Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.renden Doctrin. Bey jenen blieb das Urtheil über die grö- Freylich erheischt auch der Genuß, besonders aber die renden Doctrin. Bey jenen blieb das Urtheil uͤber die groͤ- Freylich erheiſcht auch der Genuß, beſonders aber die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0026" n="4"/> renden Doctrin. Bey jenen blieb das Urtheil uͤber die groͤ-<lb/> ßeren Kuͤnſtler unangefochten, weil fuͤr deren ſehr zugaͤngliche<lb/> Werke das Gefuͤhl immerfort Zeugniß ablegte. Unter uns<lb/> aber, wo ſogar in der Sprache die lebendige Modulation<lb/> muͤndlicher Mittheilung durch Schrift und Druck zuruͤckge-<lb/> draͤngt, die unmittelbare Anſchauung geiſtvoller Kunſterzeug-<lb/> niſſe durch den Kupferſtich erſetzt wurde, gelangten Viele,<lb/> welche den unmittelbaren Erzeugniſſen des Geiſtes gegenuͤber<lb/> verſtummen, weil fuͤr das Ueberſchwengliche das Maaß ihnen<lb/> verſagt iſt, doch dahin, des aͤſthetiſchen Materiales gleichſam<lb/> im Auszuge ſich zu bemaͤchtigen, durch Umfang der Kunde<lb/> und Beleſenheit ſich geltend zu machen; wohingegen uͤber<lb/> die aͤchten Kunſtwerke, bey deren weiter Verſtreuung, nur<lb/> Wenige ein ſicheres und ſelbſtſtaͤndiges Urtheil ſich bildeten.<lb/> So konnten, in den letzten Jahrhunderten, Theorieen, deren<lb/> conſequente Anwendung das Vortreffliche herabſetzen, hinge-<lb/> gen das Geringe und Schlechte hervorheben wuͤrde, doch,<lb/> gegen die richtigeren Entſcheidungen eines gebildeten Gefuͤhles,<lb/> bey der Menge Einfluß erlangen, und ſo lange darin ſich be-<lb/> haupten, bis ſie durch neue verdraͤngt wurden. Auch erlangte<lb/> aus demſelben Grunde Einiges, welches alte Schriftſteller<lb/> poetiſch, Anderes, was ſie fluͤchtig ausgeſprochen, oder ſophi-<lb/> ſtiſch hervorgeſponnen, ein Anſehn, ja auf die Thaͤtigkeit mo-<lb/> derner Kunſt einen Einfluß, welcher, nach dem Zeugniß der<lb/> Denkmale antiker Kunſt, im Alterthume ihm keinerzeit in glei-<lb/> chem Maaße iſt eingeraͤumt worden.</p><lb/> <p>Freylich erheiſcht auch der Genuß, beſonders aber die<lb/> Hervorbringung des Schoͤnen, ein gewiſſes Verſtaͤndniß. In-<lb/> deß wird die Begriffsentwickelung der aͤſthetiſchen Praxis, da<lb/> ſie unmittelbar aus dem Beduͤrfniß entſpringt, nothwendig iſt,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0026]
renden Doctrin. Bey jenen blieb das Urtheil uͤber die groͤ-
ßeren Kuͤnſtler unangefochten, weil fuͤr deren ſehr zugaͤngliche
Werke das Gefuͤhl immerfort Zeugniß ablegte. Unter uns
aber, wo ſogar in der Sprache die lebendige Modulation
muͤndlicher Mittheilung durch Schrift und Druck zuruͤckge-
draͤngt, die unmittelbare Anſchauung geiſtvoller Kunſterzeug-
niſſe durch den Kupferſtich erſetzt wurde, gelangten Viele,
welche den unmittelbaren Erzeugniſſen des Geiſtes gegenuͤber
verſtummen, weil fuͤr das Ueberſchwengliche das Maaß ihnen
verſagt iſt, doch dahin, des aͤſthetiſchen Materiales gleichſam
im Auszuge ſich zu bemaͤchtigen, durch Umfang der Kunde
und Beleſenheit ſich geltend zu machen; wohingegen uͤber
die aͤchten Kunſtwerke, bey deren weiter Verſtreuung, nur
Wenige ein ſicheres und ſelbſtſtaͤndiges Urtheil ſich bildeten.
So konnten, in den letzten Jahrhunderten, Theorieen, deren
conſequente Anwendung das Vortreffliche herabſetzen, hinge-
gen das Geringe und Schlechte hervorheben wuͤrde, doch,
gegen die richtigeren Entſcheidungen eines gebildeten Gefuͤhles,
bey der Menge Einfluß erlangen, und ſo lange darin ſich be-
haupten, bis ſie durch neue verdraͤngt wurden. Auch erlangte
aus demſelben Grunde Einiges, welches alte Schriftſteller
poetiſch, Anderes, was ſie fluͤchtig ausgeſprochen, oder ſophi-
ſtiſch hervorgeſponnen, ein Anſehn, ja auf die Thaͤtigkeit mo-
derner Kunſt einen Einfluß, welcher, nach dem Zeugniß der
Denkmale antiker Kunſt, im Alterthume ihm keinerzeit in glei-
chem Maaße iſt eingeraͤumt worden.
Freylich erheiſcht auch der Genuß, beſonders aber die
Hervorbringung des Schoͤnen, ein gewiſſes Verſtaͤndniß. In-
deß wird die Begriffsentwickelung der aͤſthetiſchen Praxis, da
ſie unmittelbar aus dem Beduͤrfniß entſpringt, nothwendig iſt,
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