allgemeinen Anführungen oberflächlicher Forscher beruhet, *) da, sey es durch Unfleiß der florentinischen Forscher, oder durch Lückenhaftigkeit der Archive, sogar Cimabue mit allen ihm von Vasari und Späteren beygemessenen Werken nirgend urkundlich bewährt ist: so ergiebt sich, daß die florentinische Kunstgeschichte während des dreyzehnten Jahrhundertes der sienesischen an Begründung und innerem Reichthum um Vie- les nachsteht; daß, selbst wenn die Florentiner in diesem Zeit- raume ihre Nachbaren wirklich im Geiste und im Geschicke der Kunst übertroffen hätten, doch immer der Beweis nicht wohl zu führen wäre, was uns minder beunruhigen wird, da wir bey dieser Frage durchaus nicht betheiligt sind.
Ungeachtet dieser Dunkelheiten, welche zum Theil auch daher zu erklären seyn mögen, daß so viele der ältesten floren- tinischen Denkmale (s. Piero Scheraggio, sta Reparata, alle ältere Pfarrkirchen, mit Ausnahme einiger noch vorhandenen Vorhallen; römischer Alterthümer, des Parlagio u. a. nicht zu gedenken) durch die Baulust und Prachtliebe späterer Zei- ten verdrängt worden sind, bin ich fest überzeugt, daß die florentinischen Maler schon im dreyzehnten Jahrhunderte Ta- lent gezeigt und mit ihren Zeitgenossen Schritt gehalten haben. Die Florentiner hatten schon seit dem eilften Jahrhundert in der Baukunst einen damals noch ungewöhnlichen Sinn für Ebenmaß dargelegt; sie hatten in der zweyten Hälfte des dreyzehnten bereits einige Schriftsteller hervorgebracht, welche alle Vortheile des toscanischen Idiomes benutzten und im Wortgebrauche, wie in der Construction noch immer für mu- sterhaft gelten. Da zudem die beiden großen Tafeln, welche
allgemeinen Anfuͤhrungen oberflaͤchlicher Forſcher beruhet, *) da, ſey es durch Unfleiß der florentiniſchen Forſcher, oder durch Luͤckenhaftigkeit der Archive, ſogar Cimabue mit allen ihm von Vaſari und Spaͤteren beygemeſſenen Werken nirgend urkundlich bewaͤhrt iſt: ſo ergiebt ſich, daß die florentiniſche Kunſtgeſchichte waͤhrend des dreyzehnten Jahrhundertes der ſieneſiſchen an Begruͤndung und innerem Reichthum um Vie- les nachſteht; daß, ſelbſt wenn die Florentiner in dieſem Zeit- raume ihre Nachbaren wirklich im Geiſte und im Geſchicke der Kunſt uͤbertroffen haͤtten, doch immer der Beweis nicht wohl zu fuͤhren waͤre, was uns minder beunruhigen wird, da wir bey dieſer Frage durchaus nicht betheiligt ſind.
Ungeachtet dieſer Dunkelheiten, welche zum Theil auch daher zu erklaͤren ſeyn moͤgen, daß ſo viele der aͤlteſten floren- tiniſchen Denkmale (ſ. Piero Scheraggio, ſta Reparata, alle aͤltere Pfarrkirchen, mit Ausnahme einiger noch vorhandenen Vorhallen; roͤmiſcher Alterthuͤmer, des Parlagio u. a. nicht zu gedenken) durch die Bauluſt und Prachtliebe ſpaͤterer Zei- ten verdraͤngt worden ſind, bin ich feſt uͤberzeugt, daß die florentiniſchen Maler ſchon im dreyzehnten Jahrhunderte Ta- lent gezeigt und mit ihren Zeitgenoſſen Schritt gehalten haben. Die Florentiner hatten ſchon ſeit dem eilften Jahrhundert in der Baukunſt einen damals noch ungewoͤhnlichen Sinn fuͤr Ebenmaß dargelegt; ſie hatten in der zweyten Haͤlfte des dreyzehnten bereits einige Schriftſteller hervorgebracht, welche alle Vortheile des toscaniſchen Idiomes benutzten und im Wortgebrauche, wie in der Conſtruction noch immer fuͤr mu- ſterhaft gelten. Da zudem die beiden großen Tafeln, welche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0047"n="29"/>
allgemeinen Anfuͤhrungen oberflaͤchlicher Forſcher beruhet, <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/100323677">Richa</persName>, delle Chiese di <placeName>Fir.</placeName></hi></note><lb/>
da, ſey es durch Unfleiß der florentiniſchen Forſcher, oder<lb/>
