will nicht sagen den Wunsch, so doch die Andeutung aus¬ sprachen, mich wieder sehen zu wollen, einigermaßen betroffen war. Ich durfte keine Hoffnungen erregen, die ich nicht er¬ füllen konnte. Aber im selben Momente zuckte in mir der Gedanke auf, Alexis durch Sie meinen Werth fühlen zu lassen, ihn -- um es gerade heraus zu sagen, eifersüchtig zu machen. Als ich aber erkannte, daß gerade das Gegentheil eintrat, ver¬ wünschte ich im tiefsten Herzen diesen Winkelzug und faßte eine Art Abneigung gegen Sie, die um so stärker wurde, je aufrichtiger, je unberechneter seine Verehrung für Sie hervor¬ brach." Sie hatte, innehaltend, Haupt und Blick gesenkt, als erwartete sie das Urtheil eines Richters.
Ich schwieg.
"Sie verachten mich jetzt", sagte sie kaum hörbar.
"Nein", erwiederte ich. "Im Gegentheile: ich achte Sie höher, als ich je vermocht." Es war keine bloße Phrase, was ich da aussprach. Man ist bei den Frauen im Allgemeinen so wenig Aufrichtigkeit zu finden gewohnt, daß ich mich durch die Wahrheit ihres Geständnisses, so unerfreulich dasselbe für meine Person war, im Tiefsten überrascht und ergriffen fühlte. "Ja, Ludovica", fuhr ich fort, "ich achte Sie hoch und damit ich es Ihnen beweise, will ich mit Alexis reden."
Sie machte eine Bewegung, als wollte sie mir dankend zu Füßen fallen.
Ich sprang auf. "Erwarten Sie nicht zu viel! Sie
Saar, Novellen aus Oesterreich. 15
will nicht ſagen den Wunſch, ſo doch die Andeutung aus¬ ſprachen, mich wieder ſehen zu wollen, einigermaßen betroffen war. Ich durfte keine Hoffnungen erregen, die ich nicht er¬ füllen konnte. Aber im ſelben Momente zuckte in mir der Gedanke auf, Alexis durch Sie meinen Werth fühlen zu laſſen, ihn — um es gerade heraus zu ſagen, eiferſüchtig zu machen. Als ich aber erkannte, daß gerade das Gegentheil eintrat, ver¬ wünſchte ich im tiefſten Herzen dieſen Winkelzug und faßte eine Art Abneigung gegen Sie, die um ſo ſtärker wurde, je aufrichtiger, je unberechneter ſeine Verehrung für Sie hervor¬ brach.“ Sie hatte, innehaltend, Haupt und Blick geſenkt, als erwartete ſie das Urtheil eines Richters.
Ich ſchwieg.
„Sie verachten mich jetzt“, ſagte ſie kaum hörbar.
„Nein“, erwiederte ich. „Im Gegentheile: ich achte Sie höher, als ich je vermocht.“ Es war keine bloße Phraſe, was ich da ausſprach. Man iſt bei den Frauen im Allgemeinen ſo wenig Aufrichtigkeit zu finden gewohnt, daß ich mich durch die Wahrheit ihres Geſtändniſſes, ſo unerfreulich daſſelbe für meine Perſon war, im Tiefſten überraſcht und ergriffen fühlte. „Ja, Ludovica“, fuhr ich fort, „ich achte Sie hoch und damit ich es Ihnen beweiſe, will ich mit Alexis reden.“
Sie machte eine Bewegung, als wollte ſie mir dankend zu Füßen fallen.
