die Grenzen des Möglichen und Wahrscheinlichen hin- ausgeführt. Allein ungeachtet des Umfanges darin vereinigter Notizen von sehr verschiedenem Werthe, und meines eigenen viel eingeschränkteren Planes, habe ich das Verzeichniß der früheren Werke Raphaels noch um einige weniger beachtete Stücke erweitern können. Ueberhaupt schmeichle ich mir, die Jugendarbeiten Ra- phaels in eine bessere Folge und Ordnung gebracht zu haben, als die angenommene. Eine ernstliche Be- schäftigung mit den Schulen zu Fuligno und Peru- gia, von welcher im vorangehenden Bande Rechen- schaft abgelegt worden, hatte mich in den Stand ge- setzt, durch den Nebel zu sehen, welchen die Druck- schriften seit Vasari über die Jugend Raphaels ver- breitet haben. Die verschiedenen Epochen des Pietro Perugino, welche doch schon Vasari, zwar allgemein- hin, doch ganz richtig bezeichnet, waren von den Ver- fassern der lettere Perugine, von Lanzi und anderen neueren Schriftstellern nie gehörig unterschieden wor- den; der Andrea di Luigi, genannt Ingegno, war, bis ich das historisch Sichere aufgedeckt, Gegenstand der lächerlichsten Träumereien; selbst den Pinturicchio kannte man wenig, unterschied seine eigene Arbeiten durchaus nicht von denjenigen, welche er mit Hülfe sehr ver- schiedener Künstler auf Unternehmung gemalt hat. So wenig vorbereitet, mußte es dem Historiker, wie selbst dem Kenner schwer fallen, Raphaels früheste Arbeiten von den verwandten und ähnlichen der Schulen, an
die Grenzen des Möglichen und Wahrſcheinlichen hin- ausgeführt. Allein ungeachtet des Umfanges darin vereinigter Notizen von ſehr verſchiedenem Werthe, und meines eigenen viel eingeſchränkteren Planes, habe ich das Verzeichniß der früheren Werke Raphaels noch um einige weniger beachtete Stücke erweitern können. Ueberhaupt ſchmeichle ich mir, die Jugendarbeiten Ra- phaels in eine beſſere Folge und Ordnung gebracht zu haben, als die angenommene. Eine ernſtliche Be- ſchäftigung mit den Schulen zu Fuligno und Peru- gia, von welcher im vorangehenden Bande Rechen- ſchaft abgelegt worden, hatte mich in den Stand ge- ſetzt, durch den Nebel zu ſehen, welchen die Druck- ſchriften ſeit Vaſari über die Jugend Raphaels ver- breitet haben. Die verſchiedenen Epochen des Pietro Perugino, welche doch ſchon Vaſari, zwar allgemein- hin, doch ganz richtig bezeichnet, waren von den Ver- faſſern der lettere Perugine, von Lanzi und anderen neueren Schriftſtellern nie gehörig unterſchieden wor- den; der Andrea di Luigi, genannt Ingegno, war, bis ich das hiſtoriſch Sichere aufgedeckt, Gegenſtand der lächerlichſten Träumereien; ſelbſt den Pinturicchio kannte man wenig, unterſchied ſeine eigene Arbeiten durchaus nicht von denjenigen, welche er mit Hülfe ſehr ver- ſchiedener Künſtler auf Unternehmung gemalt hat. So wenig vorbereitet, mußte es dem Hiſtoriker, wie ſelbſt dem Kenner ſchwer fallen, Raphaels früheſte Arbeiten von den verwandten und ähnlichen der Schulen, an
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[XII/0018]
die Grenzen des Möglichen und Wahrſcheinlichen hin-
ausgeführt. Allein ungeachtet des Umfanges darin
vereinigter Notizen von ſehr verſchiedenem Werthe,
und meines eigenen viel eingeſchränkteren Planes, habe
ich das Verzeichniß der früheren Werke Raphaels noch
um einige weniger beachtete Stücke erweitern können.
Ueberhaupt ſchmeichle ich mir, die Jugendarbeiten Ra-
phaels in eine beſſere Folge und Ordnung gebracht
zu haben, als die angenommene. Eine ernſtliche Be-
ſchäftigung mit den Schulen zu Fuligno und Peru-
gia, von welcher im vorangehenden Bande Rechen-
ſchaft abgelegt worden, hatte mich in den Stand ge-
ſetzt, durch den Nebel zu ſehen, welchen die Druck-
ſchriften ſeit Vaſari über die Jugend Raphaels ver-
breitet haben. Die verſchiedenen Epochen des Pietro
Perugino, welche doch ſchon Vaſari, zwar allgemein-
hin, doch ganz richtig bezeichnet, waren von den Ver-
faſſern der lettere Perugine, von Lanzi und anderen
neueren Schriftſtellern nie gehörig unterſchieden wor-
den; der Andrea di Luigi, genannt Ingegno, war, bis
ich das hiſtoriſch Sichere aufgedeckt, Gegenſtand der
lächerlichſten Träumereien; ſelbſt den Pinturicchio kannte
man wenig, unterſchied ſeine eigene Arbeiten durchaus
nicht von denjenigen, welche er mit Hülfe ſehr ver-
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wenig vorbereitet, mußte es dem Hiſtoriker, wie ſelbſt
dem Kenner ſchwer fallen, Raphaels früheſte Arbeiten
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/18>, abgerufen am 29.07.2024.
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