durch Luͤckenhaftigkeit der Archive, ſogar <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119138883">Cimabue</persName> mit allen<lb/>
ihm von <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> und Spaͤteren beygemeſſenen Werken nirgend<lb/>
urkundlich bewaͤhrt iſt: ſo ergiebt ſich, daß die florentiniſche<lb/>
Kunſtgeſchichte waͤhrend des dreyzehnten Jahrhundertes der<lb/>ſieneſiſchen an Begruͤndung und innerem Reichthum um Vie-<lb/>
les nachſteht; daß, ſelbſt wenn die Florentiner in dieſem Zeit-<lb/>
raume ihre Nachbaren wirklich im Geiſte und im Geſchicke<lb/>
der Kunſt uͤbertroffen haͤtten, doch immer der Beweis nicht<lb/>
wohl zu fuͤhren waͤre, was uns minder beunruhigen wird, da<lb/>
wir bey dieſer Frage durchaus nicht betheiligt ſind.</p><lb/><p>Ungeachtet dieſer Dunkelheiten, welche zum Theil auch<lb/>
daher zu erklaͤren ſeyn moͤgen, daß ſo viele der aͤlteſten floren-<lb/>
tiniſchen Denkmale (ſ. Piero Scheraggio, ſta Reparata, alle<lb/>
aͤltere Pfarrkirchen, mit Ausnahme einiger noch vorhandenen<lb/>
Vorhallen; roͤmiſcher Alterthuͤmer, des Parlagio u. a. nicht<lb/>
zu gedenken) durch die Bauluſt und Prachtliebe ſpaͤterer Zei-<lb/>
ten verdraͤngt worden ſind, bin ich feſt uͤberzeugt, daß die<lb/>
florentiniſchen Maler ſchon im dreyzehnten Jahrhunderte Ta-<lb/>
lent gezeigt und mit ihren Zeitgenoſſen Schritt gehalten haben.<lb/>
Die Florentiner hatten ſchon ſeit dem eilften Jahrhundert in<lb/>
der Baukunſt einen damals noch ungewoͤhnlichen Sinn fuͤr<lb/>
Ebenmaß dargelegt; ſie hatten in der zweyten Haͤlfte des<lb/>
dreyzehnten bereits einige Schriftſteller hervorgebracht, welche<lb/>
alle Vortheile des toscaniſchen Idiomes benutzten und im<lb/>
Wortgebrauche, wie in der Conſtruction noch immer fuͤr mu-<lb/>ſterhaft gelten. Da zudem die beiden großen Tafeln, welche<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[29/0047]
allgemeinen Anfuͤhrungen oberflaͤchlicher Forſcher beruhet, *)
da, ſey es durch Unfleiß der florentiniſchen Forſcher, oder
durch Luͤckenhaftigkeit der Archive, ſogar Cimabue mit allen
ihm von Vaſari und Spaͤteren beygemeſſenen Werken nirgend
urkundlich bewaͤhrt iſt: ſo ergiebt ſich, daß die florentiniſche
Kunſtgeſchichte waͤhrend des dreyzehnten Jahrhundertes der
ſieneſiſchen an Begruͤndung und innerem Reichthum um Vie-
les nachſteht; daß, ſelbſt wenn die Florentiner in dieſem Zeit-
raume ihre Nachbaren wirklich im Geiſte und im Geſchicke
der Kunſt uͤbertroffen haͤtten, doch immer der Beweis nicht
wohl zu fuͤhren waͤre, was uns minder beunruhigen wird, da
wir bey dieſer Frage durchaus nicht betheiligt ſind.
Ungeachtet dieſer Dunkelheiten, welche zum Theil auch
daher zu erklaͤren ſeyn moͤgen, daß ſo viele der aͤlteſten floren-
tiniſchen Denkmale (ſ. Piero Scheraggio, ſta Reparata, alle
aͤltere Pfarrkirchen, mit Ausnahme einiger noch vorhandenen
Vorhallen; roͤmiſcher Alterthuͤmer, des Parlagio u. a. nicht
zu gedenken) durch die Bauluſt und Prachtliebe ſpaͤterer Zei-
ten verdraͤngt worden ſind, bin ich feſt uͤberzeugt, daß die
florentiniſchen Maler ſchon im dreyzehnten Jahrhunderte Ta-
lent gezeigt und mit ihren Zeitgenoſſen Schritt gehalten haben.
Die Florentiner hatten ſchon ſeit dem eilften Jahrhundert in
der Baukunſt einen damals noch ungewoͤhnlichen Sinn fuͤr
Ebenmaß dargelegt; ſie hatten in der zweyten Haͤlfte des
dreyzehnten bereits einige Schriftſteller hervorgebracht, welche
alle Vortheile des toscaniſchen Idiomes benutzten und im
Wortgebrauche, wie in der Conſtruction noch immer fuͤr mu-
ſterhaft gelten. Da zudem die beiden großen Tafeln, welche
*) Richa, delle Chiese di Fir.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/47>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.