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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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gleichheit und schlechte Bearbeitung verzierender Theile; hin-
gegen bezeugt die freye, oft sinnreiche Anlage des Ganzen,
daß Erfindung und richtige Beurtheilung der Aufgabe den
christlichen Architecten des Alterthumes nicht in dem Maße
fehlte, als häufig angenommen wird. *)

Unter allen Umständen haben sie die Handgriffe, Kunst-
vortheile und Zierden der römisch-griechischen Baukunst zuerst
in jenes neue Ganze umgegossen, welches der Baukunst des
Mittelalters langezeit zum Vorbilde gedient. Bis in das
zwölfte Jahrhundert erhielt sich in Italien, zum Theile auch
in anderen frühe christlichen Landschaften, Einiges von römi-
scher Technik, antiker Eintheilung und Verzierungsart, ich ent-
scheide nicht, ob mehr durch Schultradition, ob mehr durch
Nachahmung der Denkmale. Im Ganzen also wird die
Geschichte der Baukunst des früheren Mittelalters als ein
fortgehender Kampf der christlich-römischen Bauschule gegen
äußere, sie hemmende, oder doch verkümmernde Umstände sich
darstellen lassen.

Allerdings haben zeitliche und locale Ursachen die Archi-
tectur der barbarischen Jahrhunderte mehr und weniger mo-
dificirt. Es wird daher, wo, aus diplomatischen Gründen,
die Unterscheidung dieser Modificationen Bedeutung und Wich-
tigkeit erhält, in Frage kommen, ob man sie zweckmäßiger
nach dem Zeitalter, oder nach der Localität classificire. Das
Beyspiel des classiischen Alterthumes, in welchem man die
ägyptische, griechische und römische Bauschule geographisch

*) S. Guttensohn et Knapp, mon. di religione Christiana, ossia
raccolta delle antiche chiese di Roma dal quarto Secolo etc. Roma
1822
, gr. Fol. Heft II. u. III. das. 1824. Vgl. die Monum. Ra-
vennati etc.
(d. i. das Kupferwerk des Titels).
11 *

gleichheit und ſchlechte Bearbeitung verzierender Theile; hin-
gegen bezeugt die freye, oft ſinnreiche Anlage des Ganzen,
daß Erfindung und richtige Beurtheilung der Aufgabe den
chriſtlichen Architecten des Alterthumes nicht in dem Maße
fehlte, als haͤufig angenommen wird. *)

Unter allen Umſtaͤnden haben ſie die Handgriffe, Kunſt-
vortheile und Zierden der roͤmiſch-griechiſchen Baukunſt zuerſt
in jenes neue Ganze umgegoſſen, welches der Baukunſt des
Mittelalters langezeit zum Vorbilde gedient. Bis in das
zwoͤlfte Jahrhundert erhielt ſich in Italien, zum Theile auch
in anderen fruͤhe chriſtlichen Landſchaften, Einiges von roͤmi-
ſcher Technik, antiker Eintheilung und Verzierungsart, ich ent-
ſcheide nicht, ob mehr durch Schultradition, ob mehr durch
Nachahmung der Denkmale. Im Ganzen alſo wird die
Geſchichte der Baukunſt des fruͤheren Mittelalters als ein
fortgehender Kampf der chriſtlich-roͤmiſchen Bauſchule gegen
aͤußere, ſie hemmende, oder doch verkuͤmmernde Umſtaͤnde ſich
darſtellen laſſen.

Allerdings haben zeitliche und locale Urſachen die Archi-
tectur der barbariſchen Jahrhunderte mehr und weniger mo-
dificirt. Es wird daher, wo, aus diplomatiſchen Gruͤnden,
die Unterſcheidung dieſer Modificationen Bedeutung und Wich-
tigkeit erhaͤlt, in Frage kommen, ob man ſie zweckmaͤßiger
nach dem Zeitalter, oder nach der Localitaͤt claſſificire. Das
Beyſpiel des claſſiiſchen Alterthumes, in welchem man die
aͤgyptiſche, griechiſche und roͤmiſche Bauſchule geographiſch

*) S. Guttensohn et Knapp, mon. di religione Christiana, ossia
raccolta delle antiche chiese di Roma dal quarto Secolo etc. Roma
1822
, gr. Fol. Heft II. u. III. daſ. 1824. Vgl. die Monum. Ra-
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(d. i. das Kupferwerk des Titels).
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[163/0185] gleichheit und ſchlechte Bearbeitung verzierender Theile; hin- gegen bezeugt die freye, oft ſinnreiche Anlage des Ganzen, daß Erfindung und richtige Beurtheilung der Aufgabe den chriſtlichen Architecten des Alterthumes nicht in dem Maße fehlte, als haͤufig angenommen wird. *) Unter allen Umſtaͤnden haben ſie die Handgriffe, Kunſt- vortheile und Zierden der roͤmiſch-griechiſchen Baukunſt zuerſt in jenes neue Ganze umgegoſſen, welches der Baukunſt des Mittelalters langezeit zum Vorbilde gedient. Bis in das zwoͤlfte Jahrhundert erhielt ſich in Italien, zum Theile auch in anderen fruͤhe chriſtlichen Landſchaften, Einiges von roͤmi- ſcher Technik, antiker Eintheilung und Verzierungsart, ich ent- ſcheide nicht, ob mehr durch Schultradition, ob mehr durch Nachahmung der Denkmale. Im Ganzen alſo wird die Geſchichte der Baukunſt des fruͤheren Mittelalters als ein fortgehender Kampf der chriſtlich-roͤmiſchen Bauſchule gegen aͤußere, ſie hemmende, oder doch verkuͤmmernde Umſtaͤnde ſich darſtellen laſſen. Allerdings haben zeitliche und locale Urſachen die Archi- tectur der barbariſchen Jahrhunderte mehr und weniger mo- dificirt. Es wird daher, wo, aus diplomatiſchen Gruͤnden, die Unterſcheidung dieſer Modificationen Bedeutung und Wich- tigkeit erhaͤlt, in Frage kommen, ob man ſie zweckmaͤßiger nach dem Zeitalter, oder nach der Localitaͤt claſſificire. Das Beyſpiel des claſſiiſchen Alterthumes, in welchem man die aͤgyptiſche, griechiſche und roͤmiſche Bauſchule geographiſch *) S. Guttensohn et Knapp, mon. di religione Christiana, ossia raccolta delle antiche chiese di Roma dal quarto Secolo etc. Roma 1822, gr. Fol. Heft II. u. III. daſ. 1824. Vgl. die Monum. Ra- vennati etc. (d. i. das Kupferwerk des Titels). 11 *

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/185>, abgerufen am 02.05.2024.