Umstände daran Schuld trügen und erwartete ruhig den Tag, an welchem er wieder bei uns eintreten würde. Und das ge¬ schah auch. Er war wieder in bürgerlicher Kleidung gekommen und sagte, er sei des Militärdienstes satt und nunmehr geson¬ nen, sich der Künstlerlaufbahn zu widmen. Der wirkliche Sachverhalt war, daß er bei seinem Hange zur Verschwendung, den ich wohl an ihm bemerkt, aber auch nicht zu tadeln ge¬ funden, eine Schuldenlast aufgehäuft hatte, welche seine Ent¬ lassung nach sich zog. Ich wußte das nicht; aber wenn ich es auch gewußt hätte: es würde doch nichts an meiner Nei¬ gung zu ihm geändert haben. In der That bildete er sich nun unter der Leitung meines Vaters, welchem gegenüber er sich ohne weiteres als mein Verlobter benahm, für die Oper aus. Es gelang ihm bald, an einer kleineren Bühne Engage¬ ment zu finden, nach und nach auch in bedeutenderen Städten mit Glück aufzutreten; ja er wurde sogar einmal nach London berufen. Inzwischen hatte ich von mehreren Seiten Winke er¬ halten, mein Verhältniß zu Alexis abzubrechen. Er sei ein leichtsinniger, gewissenloser Mensch, hieß es, der seine Familie an den Bettelstab bringe, an jedem Orte Beziehungen zu Mädchen und Frauen unterhalte und überhaupt ein Leben führe, welches für seine Zukunft das Schlimmste befürchten lasse. Ich erkannte in all' diesen Warnungen bloße Verläum¬ dungen und niedrige Umtriebe einiger Bewerber um meine Hand, welche ich zwar nicht übermüthig, aber mit ruhigem
Umſtände daran Schuld trügen und erwartete ruhig den Tag, an welchem er wieder bei uns eintreten würde. Und das ge¬ ſchah auch. Er war wieder in bürgerlicher Kleidung gekommen und ſagte, er ſei des Militärdienſtes ſatt und nunmehr geſon¬ nen, ſich der Künſtlerlaufbahn zu widmen. Der wirkliche Sachverhalt war, daß er bei ſeinem Hange zur Verſchwendung, den ich wohl an ihm bemerkt, aber auch nicht zu tadeln ge¬ funden, eine Schuldenlaſt aufgehäuft hatte, welche ſeine Ent¬ laſſung nach ſich zog. Ich wußte das nicht; aber wenn ich es auch gewußt hätte: es würde doch nichts an meiner Nei¬ gung zu ihm geändert haben. In der That bildete er ſich nun unter der Leitung meines Vaters, welchem gegenüber er ſich ohne weiteres als mein Verlobter benahm, für die Oper aus. Es gelang ihm bald, an einer kleineren Bühne Engage¬ ment zu finden, nach und nach auch in bedeutenderen Städten mit Glück aufzutreten; ja er wurde ſogar einmal nach London berufen. Inzwiſchen hatte ich von mehreren Seiten Winke er¬ halten, mein Verhältniß zu Alexis abzubrechen. Er ſei ein leichtſinniger, gewiſſenloſer Menſch, hieß es, der ſeine Familie an den Bettelſtab bringe, an jedem Orte Beziehungen zu Mädchen und Frauen unterhalte und überhaupt ein Leben führe, welches für ſeine Zukunft das Schlimmſte befürchten laſſe. Ich erkannte in all' dieſen Warnungen bloße Verläum¬ dungen und niedrige Umtriebe einiger Bewerber um meine Hand, welche ich zwar nicht übermüthig, aber mit ruhigem
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Umſtände daran Schuld trügen und erwartete ruhig den Tag,
an welchem er wieder bei uns eintreten würde. Und das ge¬
ſchah auch. Er war wieder in bürgerlicher Kleidung gekommen
und ſagte, er ſei des Militärdienſtes ſatt und nunmehr geſon¬
nen, ſich der Künſtlerlaufbahn zu widmen. Der wirkliche
Sachverhalt war, daß er bei ſeinem Hange zur Verſchwendung,
den ich wohl an ihm bemerkt, aber auch nicht zu tadeln ge¬
funden, eine Schuldenlaſt aufgehäuft hatte, welche ſeine Ent¬
laſſung nach ſich zog. Ich wußte das nicht; aber wenn ich
es auch gewußt hätte: es würde doch nichts an meiner Nei¬
gung zu ihm geändert haben. In der That bildete er ſich
nun unter der Leitung meines Vaters, welchem gegenüber er
ſich ohne weiteres als mein Verlobter benahm, für die Oper
aus. Es gelang ihm bald, an einer kleineren Bühne Engage¬
ment zu finden, nach und nach auch in bedeutenderen Städten
mit Glück aufzutreten; ja er wurde ſogar einmal nach London
berufen. Inzwiſchen hatte ich von mehreren Seiten Winke er¬
halten, mein Verhältniß zu Alexis abzubrechen. Er ſei ein
leichtſinniger, gewiſſenloſer Menſch, hieß es, der ſeine Familie
an den Bettelſtab bringe, an jedem Orte Beziehungen zu
Mädchen und Frauen unterhalte und überhaupt ein Leben
führe, welches für ſeine Zukunft das Schlimmſte befürchten
laſſe. Ich erkannte in all' dieſen Warnungen bloße Verläum¬
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/236>, abgerufen am 27.11.2024.
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