Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.Severo zu Perugia, mit dem Jahre 1505, die Einwirkung frem- welche Bottari bekannt gemacht, ist nach einem Exemplar genommen, welches vordem in dem jetzt erloschenen Hause Gaddi vorhanden war, und gegenwärtig wohl sich ganz verloren hat. Es fragt sich indeß, ob dieses Exemplar der Originalbrief gewesen; diesen vermuthe ich vielmehr im Archiv der Riformagioni zu Florenz, welches mir nie geöffnet worden ist. -- Gewiß wird man den Brief nicht, wie es seit Pungileoni häufig geschieht, ganz verwerfen dürfen, ehe man das Original gesehen und ge- prüft hat. Daß der Abschreiber geändert habe, erhellt schon aus der Orthographie des Abdruckes. Quatremere de Quincy, hist. de la vie et des ouvrages de Raphael, p. 19. entlehnt aus diesem Briefe (den er ohne Nachweisung wiederum mittheilt) das Dat einer zweyten Reise nach Florenz, welche er, nach Lanzi, aus den eingestanden verworrenen Nachrichten des Vasari hervordeutet. Beide gehen von der Meinung aus, Raphael habe in Siena gemalt, von dort aus Florenz zum ersten Male besucht. Wie konnten sie aber hierin dem Vasari glauben, nach- dem sie den Beweggrund, Michelangelo's Carton, chronologisch als falsch erwiesen hatten? Ist Vasari überhaupt ein Schriftsteller, dem man auf's Wort glauben muß? Sind seine Angaben, wo sie zur Hälfte falsch sind, wie hier, nothwendig zur anderen wahr? Erweislich hat Raphael in Siena nicht gemalt; erweislich war der Carton des Michelangelo damals noch nicht vorhanden; erweislich zeigt sich in Raphaels peruginischen Werken vor dem Jahr 1505 keine Spur der Bekanntschaft mit floren- tinischen Vorbildern: demnach ist des Vasari leichtsinnige Angabe hier nur eben ein Uebergang, wie tausend andere seines weitläuftigen Werkes. III. 4
Severo zu Perugia, mit dem Jahre 1505, die Einwirkung frem- welche Bottari bekannt gemacht, iſt nach einem Exemplar genommen, welches vordem in dem jetzt erloſchenen Hauſe Gaddi vorhanden war, und gegenwärtig wohl ſich ganz verloren hat. Es fragt ſich indeß, ob dieſes Exemplar der Originalbrief geweſen; dieſen vermuthe ich vielmehr im Archiv der Riformagioni zu Florenz, welches mir nie geöffnet worden iſt. — Gewiß wird man den Brief nicht, wie es ſeit Pungileoni häufig geſchieht, ganz verwerfen dürfen, ehe man das Original geſehen und ge- prüft hat. Daß der Abſchreiber geändert habe, erhellt ſchon aus der Orthographie des Abdruckes. Quatremère de Quincy, hist. de la vie et des ouvrages de Raphael, p. 19. entlehnt aus dieſem Briefe (den er ohne Nachweiſung wiederum mittheilt) das Dat einer zweyten Reiſe nach Florenz, welche er, nach Lanzi, aus den eingeſtanden verworrenen Nachrichten des Vaſari hervordeutet. Beide gehen von der Meinung aus, Raphael habe in Siena gemalt, von dort aus Florenz zum erſten Male beſucht. Wie konnten ſie aber hierin dem Vaſari glauben, nach- dem ſie den Beweggrund, Michelangelo’s Carton, chronologiſch als falſch erwieſen hatten? Iſt Vaſari überhaupt ein Schriftſteller, dem man auf’s Wort glauben muß? Sind ſeine Angaben, wo ſie zur Hälfte falſch ſind, wie hier, nothwendig zur anderen wahr? Erweislich hat Raphael in Siena nicht gemalt; erweislich war der Carton des Michelangelo damals noch nicht vorhanden; erweislich zeigt ſich in Raphaels peruginiſchen Werken vor dem Jahr 1505 keine Spur der Bekanntſchaft mit floren- tiniſchen Vorbildern: demnach iſt des Vaſari leichtſinnige Angabe hier nur eben ein Uebergang, wie tauſend andere ſeines weitläuftigen Werkes. III. 4
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Severo zu Perugia, mit dem Jahre 1505, die Einwirkung frem-
der, den Schulen von Perugia, Fuligno, von anderen Staͤdten
der Oſtſeite Mittelitaliens durchaus nicht angehoͤrender Vor-
bilder ganz unverkennbar; mehr auf ſchon ſicherer Kenntniß
beruhender Schwung in der Zeichnung, in den Gewaͤndern
jenes Maſſige, Breite, welches unter den Neueren Maſaccio
zuerſt verſucht hat. Indeß war Raphael zu keiner Zeit ein
platter Nachahmer; das neue maleriſche Element fand ihn
ſchon vorbereitet, ergriff ihn, weil es mit ſeinen eigenthuͤmlich-
ſten Wuͤnſchen und Abſichten wunderbar uͤbereintraf, ihn uͤber
ſich ſelbſt aufklaͤrte.
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*) welche Bottari bekannt gemacht, iſt nach einem Exemplar genommen,
welches vordem in dem jetzt erloſchenen Hauſe Gaddi vorhanden war,
und gegenwärtig wohl ſich ganz verloren hat. Es fragt ſich indeß, ob
dieſes Exemplar der Originalbrief geweſen; dieſen vermuthe ich vielmehr
im Archiv der Riformagioni zu Florenz, welches mir nie geöffnet worden
iſt. — Gewiß wird man den Brief nicht, wie es ſeit Pungileoni häufig
geſchieht, ganz verwerfen dürfen, ehe man das Original geſehen und ge-
prüft hat. Daß der Abſchreiber geändert habe, erhellt ſchon aus der
Orthographie des Abdruckes. Quatremère de Quincy, hist. de la vie
et des ouvrages de Raphael, p. 19. entlehnt aus dieſem Briefe (den
er ohne Nachweiſung wiederum mittheilt) das Dat einer zweyten Reiſe
nach Florenz, welche er, nach Lanzi, aus den eingeſtanden verworrenen
Nachrichten des Vaſari hervordeutet. Beide gehen von der Meinung
aus, Raphael habe in Siena gemalt, von dort aus Florenz zum erſten
Male beſucht. Wie konnten ſie aber hierin dem Vaſari glauben, nach-
dem ſie den Beweggrund, Michelangelo’s Carton, chronologiſch als falſch
erwieſen hatten? Iſt Vaſari überhaupt ein Schriftſteller, dem man auf’s
Wort glauben muß? Sind ſeine Angaben, wo ſie zur Hälfte falſch ſind,
wie hier, nothwendig zur anderen wahr? Erweislich hat Raphael in
Siena nicht gemalt; erweislich war der Carton des Michelangelo damals
noch nicht vorhanden; erweislich zeigt ſich in Raphaels peruginiſchen
Werken vor dem Jahr 1505 keine Spur der Bekanntſchaft mit floren-
tiniſchen Vorbildern: demnach iſt des Vaſari leichtſinnige Angabe hier
nur eben ein Uebergang, wie tauſend andere ſeines weitläuftigen Werkes.
III. 4
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