sich vom Belvedere herüber verirrt haben mochte. Plötzlich war es mir, als vernähme ich leichte, zögernde Tritte und das Rauschen eines Kleides. Ich erhob mich und stand Mariannen gegenüber, die am Eingange der Laube erschien und ihre rei¬ zende Verlegenheit bei meinem Anblick hinter dem aufgespannten Sonnenschirm zu verbergen trachtete. "Entschuldigen Sie," sagte sie mit unsicherer Stimme, "ich dachte -- ich suche meine Schwester -- "
"Ihre Schwester ist heute noch nicht herabgekommen. -- Aber es scheint, Frau Dorner, ich habe Sie wieder erschreckt", fuhr ich fort, da ich sah, daß sie noch immer nach Fassung rang.
"Wieder?" fragte sie und sah mich an.
Das Wort war mir unwillkürlich entschlüpft. "Ich glaube wenigstens, es schon einmal gethan zu haben; vorgestern, als Sie unter jenem Baume standen --"
Ein Lächeln kräuselte flüchtig ihre Lippen. "Ach ja!" sagte sie leichthin. "Wie thöricht von mir, so plötzlich davon zu laufen! Louise hatte mir ja schon von Ihnen gesprochen. -- Doch dafür hab' ich Sie gestern auch erschreckt."
"Mehr als das. Sie glauben gar nicht, wie uns Allen zu Muthe war, als Sie so plötzlich zu Boden stürzten. Aber ich sehe, dieser Unfall hat keine weiteren Folgen gehabt;" und dabei blickte ich ihr in's Antlitz, das wieder ganz frisch und rosig aussah.
"Es war ja nichts von Bedeutung, Ich hatte gegen meine Gewohnheit Wein getrunken. -- Auch war ich recht ausgelassen," setzte sie etwas kleinlaut hinzu.
ſich vom Belvedere herüber verirrt haben mochte. Plötzlich war es mir, als vernähme ich leichte, zögernde Tritte und das Rauſchen eines Kleides. Ich erhob mich und ſtand Mariannen gegenüber, die am Eingange der Laube erſchien und ihre rei¬ zende Verlegenheit bei meinem Anblick hinter dem aufgeſpannten Sonnenſchirm zu verbergen trachtete. „Entſchuldigen Sie,“ ſagte ſie mit unſicherer Stimme, „ich dachte — ich ſuche meine Schweſter — “
„Ihre Schweſter iſt heute noch nicht herabgekommen. — Aber es ſcheint, Frau Dorner, ich habe Sie wieder erſchreckt“, fuhr ich fort, da ich ſah, daß ſie noch immer nach Faſſung rang.
„Wieder?“ fragte ſie und ſah mich an.
Das Wort war mir unwillkürlich entſchlüpft. „Ich glaube wenigſtens, es ſchon einmal gethan zu haben; vorgeſtern, als Sie unter jenem Baume ſtanden —“
Ein Lächeln kräuſelte flüchtig ihre Lippen. „Ach ja!“ ſagte ſie leichthin. „Wie thöricht von mir, ſo plötzlich davon zu laufen! Louiſe hatte mir ja ſchon von Ihnen geſprochen. — Doch dafür hab' ich Sie geſtern auch erſchreckt.“
„Mehr als das. Sie glauben gar nicht, wie uns Allen zu Muthe war, als Sie ſo plötzlich zu Boden ſtürzten. Aber ich ſehe, dieſer Unfall hat keine weiteren Folgen gehabt;“ und dabei blickte ich ihr in's Antlitz, das wieder ganz friſch und roſig ausſah.
