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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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das blanke Holzlager hinstreckte. Aber schlafen konnte er nicht.
Der gehobene Muth, die beschwingende Zuversicht, welche ihn
erfüllt hatten, waren schon während der langen traurigen Fahrt
einigermaßen in's Sinken gerathen; nun schlichen bange Zwei¬
fel und scheue Vorwürfe an ihn heran. Und als endlich ein
bleicher Lichtschein durch die verschalten Fenster dämmerte, nach
und nach die kahlen, schmutzigen Wände und die unerfreulichen
Gesichter seiner Mitgefangenen beleuchtend: da fiel ihm die
Erkenntniß seiner Lage immer deutlicher, immer schwerer auf
die Seele. Nicht, daß er etwa die Folgen seiner That allzusehr
gefürchtet hätte; war er doch angegriffen worden und hatte
sich seines Lebens wehren müssen; aber er sah im Geiste das
Bild des Erschlagenen vor sich, sah ihn bleich und regungslos
im Blute liegen, und in seinem weichen, wohlempfindenden
Gemüthe mischten sich jetzt mit dem schaudernden Bewußtsein,
einen Menschen getödtet zu haben, Reue und Mitleid und
ließen ihn tief beklagen, das Alles so habe kommen müssen.
Dieser unfreie und gedankenvolle Zustand wurde noch dadurch
gesteigert, daß Tage um Tage, Wochen um Wochen vergingen,
ohne daß man Georg in's Verhör genommen oder sonst sich
um ihn gekümmert hätte. Denn nun stellte sich auch die Sorge
ein, wie sich die nächste Zukunft gestalten würde, und quälte
ihn umsomehr, als er über das Schicksal Tertschka's, nach
welcher er eine schmerzliche Sehnsucht empfand, in völliger
Ungewißheit war. Das arme Geschöpf hatte wohl durch

das blanke Holzlager hinſtreckte. Aber ſchlafen konnte er nicht.
Der gehobene Muth, die beſchwingende Zuverſicht, welche ihn
erfüllt hatten, waren ſchon während der langen traurigen Fahrt
einigermaßen in's Sinken gerathen; nun ſchlichen bange Zwei¬
fel und ſcheue Vorwürfe an ihn heran. Und als endlich ein
bleicher Lichtſchein durch die verſchalten Fenſter dämmerte, nach
und nach die kahlen, ſchmutzigen Wände und die unerfreulichen
Geſichter ſeiner Mitgefangenen beleuchtend: da fiel ihm die
Erkenntniß ſeiner Lage immer deutlicher, immer ſchwerer auf
die Seele. Nicht, daß er etwa die Folgen ſeiner That allzuſehr
gefürchtet hätte; war er doch angegriffen worden und hatte
ſich ſeines Lebens wehren müſſen; aber er ſah im Geiſte das
Bild des Erſchlagenen vor ſich, ſah ihn bleich und regungslos
im Blute liegen, und in ſeinem weichen, wohlempfindenden
Gemüthe miſchten ſich jetzt mit dem ſchaudernden Bewußtſein,
einen Menſchen getödtet zu haben, Reue und Mitleid und
ließen ihn tief beklagen, das Alles ſo habe kommen müſſen.
Dieſer unfreie und gedankenvolle Zuſtand wurde noch dadurch
geſteigert, daß Tage um Tage, Wochen um Wochen vergingen,
ohne daß man Georg in's Verhör genommen oder ſonſt ſich
um ihn gekümmert hätte. Denn nun ſtellte ſich auch die Sorge
ein, wie ſich die nächſte Zukunft geſtalten würde, und quälte
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welcher er eine ſchmerzliche Sehnſucht empfand, in völliger
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[175/0191] das blanke Holzlager hinſtreckte. Aber ſchlafen konnte er nicht. Der gehobene Muth, die beſchwingende Zuverſicht, welche ihn erfüllt hatten, waren ſchon während der langen traurigen Fahrt einigermaßen in's Sinken gerathen; nun ſchlichen bange Zwei¬ fel und ſcheue Vorwürfe an ihn heran. Und als endlich ein bleicher Lichtſchein durch die verſchalten Fenſter dämmerte, nach und nach die kahlen, ſchmutzigen Wände und die unerfreulichen Geſichter ſeiner Mitgefangenen beleuchtend: da fiel ihm die Erkenntniß ſeiner Lage immer deutlicher, immer ſchwerer auf die Seele. Nicht, daß er etwa die Folgen ſeiner That allzuſehr gefürchtet hätte; war er doch angegriffen worden und hatte ſich ſeines Lebens wehren müſſen; aber er ſah im Geiſte das Bild des Erſchlagenen vor ſich, ſah ihn bleich und regungslos im Blute liegen, und in ſeinem weichen, wohlempfindenden Gemüthe miſchten ſich jetzt mit dem ſchaudernden Bewußtſein, einen Menſchen getödtet zu haben, Reue und Mitleid und ließen ihn tief beklagen, das Alles ſo habe kommen müſſen. Dieſer unfreie und gedankenvolle Zuſtand wurde noch dadurch geſteigert, daß Tage um Tage, Wochen um Wochen vergingen, ohne daß man Georg in's Verhör genommen oder ſonſt ſich um ihn gekümmert hätte. Denn nun ſtellte ſich auch die Sorge ein, wie ſich die nächſte Zukunft geſtalten würde, und quälte ihn umſomehr, als er über das Schickſal Tertſchka's, nach welcher er eine ſchmerzliche Sehnſucht empfand, in völliger Ungewißheit war. Das arme Geſchöpf hatte wohl durch

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/191>, abgerufen am 24.11.2024.