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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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will nicht sagen den Wunsch, so doch die Andeutung aus¬
sprachen, mich wieder sehen zu wollen, einigermaßen betroffen
war. Ich durfte keine Hoffnungen erregen, die ich nicht er¬
füllen konnte. Aber im selben Momente zuckte in mir der
Gedanke auf, Alexis durch Sie meinen Werth fühlen zu lassen,
ihn -- um es gerade heraus zu sagen, eifersüchtig zu machen.
Als ich aber erkannte, daß gerade das Gegentheil eintrat, ver¬
wünschte ich im tiefsten Herzen diesen Winkelzug und faßte
eine Art Abneigung gegen Sie, die um so stärker wurde, je
aufrichtiger, je unberechneter seine Verehrung für Sie hervor¬
brach." Sie hatte, innehaltend, Haupt und Blick gesenkt, als
erwartete sie das Urtheil eines Richters.

Ich schwieg.

"Sie verachten mich jetzt", sagte sie kaum hörbar.

"Nein", erwiederte ich. "Im Gegentheile: ich achte Sie
höher, als ich je vermocht." Es war keine bloße Phrase, was
ich da aussprach. Man ist bei den Frauen im Allgemeinen so
wenig Aufrichtigkeit zu finden gewohnt, daß ich mich durch
die Wahrheit ihres Geständnisses, so unerfreulich dasselbe für
meine Person war, im Tiefsten überrascht und ergriffen fühlte.
"Ja, Ludovica", fuhr ich fort, "ich achte Sie hoch und
damit ich es Ihnen beweise, will ich mit Alexis reden."

Sie machte eine Bewegung, als wollte sie mir dankend
zu Füßen fallen.

Ich sprang auf. "Erwarten Sie nicht zu viel! Sie

Saar, Novellen aus Oesterreich. 15

will nicht ſagen den Wunſch, ſo doch die Andeutung aus¬
ſprachen, mich wieder ſehen zu wollen, einigermaßen betroffen
war. Ich durfte keine Hoffnungen erregen, die ich nicht er¬
füllen konnte. Aber im ſelben Momente zuckte in mir der
Gedanke auf, Alexis durch Sie meinen Werth fühlen zu laſſen,
ihn — um es gerade heraus zu ſagen, eiferſüchtig zu machen.
Als ich aber erkannte, daß gerade das Gegentheil eintrat, ver¬
wünſchte ich im tiefſten Herzen dieſen Winkelzug und faßte
eine Art Abneigung gegen Sie, die um ſo ſtärker wurde, je
aufrichtiger, je unberechneter ſeine Verehrung für Sie hervor¬
brach.“ Sie hatte, innehaltend, Haupt und Blick geſenkt, als
erwartete ſie das Urtheil eines Richters.

Ich ſchwieg.

„Sie verachten mich jetzt“, ſagte ſie kaum hörbar.

„Nein“, erwiederte ich. „Im Gegentheile: ich achte Sie
höher, als ich je vermocht.“ Es war keine bloße Phraſe, was
ich da ausſprach. Man iſt bei den Frauen im Allgemeinen ſo
wenig Aufrichtigkeit zu finden gewohnt, daß ich mich durch
die Wahrheit ihres Geſtändniſſes, ſo unerfreulich daſſelbe für
meine Perſon war, im Tiefſten überraſcht und ergriffen fühlte.
„Ja, Ludovica“, fuhr ich fort, „ich achte Sie hoch und
damit ich es Ihnen beweiſe, will ich mit Alexis reden.“

Sie machte eine Bewegung, als wollte ſie mir dankend
zu Füßen fallen.

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[225/0241] will nicht ſagen den Wunſch, ſo doch die Andeutung aus¬ ſprachen, mich wieder ſehen zu wollen, einigermaßen betroffen war. Ich durfte keine Hoffnungen erregen, die ich nicht er¬ füllen konnte. Aber im ſelben Momente zuckte in mir der Gedanke auf, Alexis durch Sie meinen Werth fühlen zu laſſen, ihn — um es gerade heraus zu ſagen, eiferſüchtig zu machen. Als ich aber erkannte, daß gerade das Gegentheil eintrat, ver¬ wünſchte ich im tiefſten Herzen dieſen Winkelzug und faßte eine Art Abneigung gegen Sie, die um ſo ſtärker wurde, je aufrichtiger, je unberechneter ſeine Verehrung für Sie hervor¬ brach.“ Sie hatte, innehaltend, Haupt und Blick geſenkt, als erwartete ſie das Urtheil eines Richters. Ich ſchwieg. „Sie verachten mich jetzt“, ſagte ſie kaum hörbar. „Nein“, erwiederte ich. „Im Gegentheile: ich achte Sie höher, als ich je vermocht.“ Es war keine bloße Phraſe, was ich da ausſprach. Man iſt bei den Frauen im Allgemeinen ſo wenig Aufrichtigkeit zu finden gewohnt, daß ich mich durch die Wahrheit ihres Geſtändniſſes, ſo unerfreulich daſſelbe für meine Perſon war, im Tiefſten überraſcht und ergriffen fühlte. „Ja, Ludovica“, fuhr ich fort, „ich achte Sie hoch und damit ich es Ihnen beweiſe, will ich mit Alexis reden.“ Sie machte eine Bewegung, als wollte ſie mir dankend zu Füßen fallen. Ich ſprang auf. „Erwarten Sie nicht zu viel! Sie Saar, Novellen aus Oeſterreich. 15

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/241>, abgerufen am 23.11.2024.