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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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mälde, weder im Ganzen, noch im Einzelnen die Befriedi-
gung, welche man von einem Meister erwarten dürfte, den
seine Nachfolger lange Zeit hindurch einem Taddeo Gaddi,
Giottino, Arcagnuolo, Giovanni di Milano und anderen Mei-
stern vorgezogen, deren vorhandene Arbeiten noch immer Be-
wunderung und Wohlgefallen erwecken. Wir werden daher,
selbst wenn wir die Lobsprüche älterer Schriftsteller, was deren
Ausschließlichkeit angeht, zum Theil aus Vorurtheilen erklären
wollten, doch annehmen müssen, daß Giotto in anderen Wer-
ken, deren Aufgabe seinem Talent mehr entsprochen, Größeres
und Besseres geleistet habe, als in diesem geschehen ist.

Beschränken wir uns daher bey Untersuchung dieses
einzig bewährten Probestückes seiner Manier und technischen
Eigenthümlichkeit, eben nur diese im Auge zu behalten und
versuchen wir, deren Charakter so scharf, als möglich zu
begrenzen.

Sehn wir auf die Färbung, vielmehr auf die Mischung
und Behandlung der färbenden Stoffe, so zeigt sich aus die-
sem Bilde, daß Giotto bereits jene Bindemittel aufgegeben
hatte, deren Cimabue und Duccio sich bedienten, welche (nach

anliegende Kleider und eine große Mannichfaltigkeit von musicali-
schen Instrumenten, mit denen sie mehr zu lärmen, als zu musici-
ren das Ansehn haben. Dieser Gebrauch hat in der modernen
Malerey viel Eingang gefunden, giebt indeß etwas Burleskes. Die
Möglichkeit, durch menschliche Formen übersinnliche Wesen darzu-
stellen, beruhet auf dem Ausdrucke des Geistigen in der meist vollen-
deten Gestaltung der Natur; an diesem haben jene musicalischen
Werkzeuge offenbar nicht den geringsten Antheil und zerstören da-
her, wie sehr man sich daran gewöhnt haben möge, nothwendig
einen Theil des Eindruckes, den jene zu bewirken fähig sind.

maͤlde, weder im Ganzen, noch im Einzelnen die Befriedi-
gung, welche man von einem Meiſter erwarten duͤrfte, den
ſeine Nachfolger lange Zeit hindurch einem Taddeo Gaddi,
Giottino, Arcagnuolo, Giovanni di Milano und anderen Mei-
ſtern vorgezogen, deren vorhandene Arbeiten noch immer Be-
wunderung und Wohlgefallen erwecken. Wir werden daher,
ſelbſt wenn wir die Lobſpruͤche aͤlterer Schriftſteller, was deren
Ausſchließlichkeit angeht, zum Theil aus Vorurtheilen erklaͤren
wollten, doch annehmen muͤſſen, daß Giotto in anderen Wer-
ken, deren Aufgabe ſeinem Talent mehr entſprochen, Groͤßeres
und Beſſeres geleiſtet habe, als in dieſem geſchehen iſt.

Beſchraͤnken wir uns daher bey Unterſuchung dieſes
einzig bewaͤhrten Probeſtuͤckes ſeiner Manier und techniſchen
Eigenthuͤmlichkeit, eben nur dieſe im Auge zu behalten und
verſuchen wir, deren Charakter ſo ſcharf, als moͤglich zu
begrenzen.

Sehn wir auf die Faͤrbung, vielmehr auf die Miſchung
und Behandlung der faͤrbenden Stoffe, ſo zeigt ſich aus die-
ſem Bilde, daß Giotto bereits jene Bindemittel aufgegeben
hatte, deren Cimabue und Duccio ſich bedienten, welche (nach

anliegende Kleider und eine große Mannichfaltigkeit von muſicali-
ſchen Inſtrumenten, mit denen ſie mehr zu laͤrmen, als zu muſici-
ren das Anſehn haben. Dieſer Gebrauch hat in der modernen
Malerey viel Eingang gefunden, giebt indeß etwas Burleskes. Die
Moͤglichkeit, durch menſchliche Formen uͤberſinnliche Weſen darzu-
ſtellen, beruhet auf dem Ausdrucke des Geiſtigen in der meiſt vollen-
deten Geſtaltung der Natur; an dieſem haben jene muſicaliſchen
Werkzeuge offenbar nicht den geringſten Antheil und zerſtoͤren da-
her, wie ſehr man ſich daran gewoͤhnt haben moͤge, nothwendig
einen Theil des Eindruckes, den jene zu bewirken faͤhig ſind.
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[60/0078] maͤlde, weder im Ganzen, noch im Einzelnen die Befriedi- gung, welche man von einem Meiſter erwarten duͤrfte, den ſeine Nachfolger lange Zeit hindurch einem Taddeo Gaddi, Giottino, Arcagnuolo, Giovanni di Milano und anderen Mei- ſtern vorgezogen, deren vorhandene Arbeiten noch immer Be- wunderung und Wohlgefallen erwecken. Wir werden daher, ſelbſt wenn wir die Lobſpruͤche aͤlterer Schriftſteller, was deren Ausſchließlichkeit angeht, zum Theil aus Vorurtheilen erklaͤren wollten, doch annehmen muͤſſen, daß Giotto in anderen Wer- ken, deren Aufgabe ſeinem Talent mehr entſprochen, Groͤßeres und Beſſeres geleiſtet habe, als in dieſem geſchehen iſt. Beſchraͤnken wir uns daher bey Unterſuchung dieſes einzig bewaͤhrten Probeſtuͤckes ſeiner Manier und techniſchen Eigenthuͤmlichkeit, eben nur dieſe im Auge zu behalten und verſuchen wir, deren Charakter ſo ſcharf, als moͤglich zu begrenzen. Sehn wir auf die Faͤrbung, vielmehr auf die Miſchung und Behandlung der faͤrbenden Stoffe, ſo zeigt ſich aus die- ſem Bilde, daß Giotto bereits jene Bindemittel aufgegeben hatte, deren Cimabue und Duccio ſich bedienten, welche (nach *) *) anliegende Kleider und eine große Mannichfaltigkeit von muſicali- ſchen Inſtrumenten, mit denen ſie mehr zu laͤrmen, als zu muſici- ren das Anſehn haben. Dieſer Gebrauch hat in der modernen Malerey viel Eingang gefunden, giebt indeß etwas Burleskes. Die Moͤglichkeit, durch menſchliche Formen uͤberſinnliche Weſen darzu- ſtellen, beruhet auf dem Ausdrucke des Geiſtigen in der meiſt vollen- deten Geſtaltung der Natur; an dieſem haben jene muſicaliſchen Werkzeuge offenbar nicht den geringſten Antheil und zerſtoͤren da- her, wie ſehr man ſich daran gewoͤhnt haben moͤge, nothwendig einen Theil des Eindruckes, den jene zu bewirken faͤhig ſind.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/78>, abgerufen am 21.11.2024.