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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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des. Oeffentlich ward dieses lange vorwaltende Urtheil zuerst
im Ardinghello angegriffen, gezeigt, daß es hier galt, in die
Bewegung der Boten des rächenden Gottes die Schnelligkeit
des Blitzes zu legen, daher der Raum, den sie eben durch-
messen, noch unbesetzt, der Volkshaufe noch zurückgedrängt er-
scheinen mußte; was in der That das Gewaltige und Ueber-
menschliche des Vorganges ganz unvergleichlich ausdrückt.
Habe nun auch freylich die Aufgabe dem Componisten, als
solchem, hier eigenthümliche Schwierigkeiten entgegengestellt, so
verdiene er darum nur um so mehr Bewunderung, weil er sie
mit größtem Erfolg überwunden. Denn er lasse das Volk
in schräger Richtung sich in den Mittelgrund drängen, stelle
daher nicht dieses, sondern den Pabst auf seinem Tragsessel
(auch an dieser allusorischen Episode haben zu peinliche Kri-
tiker Anstoß genommen) der Gruppe verjagter Krieger gegen-
über, wodurch das etwa begehrenswerthe Gleichgewicht ganz
wiederhergestellt werde. Uebrigens müsse die Mitte des Bil-
des auch geleert bleiben, damit der Hohepriester, dessen Gebet
die ganze Handlung motivirt, deutlich gezeigt werden könne.

Gleiche Sicherheit des Geschmackes zeigte Raphael in
Solchem, was nicht mehr, wie jenes, dem allgemeinen, jeg-
liche Kunst, auch die Baukunst, umfassenden Style, sondern
ausschließlich dem malerischen angehört.

In der Bildnerey beruhet die Darstellung auf einer ge-
wandten Handhabung reeller Formen. Da nun hingegen die
Malerey des bloßen Anscheines von Formen sich bedient, wel-
chen sie künstlich auf einer Fläche hervorruft, so muß ein-
leuchtend in ihr jegliches der Apparenz Entgegenwirkende, oder
sie Aufhebende, sehr ernstlich zu vermeiden seyn. Dahin ge-
hören Localtöne, welche durch eine ungehörige Farbe, durch

des. Oeffentlich ward dieſes lange vorwaltende Urtheil zuerſt
im Ardinghello angegriffen, gezeigt, daß es hier galt, in die
Bewegung der Boten des raͤchenden Gottes die Schnelligkeit
des Blitzes zu legen, daher der Raum, den ſie eben durch-
meſſen, noch unbeſetzt, der Volkshaufe noch zuruͤckgedraͤngt er-
ſcheinen mußte; was in der That das Gewaltige und Ueber-
menſchliche des Vorganges ganz unvergleichlich ausdruͤckt.
Habe nun auch freylich die Aufgabe dem Componiſten, als
ſolchem, hier eigenthuͤmliche Schwierigkeiten entgegengeſtellt, ſo
verdiene er darum nur um ſo mehr Bewunderung, weil er ſie
mit groͤßtem Erfolg uͤberwunden. Denn er laſſe das Volk
in ſchraͤger Richtung ſich in den Mittelgrund draͤngen, ſtelle
daher nicht dieſes, ſondern den Pabſt auf ſeinem Tragſeſſel
(auch an dieſer alluſoriſchen Epiſode haben zu peinliche Kri-
tiker Anſtoß genommen) der Gruppe verjagter Krieger gegen-
uͤber, wodurch das etwa begehrenswerthe Gleichgewicht ganz
wiederhergeſtellt werde. Uebrigens muͤſſe die Mitte des Bil-
des auch geleert bleiben, damit der Hoheprieſter, deſſen Gebet
die ganze Handlung motivirt, deutlich gezeigt werden koͤnne.

Gleiche Sicherheit des Geſchmackes zeigte Raphael in
Solchem, was nicht mehr, wie jenes, dem allgemeinen, jeg-
liche Kunſt, auch die Baukunſt, umfaſſenden Style, ſondern
ausſchließlich dem maleriſchen angehoͤrt.

In der Bildnerey beruhet die Darſtellung auf einer ge-
wandten Handhabung reeller Formen. Da nun hingegen die
Malerey des bloßen Anſcheines von Formen ſich bedient, wel-
chen ſie kuͤnſtlich auf einer Flaͤche hervorruft, ſo muß ein-
leuchtend in ihr jegliches der Apparenz Entgegenwirkende, oder
ſie Aufhebende, ſehr ernſtlich zu vermeiden ſeyn. Dahin ge-
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[20/0042] des. Oeffentlich ward dieſes lange vorwaltende Urtheil zuerſt im Ardinghello angegriffen, gezeigt, daß es hier galt, in die Bewegung der Boten des raͤchenden Gottes die Schnelligkeit des Blitzes zu legen, daher der Raum, den ſie eben durch- meſſen, noch unbeſetzt, der Volkshaufe noch zuruͤckgedraͤngt er- ſcheinen mußte; was in der That das Gewaltige und Ueber- menſchliche des Vorganges ganz unvergleichlich ausdruͤckt. Habe nun auch freylich die Aufgabe dem Componiſten, als ſolchem, hier eigenthuͤmliche Schwierigkeiten entgegengeſtellt, ſo verdiene er darum nur um ſo mehr Bewunderung, weil er ſie mit groͤßtem Erfolg uͤberwunden. Denn er laſſe das Volk in ſchraͤger Richtung ſich in den Mittelgrund draͤngen, ſtelle daher nicht dieſes, ſondern den Pabſt auf ſeinem Tragſeſſel (auch an dieſer alluſoriſchen Epiſode haben zu peinliche Kri- tiker Anſtoß genommen) der Gruppe verjagter Krieger gegen- uͤber, wodurch das etwa begehrenswerthe Gleichgewicht ganz wiederhergeſtellt werde. Uebrigens muͤſſe die Mitte des Bil- des auch geleert bleiben, damit der Hoheprieſter, deſſen Gebet die ganze Handlung motivirt, deutlich gezeigt werden koͤnne. Gleiche Sicherheit des Geſchmackes zeigte Raphael in Solchem, was nicht mehr, wie jenes, dem allgemeinen, jeg- liche Kunſt, auch die Baukunſt, umfaſſenden Style, ſondern ausſchließlich dem maleriſchen angehoͤrt. In der Bildnerey beruhet die Darſtellung auf einer ge- wandten Handhabung reeller Formen. Da nun hingegen die Malerey des bloßen Anſcheines von Formen ſich bedient, wel- chen ſie kuͤnſtlich auf einer Flaͤche hervorruft, ſo muß ein- leuchtend in ihr jegliches der Apparenz Entgegenwirkende, oder ſie Aufhebende, ſehr ernſtlich zu vermeiden ſeyn. Dahin ge- hoͤren Localtoͤne, welche durch eine ungehoͤrige Farbe, durch

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/42>, abgerufen am 28.03.2024.