Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

ner Kunstbildung der gänzlichen Vergessenheit entrissen. So
zwey herrliche Bildnisse, deren weder Vasari, noch ein anderer
Schriftsteller, deren überhaupt kein schriftliches Zeugniß er-
wähnt; Brustbilder zweyer Mönche, welche aus Vallombrosa
in die Gallerie der florentinischen Kunstschule gelangt sind.

Nicht leicht wird ein anderes Bild seinen Urheber besser
bezeugen können, als diese. Das eine hat die Umschrift: D.
BALTASAR MONACO -- S. TVO SVCCVRRE,
welche,
in rechtem Winkel gebrochen und längs des Rahmens hinge-
hend, bezeugt, daß beide Bilder nicht etwa aus einem größe-
ren geschnitten sind, sondern stets die Größe und Figur hat-
ten, welche sie noch gegenwärtig zeigen. Denn, so seelenvoll
ist ihr Ausdruck, daß man wohl der Vermuthung Raum ge-
ben dürfte, sie haben vormals in einem historischen Andachts-
gemälde Platz gefunden. Um den zweyten Kopf: BLASIO
GEN. SERVO TVO SVCCVRRE
. Die Profile dieser
Köpfe stehen einander gegenüber, ihre erhobenen Augen sind
auf denselben Punkt, wahrscheinlich auf ein Andachtsbild ge-
richtet, welches vormals in deren Mitte aufgestellt war. Der
eine hager, die Knochenbildung schärfer herausgehoben; der
andere rundlicher, fleischiger, gefärbter, aber auch, da das sel-
tene Haar sich schon zum Weißlichen neigt, viel ältlicher.
Offenbar hat es den Künstler lebhaft ergötzt, diese Individua-
litäten einander scharf und abgesondert entgegenzustellen.

Der geistreichen Modellirung ist in den Schatten durch
Schraffirungen nachgeholfen, welche nicht stören, weil sie dem
Vortrage der spärlichen Haare sich anschließen; oder auch
weil das Ganze mehr als ein Formen- und Charakterstudium
sich geltend macht, daher auf vollendet malerische Erscheinung
keine Ansprüche erweckt. Nicht selten bediente sich Raphael

ner Kunſtbildung der gaͤnzlichen Vergeſſenheit entriſſen. So
zwey herrliche Bildniſſe, deren weder Vaſari, noch ein anderer
Schriftſteller, deren uͤberhaupt kein ſchriftliches Zeugniß er-
waͤhnt; Bruſtbilder zweyer Moͤnche, welche aus Vallombroſa
in die Gallerie der florentiniſchen Kunſtſchule gelangt ſind.

Nicht leicht wird ein anderes Bild ſeinen Urheber beſſer
bezeugen koͤnnen, als dieſe. Das eine hat die Umſchrift: D.
BALTASAR MONACO — S. TVO SVCCVRRE,
welche,
in rechtem Winkel gebrochen und laͤngs des Rahmens hinge-
hend, bezeugt, daß beide Bilder nicht etwa aus einem groͤße-
ren geſchnitten ſind, ſondern ſtets die Groͤße und Figur hat-
ten, welche ſie noch gegenwaͤrtig zeigen. Denn, ſo ſeelenvoll
iſt ihr Ausdruck, daß man wohl der Vermuthung Raum ge-
ben duͤrfte, ſie haben vormals in einem hiſtoriſchen Andachts-
gemaͤlde Platz gefunden. Um den zweyten Kopf: BLASIO
GEN. SERVO TVO SVCCVRRE
. Die Profile dieſer
Koͤpfe ſtehen einander gegenuͤber, ihre erhobenen Augen ſind
auf denſelben Punkt, wahrſcheinlich auf ein Andachtsbild ge-
richtet, welches vormals in deren Mitte aufgeſtellt war. Der
eine hager, die Knochenbildung ſchaͤrfer herausgehoben; der
andere rundlicher, fleiſchiger, gefaͤrbter, aber auch, da das ſel-
tene Haar ſich ſchon zum Weißlichen neigt, viel aͤltlicher.
Offenbar hat es den Kuͤnſtler lebhaft ergoͤtzt, dieſe Individua-
litaͤten einander ſcharf und abgeſondert entgegenzuſtellen.

Der geiſtreichen Modellirung iſt in den Schatten durch
Schraffirungen nachgeholfen, welche nicht ſtoͤren, weil ſie dem
Vortrage der ſpaͤrlichen Haare ſich anſchließen; oder auch
weil das Ganze mehr als ein Formen- und Charakterſtudium
ſich geltend macht, daher auf vollendet maleriſche Erſcheinung
keine Anſpruͤche erweckt. Nicht ſelten bediente ſich Raphael

