Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.nach der longobardischen Einwanderung, bis auf die carolin- Die römische Bauschule hatte unter den Gothen keine *) S. d'Agincourt und andere. **) S. Bacchini, ad Agnellum, vita S. Ecclesii, bey Muratori
script. To. II. -- Hauptgründe: daß Procop. de aedif. Justiniani, sie nicht anführe; daß die musivische Inschrift im Innern der Kirche nicht, gleich der nachgewiesenen der Kirche S. Sergius und Bacchus, des Baues, sondern nur der Weihgeschenke des Kaisers erwähne. Vergl. den Text des Agnellus. Ein anderer, noch stärkerer Grund liegt in der gezwungenen Anlage der Vorhalle, narthex, welche jedem Architec- ten (bey d'Agincourt, Durand, mon. Rav. etc.) auffallen muß. Dieser Raum ist, nach justinianischer Vorschrift, für die Büßenden bestimmt, vielleicht in der westlichen Christenheit das einzige Beispiel seiner Art. Unmittelbar nach der Eroberung mochte der Kaiser gehofft haben, sei- nen liturgischen Anordnungen auch in Italien Eingang zu verschaffen. Wäre die Vorhalle im ersten Plane des Gebäudes gelegen, so würde sie demselben mehr symmetrisch sich anschließen. -- Uebrigens geht das Gebäude ganz folgerecht aus italienischen Präcedenzen hervor. nach der longobardiſchen Einwanderung, bis auf die carolin- Die roͤmiſche Bauſchule hatte unter den Gothen keine *) S. d’Agincourt und andere. **) S. Bacchini, ad Agnellum, vita S. Ecclesii, bey Muratori
script. To. II. — Hauptgründe: daß Procop. de aedif. Justiniani, ſie nicht anführe; daß die muſiviſche Inſchrift im Innern der Kirche nicht, gleich der nachgewieſenen der Kirche S. Sergius und Bacchus, des Baues, ſondern nur der Weihgeſchenke des Kaiſers erwähne. Vergl. den Text des Agnellus. Ein anderer, noch ſtärkerer Grund liegt in der gezwungenen Anlage der Vorhalle, narthex, welche jedem Architec- ten (bey d’Agincourt, Durand, mon. Rav. etc.) auffallen muß. Dieſer Raum iſt, nach juſtinianiſcher Vorſchrift, für die Büßenden beſtimmt, vielleicht in der weſtlichen Chriſtenheit das einzige Beiſpiel ſeiner Art. Unmittelbar nach der Eroberung mochte der Kaiſer gehofft haben, ſei- nen liturgiſchen Anordnungen auch in Italien Eingang zu verſchaffen. Wäre die Vorhalle im erſten Plane des Gebäudes gelegen, ſo würde ſie demſelben mehr ſymmetriſch ſich anſchließen. — Uebrigens geht das Gebäude ganz folgerecht aus italieniſchen Präcedenzen hervor. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0222" n="200"/> nach der <choice><sic>longobardiſcheu</sic><corr>longobardiſchen</corr></choice> Einwanderung, bis auf die carolin-<lb/> giſchen, und viel ſpaͤtern Zeiten. Was denn nun haͤtten die<lb/> Bewohner <placeName>Italiens</placeName> vom ſechſten zum achten Jahrhunderte<lb/> aus der Baukunſt des oͤſtlichen Reiches entlehnen ſollen?<lb/> Das Techniſche? Keinesweges; denn, wie ich gezeigt habe,<lb/> beruhete dieſes in beiden Bauſchulen auf roͤmiſchen Traditio-<lb/> nen, iſt kein Grund vorhanden, bey den Italienern der go-<lb/> thiſchen und longobardiſchen Zeit eine gaͤnzliche Ausrottung<lb/> roͤmiſcher Baukunde anzunehmen, was zwar dem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName><lb/> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>, doch unſeren Zeitgenoſſen gewiß nicht zu verzeihen<lb/> waͤre. Nun gar das Beyſpiel, welches man dafuͤr anfuͤhrt!<lb/> Die Kirche S. Vitale zu <placeName>Ravenna</placeName>! <note place="foot" n="*)">S. d’<persName ref="http://d-nb.info/gnd/117670901">Agincourt</persName> und andere.</note> Als wenn es nicht<lb/> laͤngſt erwieſen waͤre, daß ſie ein Werk der letzten gothiſchen<lb/> Regierung iſt, welches <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11855896X">Juſtinian</persName> nur muſiviſch ausgeziert, <note place="foot" n="**)">S. