nur gelenkt durch den Flug der Schmetterlinge
und Käfer, auf deren Jagd ich auszog. Dabei las ich in der
Eile auf, was mir gerade an Pflanzen oder Steinen in die
Augen fiel und belud mich damit. Wenn ich mich dann recht
warm und müde gelaufen hatte, ruhte ich irgendwo im Schatten
aus; am liebſten bei unbewegten, von Erlen und Weiden um¬
düſterten Waſſern, über deren Spiegel blitzende Libellen ſchwirr¬
ten, zartbeinige Spinnen hintanzten, während dann und wann
aus der Tiefe ein ſchnappender Froſch ausgluckſte. —
So wuchs ich allmälig zum Jüngling heran und trat
endlich, da mich meine Eltern zum geiſtlichen Stande beſtimmt
hatten, als Noviz in unſeren Orden, der mich nach vollendeten
Studien und zurückgelegter Probezeit als Pater aufnahm. Durch
beſcheidene Dienſtwilligkeit und eine gewiſſe Unverdroſſenheit
des Gemüthes, hatte ich mir bald bei meinen geiſtlichen Vor¬
geſetzten Liebe und Zutrauen erworben; aber plötzlich wurde
meinem Anſehen ein ſchwerer Stoß verſetzt: man begann meine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/54>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.