Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.sie nichts mehr erwarten, nichts mehr hoffen dürfe. Aber sie "Sich aus einer Schwachheit in die andere zu stürzen!" "O! o!" jammerte sie und rang die Hände. "Fassen Sie sich, Ludovica", fuhr ich fort. "Blicken Sie "Nie! Nie!" rief sie, sich verzweifelt hin und her wer¬ "Alles?! Haben Sie nicht sich selbst? Haben Sie nicht "O, sprechen Sie mir nicht von meiner Kunst! Dort ſie nichts mehr erwarten, nichts mehr hoffen dürfe. Aber ſie „Sich aus einer Schwachheit in die andere zu ſtürzen!“ „O! o!“ jammerte ſie und rang die Hände. „Faſſen Sie ſich, Ludovica“, fuhr ich fort. „Blicken Sie „Nie! Nie!“ rief ſie, ſich verzweifelt hin und her wer¬ „Alles?! Haben Sie nicht ſich ſelbſt? Haben Sie nicht „O, ſprechen Sie mir nicht von meiner Kunſt! Dort <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0251" n="235"/> ſie nichts mehr erwarten, nichts mehr hoffen dürfe. Aber ſie<lb/> hoffte noch. Denn nachdem ſie eine Zeitlang, von ihren wo¬<lb/> genden Gedanken und Gefühlen umbrauſt, geſchwiegen hatte,<lb/> verſuchte ſie es inſtinktmäßig, ſich an den erfreulicheren Theil<lb/> meiner Mittheilungen zu klammern. „Alſo er hat doch lieb<lb/> und gut von mir geſprochen“, begann ſie leiſe. „Sie ſahen<lb/> ihn gerührt, ergriffen. Er war auf dem Punkte —“</p><lb/> <p>„Sich aus einer Schwachheit in die andere zu ſtürzen!“<lb/> fiel ich ihr in's Wort. „Er war auf dem Punkte einen Ent¬<lb/> ſchluß zu faſſen, den er morgen oder übermorgen wieder bereut<lb/> und rückgängig gemacht hätte. Er iſt nicht der Mann, nach<lb/> Grundſätzen zu handeln und ich habe geſehen, wie das bloße<lb/> Erſcheinen Ihrer Schweſter auf ihn gewirkt hat. Mit <hi rendition="#g">einem</hi><lb/> Worte: Er liebt Sie nicht mehr und iſt für Sie verloren!“</p><lb/> <p>„O! o!“ jammerte ſie und rang die Hände.</p><lb/> <p>„Faſſen Sie ſich, Ludovica“, fuhr ich fort. „Blicken Sie<lb/> den Ereigniſſen feſt und klar in's Auge und vergeſſen Sie<lb/> einen Menſchen, der nicht würdig iſt, von Ihnen geliebt zu<lb/> werden.“</p><lb/> <p>„Nie! Nie!“ rief ſie, ſich verzweifelt hin und her wer¬<lb/> fend. „Ich kann — ich will ihn nicht vergeſſen; ich kann<lb/> und will ihn nicht verlieren. Er iſt mir Alles!“</p><lb/> <p>„Alles?! Haben Sie nicht ſich ſelbſt? Haben Sie nicht<lb/> Ihre Kunſt?“</p><lb/> <p>„O, ſprechen Sie mir nicht von meiner Kunſt! Dort<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [235/0251]
ſie nichts mehr erwarten, nichts mehr hoffen dürfe. Aber ſie
hoffte noch. Denn nachdem ſie eine Zeitlang, von ihren wo¬
genden Gedanken und Gefühlen umbrauſt, geſchwiegen hatte,
verſuchte ſie es inſtinktmäßig, ſich an den erfreulicheren Theil
meiner Mittheilungen zu klammern. „Alſo er hat doch lieb
und gut von mir geſprochen“, begann ſie leiſe. „Sie ſahen
ihn gerührt, ergriffen. Er war auf dem Punkte —“
„Sich aus einer Schwachheit in die andere zu ſtürzen!“
fiel ich ihr in's Wort. „Er war auf dem Punkte einen Ent¬
ſchluß zu faſſen, den er morgen oder übermorgen wieder bereut
und rückgängig gemacht hätte. Er iſt nicht der Mann, nach
Grundſätzen zu handeln und ich habe geſehen, wie das bloße
Erſcheinen Ihrer Schweſter auf ihn gewirkt hat. Mit einem
Worte: Er liebt Sie nicht mehr und iſt für Sie verloren!“
„O! o!“ jammerte ſie und rang die Hände.
„Faſſen Sie ſich, Ludovica“, fuhr ich fort. „Blicken Sie
den Ereigniſſen feſt und klar in's Auge und vergeſſen Sie
einen Menſchen, der nicht würdig iſt, von Ihnen geliebt zu
werden.“
„Nie! Nie!“ rief ſie, ſich verzweifelt hin und her wer¬
fend. „Ich kann — ich will ihn nicht vergeſſen; ich kann
und will ihn nicht verlieren. Er iſt mir Alles!“
„Alles?! Haben Sie nicht ſich ſelbſt? Haben Sie nicht
Ihre Kunſt?“
„O, ſprechen Sie mir nicht von meiner Kunſt! Dort
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