„Es war ja nichts von Bedeutung, Ich hatte gegen meine Gewohnheit Wein getrunken. — Auch war ich recht ausgelaſſen,“ ſetzte ſie etwas kleinlaut hinzu.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0114"n="98"/>ſich vom Belvedere herüber verirrt haben mochte. Plötzlich<lb/>
war es mir, als vernähme ich leichte, zögernde Tritte und das<lb/>
Rauſchen eines Kleides. Ich erhob mich und ſtand Mariannen<lb/>
gegenüber, die am Eingange der Laube erſchien und ihre rei¬<lb/>
zende Verlegenheit bei meinem Anblick hinter dem aufgeſpannten<lb/>
Sonnenſchirm zu verbergen trachtete. „Entſchuldigen Sie,“ſagte ſie<lb/>
mit unſicherer Stimme, „ich dachte — ich ſuche meine Schweſter —“</p><lb/><p>„Ihre Schweſter iſt heute noch nicht herabgekommen. —<lb/>
Aber es ſcheint, Frau Dorner, ich habe Sie wieder erſchreckt“,<lb/>
fuhr ich fort, da ich ſah, daß ſie noch immer nach Faſſung rang.</p><lb/><p>„Wieder?“ fragte ſie und ſah mich an.</p><lb/><p>Das Wort war mir unwillkürlich entſchlüpft. „Ich glaube<lb/>
wenigſtens, es ſchon einmal gethan zu haben; vorgeſtern, als<lb/>
Sie unter jenem Baume ſtanden —“</p><lb/><p>Ein Lächeln kräuſelte flüchtig ihre Lippen. „Ach ja!“<lb/>ſagte ſie leichthin. „Wie thöricht von mir, ſo plötzlich davon<lb/>
zu laufen! Louiſe hatte mir ja ſchon von Ihnen geſprochen.<lb/>— Doch dafür hab' ich Sie geſtern auch erſchreckt.“</p><lb/><p>„Mehr als das. Sie glauben gar nicht, wie uns Allen<lb/>
zu Muthe war, als Sie ſo plötzlich zu Boden ſtürzten. Aber<lb/>
ich ſehe, dieſer Unfall hat keine weiteren Folgen gehabt;“ und dabei<lb/>
blickte ich ihr in's Antlitz, das wieder ganz friſch und roſig ausſah.</p><lb/><p>„Es war ja nichts von Bedeutung, Ich hatte gegen<lb/>
meine Gewohnheit Wein getrunken. — Auch war ich recht<lb/>
ausgelaſſen,“ſetzte ſie etwas kleinlaut hinzu.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[98/0114]
ſich vom Belvedere herüber verirrt haben mochte. Plötzlich
war es mir, als vernähme ich leichte, zögernde Tritte und das
Rauſchen eines Kleides. Ich erhob mich und ſtand Mariannen
gegenüber, die am Eingange der Laube erſchien und ihre rei¬
zende Verlegenheit bei meinem Anblick hinter dem aufgeſpannten
Sonnenſchirm zu verbergen trachtete. „Entſchuldigen Sie,“ ſagte ſie
mit unſicherer Stimme, „ich dachte — ich ſuche meine Schweſter — “
„Ihre Schweſter iſt heute noch nicht herabgekommen. —
Aber es ſcheint, Frau Dorner, ich habe Sie wieder erſchreckt“,
fuhr ich fort, da ich ſah, daß ſie noch immer nach Faſſung rang.
„Wieder?“ fragte ſie und ſah mich an.
Das Wort war mir unwillkürlich entſchlüpft. „Ich glaube
wenigſtens, es ſchon einmal gethan zu haben; vorgeſtern, als
Sie unter jenem Baume ſtanden —“
Ein Lächeln kräuſelte flüchtig ihre Lippen. „Ach ja!“
ſagte ſie leichthin. „Wie thöricht von mir, ſo plötzlich davon
zu laufen! Louiſe hatte mir ja ſchon von Ihnen geſprochen.
— Doch dafür hab' ich Sie geſtern auch erſchreckt.“
„Mehr als das. Sie glauben gar nicht, wie uns Allen
zu Muthe war, als Sie ſo plötzlich zu Boden ſtürzten. Aber
ich ſehe, dieſer Unfall hat keine weiteren Folgen gehabt;“ und dabei
blickte ich ihr in's Antlitz, das wieder ganz friſch und roſig ausſah.
„Es war ja nichts von Bedeutung, Ich hatte gegen
meine Gewohnheit Wein getrunken. — Auch war ich recht
ausgelaſſen,“ ſetzte ſie etwas kleinlaut hinzu.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/114>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.