Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.auf die Riva zu folgen, wo sie eine Gondel heran winkten. Langsam kehrte ich über die Piazzetta wieder zurück. auf die Riva zu folgen, wo ſie eine Gondel heran winkten. Langſam kehrte ich über die Piazzetta wieder zurück. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0288" n="272"/> auf die Riva zu folgen, wo ſie eine Gondel heran winkten.<lb/> Sie ſtiegen ein und ließen ſich hinaus rudern in die blaue,<lb/> ſchimmernde Waſſerfläche, wie von einem dunklen Sarge um¬<lb/> ſchloſſen. Es <hi rendition="#g">waren</hi> zwei Todte. — —</p><lb/> <p>Langſam kehrte ich über die Piazzetta wieder zurück.<lb/> Düſter und ſchweigend lagen die alten Paläſte da und wehten<lb/> mich in ihrer verfallenden Pracht mit den Schauern der Ver¬<lb/> gänglichkeit an. — Wie lange war es her, da umflatterte<lb/> noch das ſchwarzgelbe Banner Oeſterreichs den weit aus¬<lb/> blickenden Thurm, und unter den mächtigen Säulenhallen<lb/> wogte das bewegte, glänzende Leben verhaßter Fremdherrſchaft<lb/> auf und nieder. Nun war Venedig frei — aber auch ſtiller,<lb/> einſamer, öder geworden. Und <hi rendition="#g">wie</hi> hatte ſich dieſer Wandel<lb/> vollzogen! Langſam, ſchrittweiſe; doch unaufhaltſam, trotz aller<lb/> Gegenbeſtrebungen. Erſchien es nicht wie tragiſche Ironie des<lb/> Schickſals, als man zuletzt rathlos die Erfüllung in die Hand<lb/> des Mannes legte, der damals an der Seine über das Loos<lb/> der Völker entſchied!? Unwillkürlich mußte ich des todten<lb/> Freiherrn und ſeiner ſtolzen Ueberzeugungen gedenken; es war<lb/> mir, als ginge ſein Schatten neben mir her, ſcheu und finſter.<lb/> — Und ſeine Tochter? Wo weilte ſie? Hatte ſie ſich, wie<lb/> Rödern damals vorausgeſetzt, <hi rendition="#g">zurechtgefunden</hi>, oder war<lb/> ſie ein einſamer Fremdling geblieben in dieſer Welt voll Irr¬<lb/> thum und Schuld; in dieſer Welt, wo nichts Beſtand hat, als<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [272/0288]
auf die Riva zu folgen, wo ſie eine Gondel heran winkten.
Sie ſtiegen ein und ließen ſich hinaus rudern in die blaue,
ſchimmernde Waſſerfläche, wie von einem dunklen Sarge um¬
ſchloſſen. Es waren zwei Todte. — —
Langſam kehrte ich über die Piazzetta wieder zurück.
Düſter und ſchweigend lagen die alten Paläſte da und wehten
mich in ihrer verfallenden Pracht mit den Schauern der Ver¬
gänglichkeit an. — Wie lange war es her, da umflatterte
noch das ſchwarzgelbe Banner Oeſterreichs den weit aus¬
blickenden Thurm, und unter den mächtigen Säulenhallen
wogte das bewegte, glänzende Leben verhaßter Fremdherrſchaft
auf und nieder. Nun war Venedig frei — aber auch ſtiller,
einſamer, öder geworden. Und wie hatte ſich dieſer Wandel
vollzogen! Langſam, ſchrittweiſe; doch unaufhaltſam, trotz aller
Gegenbeſtrebungen. Erſchien es nicht wie tragiſche Ironie des
Schickſals, als man zuletzt rathlos die Erfüllung in die Hand
des Mannes legte, der damals an der Seine über das Loos
der Völker entſchied!? Unwillkürlich mußte ich des todten
Freiherrn und ſeiner ſtolzen Ueberzeugungen gedenken; es war
mir, als ginge ſein Schatten neben mir her, ſcheu und finſter.
— Und ſeine Tochter? Wo weilte ſie? Hatte ſie ſich, wie
Rödern damals vorausgeſetzt, zurechtgefunden, oder war
ſie ein einſamer Fremdling geblieben in dieſer Welt voll Irr¬
thum und Schuld; in dieſer Welt, wo nichts Beſtand hat, als
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |