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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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voll Witz und Beweglichkeit, aber auch ohne Herz und Seele.
Ein Geschöpf, das nur zur Maitresse geschaffen ist und Sie
mit kaltem Blute verlassen wird, wenn Sie nicht mehr im
Stande sind, jede ihrer Launen zu befriedigen. Wie lange
aber -- und um welchen Preis wird Ihnen dies möglich
sein? Es steht mir vielleicht nicht zu, Sie auf das zum min¬
desten Unpassende Ihrer gegenwärtigen Verhältnisse aufmerk¬
sam zu machen, und ich maße mir nicht an, mit unerbetenen
Rathschlägen in Ihr Leben eingreifen zu wollen -- aber sagen
Sie selbst: wohin soll das führen?"

Er hatte den Blick gesenkt; er war beschämt; aber auch
bewegt und ergriffen. "Ja, es ist wahr", rief er aus und
faßte meine Hand, "Sie haben Recht! Allein, was soll ich
thun? Der Ertrinkende greift nach Allem, was sich ihm dar¬
bietet. Mein Leben ist nun einmal ein verfehltes --"

"Nicht doch! Sie stehen in der Blüthe Ihrer Jahre.
Einem Manne von Ihren Anlagen und Fähigkeiten wird und
muß es bei redlichem Wollen gelingen, sich eine gesicherte,
wohlanständige Stellung zu schaffen. Und gerade hiezu bietet
Ihnen eine Vereinigung mit Ludovica die beste Aussicht. Sie
selbst hat bereits erwerben gelernt; Sie werden sich gegenseitig
stützen und fördern und nach allen Stürmen und Kämpfen in
einer bescheidenen Häuslichkeit die höchsten Güter der Erde:
Ruhe und Zufriedenheit finden."

Er blickte vor sich hin. Rührung und Unentschlossenheit

voll Witz und Beweglichkeit, aber auch ohne Herz und Seele.
Ein Geſchöpf, das nur zur Maitreſſe geſchaffen iſt und Sie
mit kaltem Blute verlaſſen wird, wenn Sie nicht mehr im
Stande ſind, jede ihrer Launen zu befriedigen. Wie lange
aber — und um welchen Preis wird Ihnen dies möglich
ſein? Es ſteht mir vielleicht nicht zu, Sie auf das zum min¬
deſten Unpaſſende Ihrer gegenwärtigen Verhältniſſe aufmerk¬
ſam zu machen, und ich maße mir nicht an, mit unerbetenen
Rathſchlägen in Ihr Leben eingreifen zu wollen — aber ſagen
Sie ſelbſt: wohin ſoll das führen?“

Er hatte den Blick geſenkt; er war beſchämt; aber auch
bewegt und ergriffen. „Ja, es iſt wahr“, rief er aus und
faßte meine Hand, „Sie haben Recht! Allein, was ſoll ich
thun? Der Ertrinkende greift nach Allem, was ſich ihm dar¬
bietet. Mein Leben iſt nun einmal ein verfehltes —“

„Nicht doch! Sie ſtehen in der Blüthe Ihrer Jahre.
Einem Manne von Ihren Anlagen und Fähigkeiten wird und
muß es bei redlichem Wollen gelingen, ſich eine geſicherte,
wohlanſtändige Stellung zu ſchaffen. Und gerade hiezu bietet
Ihnen eine Vereinigung mit Ludovica die beſte Ausſicht. Sie
ſelbſt hat bereits erwerben gelernt; Sie werden ſich gegenſeitig
ſtützen und fördern und nach allen Stürmen und Kämpfen in
einer beſcheidenen Häuslichkeit die höchſten Güter der Erde:
Ruhe und Zufriedenheit finden.“

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[232/0248] voll Witz und Beweglichkeit, aber auch ohne Herz und Seele. Ein Geſchöpf, das nur zur Maitreſſe geſchaffen iſt und Sie mit kaltem Blute verlaſſen wird, wenn Sie nicht mehr im Stande ſind, jede ihrer Launen zu befriedigen. Wie lange aber — und um welchen Preis wird Ihnen dies möglich ſein? Es ſteht mir vielleicht nicht zu, Sie auf das zum min¬ deſten Unpaſſende Ihrer gegenwärtigen Verhältniſſe aufmerk¬ ſam zu machen, und ich maße mir nicht an, mit unerbetenen Rathſchlägen in Ihr Leben eingreifen zu wollen — aber ſagen Sie ſelbſt: wohin ſoll das führen?“ Er hatte den Blick geſenkt; er war beſchämt; aber auch bewegt und ergriffen. „Ja, es iſt wahr“, rief er aus und faßte meine Hand, „Sie haben Recht! Allein, was ſoll ich thun? Der Ertrinkende greift nach Allem, was ſich ihm dar¬ bietet. Mein Leben iſt nun einmal ein verfehltes —“ „Nicht doch! Sie ſtehen in der Blüthe Ihrer Jahre. Einem Manne von Ihren Anlagen und Fähigkeiten wird und muß es bei redlichem Wollen gelingen, ſich eine geſicherte, wohlanſtändige Stellung zu ſchaffen. Und gerade hiezu bietet Ihnen eine Vereinigung mit Ludovica die beſte Ausſicht. Sie ſelbſt hat bereits erwerben gelernt; Sie werden ſich gegenſeitig ſtützen und fördern und nach allen Stürmen und Kämpfen in einer beſcheidenen Häuslichkeit die höchſten Güter der Erde: Ruhe und Zufriedenheit finden.“ Er blickte vor ſich hin. Rührung und Unentſchloſſenheit

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/248>, abgerufen am 23.11.2024.