Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.freuen, meinen Retter näher kennen zu lernen. Hier ist meine Ich hatte ihr eine Weile nachgesehen; dann senkte ich Saar, Novellen aus Oesterreich. 14
freuen, meinen Retter näher kennen zu lernen. Hier iſt meine Ich hatte ihr eine Weile nachgeſehen; dann ſenkte ich Saar, Novellen aus Oeſterreich. 14
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0225" n="209"/> freuen, meinen Retter näher kennen zu lernen. Hier iſt meine<lb/> Adreſſe, damit Sie mich zu finden wiſſen. Sie ſollen übri¬<lb/> gens ſchon in den nächſten Tagen von mir hören.“ Und da<lb/> ich ſie nun ſelbſt aufforderte, ſich auf den Weg zu machen,<lb/> ſo eilte ſie, flüchtig wie ein Vogel, von dannen und verſchwand<lb/> im Menſchengewühle.</p><lb/> <p>Ich hatte ihr eine Weile nachgeſehen; dann ſenkte ich<lb/> den Blick auf die Adreſſe und las: „Ludovica Mensfeld.“<lb/> Und wie ich jetzt ſo da ſtand, das kleine Kärtchen in der<lb/> Hand, fühlte ich mich fremd und kühl berührt. Es war mir,<lb/> als hätt' ich eine Thorheit begangen. Ich hatte mich nahezu<lb/> von Allem entblößt, was ich augenblicklich beſaß und war<lb/> nun ſelbſt für die nächſte Zukunft der Sorge preisgegeben.<lb/> Und für wen hatte ich Alles geopfert? Für ein Weib, das mir<lb/> ferne ſtand. Und nicht einmal für ſie ſelbſt; ſie wollte ja mit<lb/> dem Gelde einen Anderen retten, und dieſer Andere, darüber<lb/> konnte kein Zweifel ſein, war der junge Mann, welchen ich<lb/> damals in ihrer Nähe geſehen — und den ſie liebte! Aber<lb/> kümmerte mich das? War es nicht ein beglückendes, erheben¬<lb/> des Gefühl, eine arme, zitternde Menſchenſeele aus der Nacht<lb/> der Verzweiflung zu befreien? Hatte ich nicht Hilfsquellen<lb/> genug? Konnte ich nicht arbeiten? — So trat ich meinen<lb/> Egoismus ſiegreich mit Füßen und bald ſtand es bei mir feſt,<lb/> daß ich Recht gethan und keine weiteren Anſprüche mehr er¬<lb/> heben würde; ſelbſt der Wunſch, die Geigerin wiederzuſehen,<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Saar</hi>, Novellen aus Oeſterreich. 14<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [209/0225]
freuen, meinen Retter näher kennen zu lernen. Hier iſt meine
Adreſſe, damit Sie mich zu finden wiſſen. Sie ſollen übri¬
gens ſchon in den nächſten Tagen von mir hören.“ Und da
ich ſie nun ſelbſt aufforderte, ſich auf den Weg zu machen,
ſo eilte ſie, flüchtig wie ein Vogel, von dannen und verſchwand
im Menſchengewühle.
Ich hatte ihr eine Weile nachgeſehen; dann ſenkte ich
den Blick auf die Adreſſe und las: „Ludovica Mensfeld.“
Und wie ich jetzt ſo da ſtand, das kleine Kärtchen in der
Hand, fühlte ich mich fremd und kühl berührt. Es war mir,
als hätt' ich eine Thorheit begangen. Ich hatte mich nahezu
von Allem entblößt, was ich augenblicklich beſaß und war
nun ſelbſt für die nächſte Zukunft der Sorge preisgegeben.
Und für wen hatte ich Alles geopfert? Für ein Weib, das mir
ferne ſtand. Und nicht einmal für ſie ſelbſt; ſie wollte ja mit
dem Gelde einen Anderen retten, und dieſer Andere, darüber
konnte kein Zweifel ſein, war der junge Mann, welchen ich
damals in ihrer Nähe geſehen — und den ſie liebte! Aber
kümmerte mich das? War es nicht ein beglückendes, erheben¬
des Gefühl, eine arme, zitternde Menſchenſeele aus der Nacht
der Verzweiflung zu befreien? Hatte ich nicht Hilfsquellen
genug? Konnte ich nicht arbeiten? — So trat ich meinen
Egoismus ſiegreich mit Füßen und bald ſtand es bei mir feſt,
daß ich Recht gethan und keine weiteren Anſprüche mehr er¬
heben würde; ſelbſt der Wunſch, die Geigerin wiederzuſehen,
Saar, Novellen aus Oeſterreich. 14
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