welches alsbald, von Rödern kräftig gerudert, auf der Mitte des Teiches trieb.
"Da sehen Sie unsere ländlichen Vergnügungen", sagte der Freiherr, mit dem ich jetzt langsam am Rande hinging. "Wir führen hier ein sehr zurückgezogenes, gleichförmiges Da¬ sein; Graf Rödern allein bringt etwas Leben und Bewegung in unseren kleinen Kreis. Denn meine Tochter ist trotz ihrer Jugend sehr ernst und still, und sitzt am liebsten bei ihren Büchern oder am Clavier."
Ich bemerkte hierauf, daß ich, allem Anscheine nach, die Baronesse kurz nach meinem Eintreffen singen gehört.
"Haben Sie?" erwiederte er mit väterlichem Stolz. "Nicht wahr, eine prachtvolle Stimme, wenn auch noch nicht völlig entwickelt. -- Sie ist überhaupt ein einziges Kind!" fuhr er fort, indem er mit jenem Ausdruck tiefster Zärtlichkeit, der mich früher so überrascht hatte, nach dem Kahne blickte. "Der Himmel hat mir einen Sohn versagt, aber mit dieser Toch¬ ter reichen Ersatz gewährt. Sie war bis jetzt", wandte er sich mit herablassender Vertraulichkeit an mich, "in dem Er¬ ziehungsinstitute für adelige Fräulein in L . . . . Eine ausge¬ zeichnete Anstalt, die sie als vorzüglichste Schülerin verlassen hat. Es ist erstaunlich, welche ausgebreiteten Kenntnisse sie besitzt; offen gestanden: ich fühle mich ihr gegenüber oft un¬ wissend. Freilich verdankt sie Vieles, ja das Meiste nur sich selbst und ihrem unermüdlichen Fleiße. Und dabei -- welch'
welches alsbald, von Rödern kräftig gerudert, auf der Mitte des Teiches trieb.
„Da ſehen Sie unſere ländlichen Vergnügungen“, ſagte der Freiherr, mit dem ich jetzt langſam am Rande hinging. „Wir führen hier ein ſehr zurückgezogenes, gleichförmiges Da¬ ſein; Graf Rödern allein bringt etwas Leben und Bewegung in unſeren kleinen Kreis. Denn meine Tochter iſt trotz ihrer Jugend ſehr ernſt und ſtill, und ſitzt am liebſten bei ihren Büchern oder am Clavier.“
Ich bemerkte hierauf, daß ich, allem Anſcheine nach, die Baroneſſe kurz nach meinem Eintreffen ſingen gehört.
„Haben Sie?“ erwiederte er mit väterlichem Stolz. „Nicht wahr, eine prachtvolle Stimme, wenn auch noch nicht völlig entwickelt. — Sie iſt überhaupt ein einziges Kind!“ fuhr er fort, indem er mit jenem Ausdruck tiefſter Zärtlichkeit, der mich früher ſo überraſcht hatte, nach dem Kahne blickte. „Der Himmel hat mir einen Sohn verſagt, aber mit dieſer Toch¬ ter reichen Erſatz gewährt. Sie war bis jetzt“, wandte er ſich mit herablaſſender Vertraulichkeit an mich, „in dem Er¬ ziehungsinſtitute für adelige Fräulein in L . . . . Eine ausge¬ zeichnete Anſtalt, die ſie als vorzüglichſte Schülerin verlaſſen hat. Es iſt erſtaunlich, welche ausgebreiteten Kenntniſſe ſie beſitzt; offen geſtanden: ich fühle mich ihr gegenüber oft un¬ wiſſend. Freilich verdankt ſie Vieles, ja das Meiſte nur ſich ſelbſt und ihrem unermüdlichen Fleiße. Und dabei — welch'
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welches alsbald, von Rödern kräftig gerudert, auf der Mitte
des Teiches trieb.
„Da ſehen Sie unſere ländlichen Vergnügungen“, ſagte
der Freiherr, mit dem ich jetzt langſam am Rande hinging.
„Wir führen hier ein ſehr zurückgezogenes, gleichförmiges Da¬
ſein; Graf Rödern allein bringt etwas Leben und Bewegung
in unſeren kleinen Kreis. Denn meine Tochter iſt trotz ihrer
Jugend ſehr ernſt und ſtill, und ſitzt am liebſten bei ihren
Büchern oder am Clavier.“
Ich bemerkte hierauf, daß ich, allem Anſcheine nach, die
Baroneſſe kurz nach meinem Eintreffen ſingen gehört.
„Haben Sie?“ erwiederte er mit väterlichem Stolz. „Nicht
wahr, eine prachtvolle Stimme, wenn auch noch nicht völlig
entwickelt. — Sie iſt überhaupt ein einziges Kind!“ fuhr er
fort, indem er mit jenem Ausdruck tiefſter Zärtlichkeit, der
mich früher ſo überraſcht hatte, nach dem Kahne blickte. „Der
Himmel hat mir einen Sohn verſagt, aber mit dieſer Toch¬
ter reichen Erſatz gewährt. Sie war bis jetzt“, wandte er
ſich mit herablaſſender Vertraulichkeit an mich, „in dem Er¬
ziehungsinſtitute für adelige Fräulein in L . . . . Eine ausge¬
zeichnete Anſtalt, die ſie als vorzüglichſte Schülerin verlaſſen
hat. Es iſt erſtaunlich, welche ausgebreiteten Kenntniſſe ſie
beſitzt; offen geſtanden: ich fühle mich ihr gegenüber oft un¬
wiſſend. Freilich verdankt ſie Vieles, ja das Meiſte nur ſich
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/278>, abgerufen am 18.07.2024.
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