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/104119691">Bacchini</persName>, ad <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118647296">Agnellum</persName>, vita S. Ecclesii,</hi> bey <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118844520">Muratori</persName><lb/> script. To. II.</hi> — Hauptgründe: daß <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118741985">Procop.</persName> de aedif. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11855896X">Justiniani</persName>,</hi> ſie<lb/> nicht anführe; daß die muſiviſche Inſchrift im Innern der Kirche nicht,<lb/> gleich der nachgewieſenen der Kirche S. Sergius und Bacchus, des<lb/> Baues, ſondern nur der Weihgeſchenke des Kaiſers erwähne. Vergl.<lb/> den Text des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118647296">Agnellus</persName>. Ein anderer, noch ſtärkerer Grund liegt in der<lb/><hi rendition="#g">gezwungenen</hi> Anlage der Vorhalle, <hi rendition="#aq">narthex,</hi> welche jedem Architec-<lb/> ten (bey <hi rendition="#aq">d’<persName ref="http://d-nb.info/gnd/117670901">Agincourt</persName>, <persName ref="nognd">Durand</persName>, mon. Rav. etc.)</hi> auffallen muß. Dieſer<lb/> Raum iſt, nach juſtinianiſcher Vorſchrift, für die Büßenden beſtimmt,<lb/> vielleicht in der weſtlichen Chriſtenheit das einzige Beiſpiel ſeiner Art.<lb/> Unmittelbar nach der Eroberung mochte der Kaiſer gehofft haben, ſei-<lb/> nen liturgiſchen Anordnungen auch in <placeName>Italien</placeName> Eingang zu verſchaffen.<lb/> Wäre die Vorhalle im erſten Plane des Gebäudes gelegen, ſo würde ſie<lb/> demſelben mehr ſymmetriſch ſich anſchließen. — Uebrigens geht das<lb/> Gebäude ganz folgerecht aus italieniſchen Präcedenzen hervor.</note><lb/> und mit einer Vorhalle verſehen hat.</p><lb/> <p>Die roͤmiſche Bauſchule hatte unter den Gothen keine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0222]
nach der longobardiſchen Einwanderung, bis auf die carolin-
giſchen, und viel ſpaͤtern Zeiten. Was denn nun haͤtten die
Bewohner Italiens vom ſechſten zum achten Jahrhunderte
aus der Baukunſt des oͤſtlichen Reiches entlehnen ſollen?
Das Techniſche? Keinesweges; denn, wie ich gezeigt habe,
beruhete dieſes in beiden Bauſchulen auf roͤmiſchen Traditio-
nen, iſt kein Grund vorhanden, bey den Italienern der go-
thiſchen und longobardiſchen Zeit eine gaͤnzliche Ausrottung
roͤmiſcher Baukunde anzunehmen, was zwar dem Ghiberti
und Vaſari, doch unſeren Zeitgenoſſen gewiß nicht zu verzeihen
waͤre. Nun gar das Beyſpiel, welches man dafuͤr anfuͤhrt!
Die Kirche S. Vitale zu Ravenna! *) Als wenn es nicht
laͤngſt erwieſen waͤre, daß ſie ein Werk der letzten gothiſchen
Regierung iſt, welches Juſtinian nur muſiviſch ausgeziert, **)
und mit einer Vorhalle verſehen hat.
Die roͤmiſche Bauſchule hatte unter den Gothen keine
*) S. d’Agincourt und andere.
**) S. Bacchini, ad Agnellum, vita S. Ecclesii, bey Muratori
script. To. II. — Hauptgründe: daß Procop. de aedif. Justiniani, ſie
nicht anführe; daß die muſiviſche Inſchrift im Innern der Kirche nicht,
gleich der nachgewieſenen der Kirche S. Sergius und Bacchus, des
Baues, ſondern nur der Weihgeſchenke des Kaiſers erwähne. Vergl.
den Text des Agnellus. Ein anderer, noch ſtärkerer Grund liegt in der
gezwungenen Anlage der Vorhalle, narthex, welche jedem Architec-
ten (bey d’Agincourt, Durand, mon. Rav. etc.) auffallen muß. Dieſer
Raum iſt, nach juſtinianiſcher Vorſchrift, für die Büßenden beſtimmt,
vielleicht in der weſtlichen Chriſtenheit das einzige Beiſpiel ſeiner Art.
Unmittelbar nach der Eroberung mochte der Kaiſer gehofft haben, ſei-
nen liturgiſchen Anordnungen auch in Italien Eingang zu verſchaffen.
Wäre die Vorhalle im erſten Plane des Gebäudes gelegen, ſo würde ſie
demſelben mehr ſymmetriſch ſich anſchließen. — Uebrigens geht das
Gebäude ganz folgerecht aus italieniſchen Präcedenzen hervor.
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