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0090" n="68"/>
ner Kun&#x017F;tbildung der ga&#x0364;nzlichen Verge&#x017F;&#x017F;enheit entri&#x017F;&#x017F;en. So<lb/>
zwey herrliche Bildni&#x017F;&#x017F;e, deren weder <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName>, noch ein anderer<lb/>
Schrift&#x017F;teller, deren u&#x0364;berhaupt kein &#x017F;chriftliches Zeugniß er-<lb/>
wa&#x0364;hnt; Bru&#x017F;tbilder zweyer Mo&#x0364;nche, welche aus <placeName>Vallombro&#x017F;a</placeName><lb/>
in die Gallerie der florentini&#x017F;chen Kun&#x017F;t&#x017F;chule gelangt &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Nicht leicht wird ein anderes Bild &#x017F;einen Urheber be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
bezeugen ko&#x0364;nnen, als die&#x017F;e. Das eine hat die Um&#x017F;chrift: <hi rendition="#aq">D.<lb/><persName ref="nognd">BALTASAR MONACO</persName> &#x2014; S. TVO SVCCVRRE,</hi> welche,<lb/>
in rechtem Winkel gebrochen und la&#x0364;ngs des Rahmens hinge-<lb/>
hend, bezeugt, daß beide Bilder nicht etwa aus einem gro&#x0364;ße-<lb/>
ren ge&#x017F;chnitten &#x017F;ind, &#x017F;ondern &#x017F;tets die Gro&#x0364;ße und Figur hat-<lb/>
ten, welche &#x017F;ie noch gegenwa&#x0364;rtig zeigen. Denn, &#x017F;o &#x017F;eelenvoll<lb/>
i&#x017F;t ihr Ausdruck, daß man wohl der Vermuthung Raum ge-<lb/>
ben du&#x0364;rfte, &#x017F;ie haben vormals in einem hi&#x017F;tori&#x017F;chen Andachts-<lb/>
gema&#x0364;lde Platz gefunden. Um den zweyten Kopf: <hi rendition="#aq">BLASIO<lb/>
GEN. SERVO TVO SVCCVRRE</hi>. Die Profile die&#x017F;er<lb/>
Ko&#x0364;pfe &#x017F;tehen einander gegenu&#x0364;ber, ihre erhobenen Augen &#x017F;ind<lb/>
auf den&#x017F;elben Punkt, wahr&#x017F;cheinlich auf ein Andachtsbild ge-<lb/>
richtet, welches vormals in deren Mitte aufge&#x017F;tellt war. Der<lb/>
eine hager, die Knochenbildung &#x017F;cha&#x0364;rfer herausgehoben; der<lb/>
andere rundlicher, flei&#x017F;chiger, gefa&#x0364;rbter, aber auch, da das &#x017F;el-<lb/>
tene Haar &#x017F;ich &#x017F;chon zum Weißlichen neigt, viel a&#x0364;ltlicher.<lb/>
Offenbar hat es den Ku&#x0364;n&#x017F;tler lebhaft ergo&#x0364;tzt, die&#x017F;e Individua-<lb/>
lita&#x0364;ten einander &#x017F;charf und abge&#x017F;ondert entgegenzu&#x017F;tellen.</p><lb/>
            <p>Der gei&#x017F;treichen Modellirung i&#x017F;t in den Schatten durch<lb/>
Schraffirungen nachgeholfen, welche nicht &#x017F;to&#x0364;ren, weil &#x017F;ie dem<lb/>
Vortrage der &#x017F;pa&#x0364;rlichen Haare &#x017F;ich an&#x017F;chließen; oder auch<lb/>
weil das Ganze mehr als ein Formen- und Charakter&#x017F;tudium<lb/>
&#x017F;ich geltend macht, daher auf vollendet maleri&#x017F;che Er&#x017F;cheinung<lb/>
keine An&#x017F;pru&#x0364;che erweckt. Nicht &#x017F;elten bediente &#x017F;ich <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0090] ner Kunſtbildung der gaͤnzlichen Vergeſſenheit entriſſen. So zwey herrliche Bildniſſe, deren weder Vaſari, noch ein anderer Schriftſteller, deren uͤberhaupt kein ſchriftliches Zeugniß er- waͤhnt; Bruſtbilder zweyer Moͤnche, welche aus Vallombroſa in die Gallerie der florentiniſchen Kunſtſchule gelangt ſind. Nicht leicht wird ein anderes Bild ſeinen Urheber beſſer bezeugen koͤnnen, als dieſe. Das eine hat die Umſchrift: D. BALTASAR MONACO — S. TVO SVCCVRRE, welche, in rechtem Winkel gebrochen und laͤngs des Rahmens hinge- hend, bezeugt, daß beide Bilder nicht etwa aus einem groͤße- ren geſchnitten ſind, ſondern ſtets die Groͤße und Figur hat- ten, welche ſie noch gegenwaͤrtig zeigen. Denn, ſo ſeelenvoll iſt ihr Ausdruck, daß man wohl der Vermuthung Raum ge- ben duͤrfte, ſie haben vormals in einem hiſtoriſchen Andachts- gemaͤlde Platz gefunden. Um den zweyten Kopf: BLASIO GEN. SERVO TVO SVCCVRRE. Die Profile dieſer Koͤpfe ſtehen einander gegenuͤber, ihre erhobenen Augen ſind auf denſelben Punkt, wahrſcheinlich auf ein Andachtsbild ge- richtet, welches vormals in deren Mitte aufgeſtellt war. Der eine hager, die Knochenbildung ſchaͤrfer herausgehoben; der andere rundlicher, fleiſchiger, gefaͤrbter, aber auch, da das ſel- tene Haar ſich ſchon zum Weißlichen neigt, viel aͤltlicher. Offenbar hat es den Kuͤnſtler lebhaft ergoͤtzt, dieſe Individua- litaͤten einander ſcharf und abgeſondert entgegenzuſtellen. Der geiſtreichen Modellirung iſt in den Schatten durch Schraffirungen nachgeholfen, welche nicht ſtoͤren, weil ſie dem Vortrage der ſpaͤrlichen Haare ſich anſchließen; oder auch weil das Ganze mehr als ein Formen- und Charakterſtudium ſich geltend macht, daher auf vollendet maleriſche Erſcheinung keine Anſpruͤche erweckt. Nicht ſelten bediente ſich Raphael

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/90
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/90>, abgerufen am 23.11.2024.