Ich ſprang auf. „Erwarten Sie nicht zu viel! Sie
Saar, Novellen aus Oeſterreich. 15
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0241"n="225"/>
will nicht ſagen den Wunſch, ſo doch die Andeutung aus¬<lb/>ſprachen, mich wieder ſehen zu wollen, einigermaßen betroffen<lb/>
war. Ich durfte keine Hoffnungen erregen, die ich nicht er¬<lb/>
füllen konnte. Aber im ſelben Momente zuckte in mir der<lb/>
Gedanke auf, Alexis durch Sie meinen Werth fühlen zu laſſen,<lb/>
ihn — um es gerade heraus zu ſagen, eiferſüchtig zu machen.<lb/>
Als ich aber erkannte, daß gerade das Gegentheil eintrat, ver¬<lb/>
wünſchte ich im tiefſten Herzen dieſen Winkelzug und faßte<lb/>
eine Art Abneigung gegen Sie, die um ſo ſtärker wurde, je<lb/>
aufrichtiger, je unberechneter ſeine Verehrung für Sie hervor¬<lb/>
brach.“ Sie hatte, innehaltend, Haupt und Blick geſenkt, als<lb/>
erwartete ſie das Urtheil eines Richters.</p><lb/><p>Ich ſchwieg.</p><lb/><p>„Sie verachten mich jetzt“, ſagte ſie kaum hörbar.</p><lb/><p>„Nein“, erwiederte ich. „Im Gegentheile: ich achte Sie<lb/>
höher, als ich je vermocht.“ Es war keine bloße Phraſe, was<lb/>
ich da ausſprach. Man iſt bei den Frauen im Allgemeinen ſo<lb/>
wenig Aufrichtigkeit zu finden gewohnt, daß ich mich durch<lb/>
die Wahrheit ihres Geſtändniſſes, ſo unerfreulich daſſelbe für<lb/>
meine Perſon war, im Tiefſten überraſcht und ergriffen fühlte.<lb/>„Ja, Ludovica“, fuhr ich fort, „ich achte Sie hoch und<lb/>
damit ich es Ihnen beweiſe, will ich mit Alexis reden.“</p><lb/><p>Sie machte eine Bewegung, als wollte ſie mir dankend<lb/>
zu Füßen fallen.</p><lb/><p>Ich ſprang auf. „Erwarten Sie nicht zu viel! Sie<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Saar</hi>, Novellen aus Oeſterreich. 15<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[225/0241]
will nicht ſagen den Wunſch, ſo doch die Andeutung aus¬
ſprachen, mich wieder ſehen zu wollen, einigermaßen betroffen
war. Ich durfte keine Hoffnungen erregen, die ich nicht er¬
füllen konnte. Aber im ſelben Momente zuckte in mir der
Gedanke auf, Alexis durch Sie meinen Werth fühlen zu laſſen,
ihn — um es gerade heraus zu ſagen, eiferſüchtig zu machen.
Als ich aber erkannte, daß gerade das Gegentheil eintrat, ver¬
wünſchte ich im tiefſten Herzen dieſen Winkelzug und faßte
eine Art Abneigung gegen Sie, die um ſo ſtärker wurde, je
aufrichtiger, je unberechneter ſeine Verehrung für Sie hervor¬
brach.“ Sie hatte, innehaltend, Haupt und Blick geſenkt, als
erwartete ſie das Urtheil eines Richters.
Ich ſchwieg.
„Sie verachten mich jetzt“, ſagte ſie kaum hörbar.
„Nein“, erwiederte ich. „Im Gegentheile: ich achte Sie
höher, als ich je vermocht.“ Es war keine bloße Phraſe, was
ich da ausſprach. Man iſt bei den Frauen im Allgemeinen ſo
wenig Aufrichtigkeit zu finden gewohnt, daß ich mich durch
die Wahrheit ihres Geſtändniſſes, ſo unerfreulich daſſelbe für
meine Perſon war, im Tiefſten überraſcht und ergriffen fühlte.
„Ja, Ludovica“, fuhr ich fort, „ich achte Sie hoch und
damit ich es Ihnen beweiſe, will ich mit Alexis reden.“
Sie machte eine Bewegung, als wollte ſie mir dankend
zu Füßen fallen.
Ich ſprang auf. „Erwarten Sie nicht zu viel! Sie
Saar, Novellen aus Oeſterreich. 15
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/241>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.