Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

hört, haben, da sie doch nun einmal auf Vasari sich
stützen wollen, das Bildniß sich recht angesehen, wel-
ches Vasari in einem sehr manierten Holzschnitte dem
Leben Raphaels vorangestellt hat. Es ist abscheulich
gemacht; doch sieht man, woher Vasari es entnom-
men; denn die Beleuchtung, die Haltung des Kopfes,
der etwas vorgedrängte, geschwellte Mund, wie end-
lich die Parthieen des Haares, lassen nicht bezweifeln,
daß jener unbekannte Formschneider einer sehr flüch-
tigen Zeichnung nach dem Bilde des Hauses Altoviti
gefolgt sey. Allein auch die Sprachgründe des italie-
nischen Gelehrten sind nicht so unumstößlich, als der
Verfasser anzunehmen scheint. Missirini hat die Elo-
cution des Vasari nicht genug berücksichtigt und, zu
Ende seiner Deduction, diese wieder umgestoßen, in-
dem er sagt: das possessivum, um auf das Sub-
ject bezogen zu werden, erheische den Zusatz, proprio.
Denn es ist dieser Zusatz einleuchtend nur eine Ver-
stärkung, keine Umwandlung des Sinnes. Dieselbe
Construction umfaßt bei Vasari zwey in sehr verschie-
denen Epochen Raphaels gemalte Bilder; übrigens ist
es nicht nöthig das: fece a Bindo, so buchstäblich
zu nehmen, sowohl in Ansehung der verknüpfenden
Erzählungsweise des Vasari, als besonders des Um-
standes, daß in dem zweyten, der Madonna dell'
impannata
, von Raphaels Hand keine Spur sich zeigt.
Bindo konnte beide Gemälde aufgekauft haben; das
zweyte verhandelte er an den Herzog Cosimo I.

hört, haben, da ſie doch nun einmal auf Vaſari ſich
ſtützen wollen, das Bildniß ſich recht angeſehen, wel-
ches Vaſari in einem ſehr manierten Holzſchnitte dem
Leben Raphaels vorangeſtellt hat. Es iſt abſcheulich
gemacht; doch ſieht man, woher Vaſari es entnom-
men; denn die Beleuchtung, die Haltung des Kopfes,
der etwas vorgedrängte, geſchwellte Mund, wie end-
lich die Parthieen des Haares, laſſen nicht bezweifeln,
daß jener unbekannte Formſchneider einer ſehr flüch-
tigen Zeichnung nach dem Bilde des Hauſes Altoviti
gefolgt ſey. Allein auch die Sprachgründe des italie-
niſchen Gelehrten ſind nicht ſo unumſtößlich, als der
Verfaſſer anzunehmen ſcheint. Miſſirini hat die Elo-
cution des Vaſari nicht genug berückſichtigt und, zu
Ende ſeiner Deduction, dieſe wieder umgeſtoßen, in-
dem er ſagt: das possessivum, um auf das Sub-
ject bezogen zu werden, erheiſche den Zuſatz, proprio.
Denn es iſt dieſer Zuſatz einleuchtend nur eine Ver-
ſtärkung, keine Umwandlung des Sinnes. Dieſelbe
Conſtruction umfaßt bei Vaſari zwey in ſehr verſchie-
denen Epochen Raphaels gemalte Bilder; übrigens iſt
es nicht nöthig das: fece a Bindo, ſo buchſtäblich
zu nehmen, ſowohl in Anſehung der verknüpfenden
Erzählungsweiſe des Vaſari, als beſonders des Um-
ſtandes, daß in dem zweyten, der Madonna dell’
impannata
, von Raphaels Hand keine Spur ſich zeigt.
Bindo konnte beide Gemälde aufgekauft haben; das
zweyte verhandelte er an den Herzog Coſimo I.

