es dieser barschen Aufdringlichkeit gegenüber die Willenskraft Georgs zu stützen galt.
"Halt Dein Maul!" schrie der Mann. "Wer hat Dir gesagt, was ihm wohl oder übel bekommt? Misch' Dich nicht in Dinge, die Dich nichts angehen!" Und zu Georg gewen¬ det, fuhr er fort: "Also willst Du, oder willst Du nicht?"
Diese Worte klangen wie ein Befehl, das lockende Ge¬ richt nicht zurückzuweisen. Aber der Schüchterne nahm all' seinen Muth zusammen und erwiederte: "Sie hat Recht; ich darf das Fleisch nicht essen."
"Nun, so laß es sein!" schrie der Andere giftig, indem er das Messer bei Seite warf. "Bitten werd' ich Dich nicht." Und da Georg vor ihm stehen blieb, fragte er: "Auf was wartest Du noch?"
"Ihr sollt mir herausgeben", antwortete Jener stockend.
"Ja, ja, ja!" rief der Aufseher. "Glaubst Du, ich werde die lumpigen paar Kreuzer behalten?" Und damit warf er ihm den Rest in Kupfermünze hin und drehte ihm verächtlich den Rücken. Georg, den Napf in der einen Hand, las mit der anderen mühsam die umher rollenden Geldstücke auf; dann setzte er sich in einen Winkel und begann sein karges Mahl zu verzehren, das mittlerweile schon ziemlich kalt geworden war. Er sah dabei, wie der Aufseher eine grünliche Flasche ergriff und einigen Verlangenden Branntwein in ein kleines Glas goß, welches, geleert und wieder gefüllt, von Mund zu
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es dieſer barſchen Aufdringlichkeit gegenüber die Willenskraft Georgs zu ſtützen galt.
„Halt Dein Maul!“ ſchrie der Mann. „Wer hat Dir geſagt, was ihm wohl oder übel bekommt? Miſch' Dich nicht in Dinge, die Dich nichts angehen!“ Und zu Georg gewen¬ det, fuhr er fort: „Alſo willſt Du, oder willſt Du nicht?“
Dieſe Worte klangen wie ein Befehl, das lockende Ge¬ richt nicht zurückzuweiſen. Aber der Schüchterne nahm all' ſeinen Muth zuſammen und erwiederte: „Sie hat Recht; ich darf das Fleiſch nicht eſſen.“
„Nun, ſo laß es ſein!“ ſchrie der Andere giftig, indem er das Meſſer bei Seite warf. „Bitten werd' ich Dich nicht.“ Und da Georg vor ihm ſtehen blieb, fragte er: „Auf was warteſt Du noch?“
„Ihr ſollt mir herausgeben“, antwortete Jener ſtockend.
„Ja, ja, ja!“ rief der Aufſeher. „Glaubſt Du, ich werde die lumpigen paar Kreuzer behalten?“ Und damit warf er ihm den Reſt in Kupfermünze hin und drehte ihm verächtlich den Rücken. Georg, den Napf in der einen Hand, las mit der anderen mühſam die umher rollenden Geldſtücke auf; dann ſetzte er ſich in einen Winkel und begann ſein karges Mahl zu verzehren, das mittlerweile ſchon ziemlich kalt geworden war. Er ſah dabei, wie der Aufſeher eine grünliche Flaſche ergriff und einigen Verlangenden Branntwein in ein kleines Glas goß, welches, geleert und wieder gefüllt, von Mund zu
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es dieſer barſchen Aufdringlichkeit gegenüber die Willenskraft
Georgs zu ſtützen galt.
„Halt Dein Maul!“ ſchrie der Mann. „Wer hat Dir
geſagt, was ihm wohl oder übel bekommt? Miſch' Dich nicht
in Dinge, die Dich nichts angehen!“ Und zu Georg gewen¬
det, fuhr er fort: „Alſo willſt Du, oder willſt Du nicht?“
Dieſe Worte klangen wie ein Befehl, das lockende Ge¬
richt nicht zurückzuweiſen. Aber der Schüchterne nahm all'
ſeinen Muth zuſammen und erwiederte: „Sie hat Recht; ich
darf das Fleiſch nicht eſſen.“
„Nun, ſo laß es ſein!“ ſchrie der Andere giftig, indem
er das Meſſer bei Seite warf. „Bitten werd' ich Dich nicht.“
Und da Georg vor ihm ſtehen blieb, fragte er: „Auf was
warteſt Du noch?“
„Ihr ſollt mir herausgeben“, antwortete Jener ſtockend.
„Ja, ja, ja!“ rief der Aufſeher. „Glaubſt Du, ich werde
die lumpigen paar Kreuzer behalten?“ Und damit warf er
ihm den Reſt in Kupfermünze hin und drehte ihm verächtlich
den Rücken. Georg, den Napf in der einen Hand, las mit
der anderen mühſam die umher rollenden Geldſtücke auf; dann
ſetzte er ſich in einen Winkel und begann ſein karges Mahl
zu verzehren, das mittlerweile ſchon ziemlich kalt geworden
war. Er ſah dabei, wie der Aufſeher eine grünliche Flaſche
ergriff und einigen Verlangenden Branntwein in ein kleines
Glas goß, welches, geleert und wieder gefüllt, von Mund zu
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/163>, abgerufen am 19.07.2024.
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