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="IX"/>
hört, haben, da &#x017F;ie doch nun einmal auf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;tützen wollen, das Bildniß &#x017F;ich recht ange&#x017F;ehen, wel-<lb/>
ches <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> in einem &#x017F;ehr manierten Holz&#x017F;chnitte dem<lb/>
Leben <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> vorange&#x017F;tellt hat. Es i&#x017F;t ab&#x017F;cheulich<lb/>
gemacht; doch &#x017F;ieht man, woher <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> es entnom-<lb/>
men; denn die Beleuchtung, die Haltung des Kopfes,<lb/>
der etwas vorgedrängte, ge&#x017F;chwellte Mund, wie end-<lb/>
lich die Parthieen des Haares, la&#x017F;&#x017F;en nicht bezweifeln,<lb/>
daß jener unbekannte Form&#x017F;chneider einer &#x017F;ehr flüch-<lb/>
tigen Zeichnung nach dem Bilde des Hau&#x017F;es Altoviti<lb/>
gefolgt &#x017F;ey. Allein auch die Sprachgründe des italie-<lb/>
ni&#x017F;chen Gelehrten &#x017F;ind nicht &#x017F;o unum&#x017F;tößlich, als der<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;er anzunehmen &#x017F;cheint. <persName ref="nognd">Mi&#x017F;&#x017F;irini</persName> hat die Elo-<lb/>
cution des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> nicht genug berück&#x017F;ichtigt und, zu<lb/>
Ende &#x017F;einer Deduction, die&#x017F;e wieder umge&#x017F;toßen, in-<lb/>
dem er &#x017F;agt: das <hi rendition="#aq">possessivum</hi>, um auf das Sub-<lb/>
ject bezogen zu werden, erhei&#x017F;che den Zu&#x017F;atz, <hi rendition="#aq">proprio</hi>.<lb/>
Denn es i&#x017F;t die&#x017F;er Zu&#x017F;atz einleuchtend nur eine Ver-<lb/>
&#x017F;tärkung, keine Umwandlung des Sinnes. Die&#x017F;elbe<lb/>
Con&#x017F;truction umfaßt bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> zwey in &#x017F;ehr ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Epochen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> gemalte Bilder; übrigens i&#x017F;t<lb/>
es nicht nöthig das: <hi rendition="#aq">fece a <persName ref="http://d-nb.info/gnd/124713491">Bindo</persName></hi>, &#x017F;o buch&#x017F;täblich<lb/>
zu nehmen, &#x017F;owohl in An&#x017F;ehung der verknüpfenden<lb/>
Erzählungswei&#x017F;e des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName>, als be&#x017F;onders des Um-<lb/>
&#x017F;tandes, daß in dem zweyten, der <hi rendition="#aq">Madonna dell&#x2019;<lb/>
impannata</hi>, von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> Hand keine Spur &#x017F;ich zeigt.<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/124713491">Bindo</persName> konnte beide Gemälde aufgekauft haben; das<lb/>
zweyte verhandelte er an den Herzog <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118638521">Co&#x017F;imo <hi rendition="#aq">I.</hi></persName></p><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[IX/0015] hört, haben, da ſie doch nun einmal auf Vaſari ſich ſtützen wollen, das Bildniß ſich recht angeſehen, wel- ches Vaſari in einem ſehr manierten Holzſchnitte dem Leben Raphaels vorangeſtellt hat. Es iſt abſcheulich gemacht; doch ſieht man, woher Vaſari es entnom- men; denn die Beleuchtung, die Haltung des Kopfes, der etwas vorgedrängte, geſchwellte Mund, wie end- lich die Parthieen des Haares, laſſen nicht bezweifeln, daß jener unbekannte Formſchneider einer ſehr flüch- tigen Zeichnung nach dem Bilde des Hauſes Altoviti gefolgt ſey. Allein auch die Sprachgründe des italie- niſchen Gelehrten ſind nicht ſo unumſtößlich, als der Verfaſſer anzunehmen ſcheint. Miſſirini hat die Elo- cution des Vaſari nicht genug berückſichtigt und, zu Ende ſeiner Deduction, dieſe wieder umgeſtoßen, in- dem er ſagt: das possessivum, um auf das Sub- ject bezogen zu werden, erheiſche den Zuſatz, proprio. Denn es iſt dieſer Zuſatz einleuchtend nur eine Ver- ſtärkung, keine Umwandlung des Sinnes. Dieſelbe Conſtruction umfaßt bei Vaſari zwey in ſehr verſchie- denen Epochen Raphaels gemalte Bilder; übrigens iſt es nicht nöthig das: fece a Bindo, ſo buchſtäblich zu nehmen, ſowohl in Anſehung der verknüpfenden Erzählungsweiſe des Vaſari, als beſonders des Um- ſtandes, daß in dem zweyten, der Madonna dell’ impannata, von Raphaels Hand keine Spur ſich zeigt. Bindo konnte beide Gemälde aufgekauft haben; das zweyte verhandelte er an den Herzog Coſimo I.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/15
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/15>, abgerufen am 18.04.2024.